Berliner Musiker:innen nach der Pandemie - "Die Leute wertschätzen nicht mehr, was wir machen"

So 26.05.24 | 14:35 Uhr | Von Sebastian Goddemeier
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Symbolbild:Eine DJ legt in einem Club in Berlin auf.(Quelle:picture alliance/dpa/F.Sommer)
Bild: picture alliance/dpa/F.Sommer

Berlins Musikszene geriet durch die Corona-Pandemie in eine Krise. Drei Berliner Musiker:innen erzählen, wie sich ihre Karrieren und die Branche seither verändert haben. Von Sebastian Goddemeier

Berlin zählt zu Deutschlands Partyhauptstadt: 58.000 Clubevents finden jedes Jahr statt. Davon leben nicht nur die Veranstalter:innen, sondern vor allem die Musiker:innen selbst. Während der Coronapandemie wurde es in den rund 200 Clubs der Hauptstadt lange still.

Viele Menschen der Kulturbranche mussten um ihre Existenz bangen. Die, die finanziell überlebt haben, machen seit zwei Jahren weiter. Doch mit genauso viel Elan wie vor der Pandemie? Drei Berliner Musiker:innen erzählen von ihren Beobachtungen und den Veränderungen, die die Stadt, ihre Musikszene und sie selbst seit der Pandemie durchgemacht haben.

Ployceebell (Quelle: Daffke Hollstein)
DJ Ployceebell legt seit über 15 Jahren in Berlin und europaweit auf - nach Corona bemerkte sie die größte Veränderung beim PublikumBild: Daffke Hollstein

Die Kondition ist nicht mehr so stark wie früher, aber die Liebe zum Feiern ist geblieben.

DJ Ployceebell, 41

Die Künstlerin ist seit über 15 Jahren als DJ in Berlin und ganz Europa tätig. Vor der Pandemie legte sie vor allem in Clubs wie dem Schwuz in Neukölln auf. Mit der Pandemie stand sie vor einem Problem. Sie musste umsatteln. "Nach den Lockdowns konnte ich erst nur auf Hochzeiten und Veranstaltungen spielen, wie dem CSD, da die Clubs noch zu waren." Corona brachte aber auch Gutes: Sie achtete vermehrt auf ihre Gesundheut, merkte, dass ihr die Nachtschichten in den Clubs nicht guttun. Bis heute arbeitet sie vermehrt tagsüber oder am frühen Abend.

Die größte Veränderung bemerkt sie jedoch im Publikum. "Ich habe den Eindruck, dass Partys inzwischen früher anfangen und früher aufhören. Vor der Pandemie kamen die Leute erst gegen zwei in den Club, nach dem Vorglühen, und sind bis sechs geblieben." Heute kämen die meisten um Mitternacht und gingen gegen drei oder vier Uhr wieder. "Die Kondition ist nicht mehr so stark wie früher, aber die Liebe zum Feiern ist geblieben." Vor allem nach der Pandemie sei ein großer Hunger auf Tanzen und Feiern dagewesen, heute sei das Publikum hingegen ein wenig aus der Puste.

Auch das Verhalten des Publikums gegenüber ihr als DJ hat sich verändert, bemerkt Ployceebell. Die Gäste seien fordernder und forscher. Auch habe sie "das Gefühl, dass die Leute teilweise nicht mehr wertschätzen, was wir machen: Wir möchten sie zum Tanzen bringen und dass sie eine gute Zeit haben."

Siri Svegler (Quelle: Daffke Hollstein)
Siri Svegler hatte vor der Pandemie vor allem Live-Auftritte, weil diese ausfielen, begann sie ein Studium in Musikproduktion.Bild: Daffke Hollstein

Ich habe immer noch das Gefühl, dass die Leute ein bisschen gehemmt sind, rauszugehen.

Siri Svegler, 44

Die Singer-Songwriterin singt bereits seit über 16 Jahren auf Berlins Bühnen und hat drei Studioalben veröffentlicht. Vor der Pandemie hatte sie viele Live-Auftritte. Während der Pandemie fielen diese allerdings weg. Auch Svegler musste umdenken. Sie begann ein Studium in Musikproduktion und konzentrierte sich auf Stuioaufnahmen.

Inzwischen spielt sie zwar wieder live, aber nicht so intensiv wie vor der Pandemie. "Die Kleinkunstbühnen und die Kulturvereine mussten um ihr Überleben kämpfen. Die Menschen sind zwar mit Herz und Blut dabei, müssen aber immer noch schauen, wie sie ihre Läden vollkriegen." Sie hofft, dass das Publikum bald wieder mehr Lust auf die kleinen Bühnen bekommt – abseits der Stadien, wie sie Beyoncé und Taylor Swift füllen. "Ich habe immer noch das Gefühl, dass die Leute ein bisschen gehemmt sind, rauszugehen. Die Lücke, die in der Pandemie entstanden ist, ist noch ein bisschen da." Auch wenn Menschen wieder mehr rausgingen, "befinden wir uns trotzdem noch im Aufwachen".

Für die Zukunft wünscht sie sich offenes Miteinander und einen starken Zusammenhalt in Berlins Musikszene, "damit wir unsere Musik auch weiter spielen können."

Till Kaefert (Quelle: Enrico Lenz)
Till Käfert machte seinen damaligen Nebenjob zu seinem Hauptjob: als Musikproduzent und Sound Engineer begann er ausschließlich online zu arbeitenBild: Enrico Lenz

Ich habe viele Leute in meinem Umfeld, die in dieser Zeit ihre Karriere beendet haben.

Till Käfert, 37

Auch Till Käfert spielte vor der Pandemie vor allem live, womit er als Musiker seinen Lebensunterhalt bestritt. Mit der Pandemie fiel auch ihm das Einkommen weg. "Ich habe viele Leute in meinem Umfeld, die in dieser Zeit ihre Karriere beendet haben. Es war zu anstrengend und oft hat das Geld gefehlt, um zu überleben." Der gebürtige Berliner wurde kreativ und überlegte sich, wie er dennoch erfolgreich als Musiker weitermachen konnte. Sein damaliger Nebenjob wurde zu seinem Hauptjob und er begann online als Musikproduzent und Sound Engineer zu arbeiten. "Ich habe mich als Produzent und Engineer so positioniert, dass ich mit Musiker:innen über ein Online-System remote arbeiten konnte – so wie viele andere auch, die auf einmal im Home Office saßen.“ Sein Konzept wurde sehr gut angenommen – heute arbeitet er mit Branchengrößen wie Shirin David, Katja Krasavice und Laas.

Im Rückblick auf die Pandemie bekommt Till Käfert vor allem das Gefühl, "dass ein ganzer Schwung an Musiker:innen während der Pandemie einfach verschwunden ist". Die meisten hätten bis heute große Probleme live zu spielen. Die Veranstalter:innen seien teilweise in andere Branchen und Berufe gegangen, wodurch für manche die Netzwerke zusammengebrochen sind und somit die Perspektive genommen wurden. "Wer in der Pandemie hingegen über Social Media durchgestartet ist, hat heute teilweise live ein Problem, weil Bühnenerfahrungen und die Live-Skills fehlen." Auch das könne ein Karriere-Killer sein.

Beitrag von Sebastian Goddemeier

18 Kommentare

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  1. 18.

    Ok, Boomer, echt sad, aber selbst dran schuld. Jammern hilft nicht. Meine Omi + mein Opi sind über 60 und tanzen, wie Sau! Auch nach neuester Musie!!!

  2. 15.

    Ich weiß nicht, was sie mit Absprung meinen, aber zum erwachsen und reifer werden gehört neben einer Ernsthaftigkeit zu/in gegebenen Anlässen/Situationen auch die wirklich nicht unwichtige Fähigkeit Spaß zu haben und sich daran zu erfreuen. Sei es mit Festivals, Live-Musik oder was auch immer. Eine Ausgewogenheit, Ausgeglichenheit ist auch eine Fähigkeit des Erwachsenen - sollte sie zumindest sein. Diese muss auch keine Erwartungen ala "in dem Alter noch" erfüllen und schöne Dinge können auch wiederholt werden, auch 4 x. Anders, was gibt es schöneres als die Frage der Enkelin "Kommste mit nach Wacken, hab' Karten.".

  3. 14.

    Ich trete für die offizielle richtige Lehrmeinung ein. Der richtige Plural ist inklusiv, einfach und geschlechtsneutral. Perfekt. Er kann nicht beleidigen. Weder „alte weiße Männer“ noch „Mörder:innen“. Wollen Sie verstehen, warum es beleidigend ist, wenn Negatives nicht verfälscht wird, das Positive aber ja? Was sagt es aus, wenn das falsche Deitsch veröffentlicht wird aber das Absurde, Negative aber nicht? (Bsp: „Sprachtaliban:innen“. Das Besondere ist, dass Taliban kein Schipfwort ist)

  4. 13.

    Nun, dann zeigen Sie den RBB-Leuten doch, wie es richtig geht - so auf gut Deutsch. Und verstolpern sich nicht mit falschem Englisch. Oder ging es ihnen um etwas Loses?

  5. 12.

    Ich habe meine Parties gefeiert und alles erlebt und gesehen, was ich erleben und sehen wollte. Manches sogar 2x.
    Und ja, der Mensch wird irgendwann erwachsender und reifer. Der eine schneller, der andere langsamer oder überhaupt nicht. Ist auch etwas peinlich, den Absprung nicht zu schaffen.

  6. 11.

    .....wollen Sie eigentlich die Journalisten durch Ihre ständige Kritik dazu bringen, dass sie mit dem Gendern aufhören? Ich denke, das wird Ihnen nicht gelingen. Aber Sie scheinen ja unbeirrbar zu sein.

  7. 10.

    Das Alter hält nicht vom Feiern ab, auch ein Clubbesuch mit saftigem Eintritt nicht. Die Leute sind auch weiterhin hungrig auf Events. Das ewige Jammern um die Existenz wegen Corona ist aus meiner Sicht belanglos. Wenn es früher mäßig lief, dann ist es auch nach der Pandemie mäßig. In Berlin sind viele Clubs abgewandert, und dass nicht, weil die Berliner das Feiern verlernt oder älter geworden sind, sondern weil es sich nicht mehr rentiert, vertrieben oder wie im Nuke Club die Verträge aufgekündigt wurden. Es gibt aber auch Alternativen: z.B. DED.
    Dark Elektro Devil. Neu entstanden nach der Pandemie und mittlerweile auch stark angesagt in Berlin. Der Nuke Club sucht nach einem neuen Objekt- Fehlanzeige, denn wer möchte einen Club in der Gegend. Zu viele Spießer geben in Berlin den Ton an, und die Clubkommission wird von diesen Leuten geführt.

  8. 9.

    Frauen sind die besseren Musizierenden. Geschlechtersensible Sprache geht immer!

  9. 8.

    Sie tun ja so als würde kein neues Publikum für Kultur und Partys „nachwachsen“……glauben Sie mir, die Jugend hat auch während der Pandemie kräftig gefeiert und dass alles geschlossen war war den jungen Leuten auch egal.
    Hinter unserer Siedlung ist ein freies Feld und da haben die Gruppen aus Jugendlichen es gefühlt jede Nacht krachen lassen, sogar im Winter war da Party bis in die Nächte hinein. Die Polizei fuhr nicht mal hin trotz der Kontaktverbote und Beschränkungen.

  10. 7.

    Und die RBB Leute schätzen nicht mehr die deutsche Rechtschreibung, also loose loose auf allen Seiten.

  11. 6.

    Gruselige Vorstellung vom Erwachsenwerden. Kein Spaß, keine Feier, keine Festivals, nicht Tanzen gehen, keine ad hoc Jam-Session ... nur "Ora et Labora" und forever Ernst? Das Leben ist viel zu kurz um keinen Spaß zu haben.

  12. 5.

    Nee, ist schon wahr. Die Leute sind zu verwöhnt und meckern schon wieder über die Eintrittspreise usw. Mensch, die Musiker und DJ's und Techniker und Kellner und Klofrauen/-Männer müßen auch leben!

  13. 4.

    Vielleicht ist ja das, was die da abliefern, auch nicht so dolle?

  14. 3.

    „Musiker:innen“ gibt es nicht und beleidigt sogar. Weil es unnötig biologisiert.
    musizieren, die Musiker meint dagegen immer alle, genauso wie leiten, die Leiter.
    Grammatikalisch einwandfrei dagegen ist: „Frauen sind die besseren Musiker“. Das kann man nicht gendern und beleigigt auch nicht.

  15. 2.

    Das Publikum hat einfach den Absprung geschafft und wird erwachsen, während andere mit Anfang 40 noch von "feiern" sprechen.

  16. 1.

    "Die Leute wertschätzen nicht mehr, was wir machen"

    ... oder schlicht und einfach das Publikum wird älter, erkennt viel stärker was wirklich wichtig und notwendig im/fürs Leben ist, da fällt Kultur und Party schon mal runter und wird immer unwichtiger ...

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