Eröffnung für 2024 geplant - Feierliches Richtfest für die neue Synagoge in Potsdam

Fr 26.08.22 | 20:07 Uhr
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Der Rohbau des Synagogenzentrums (M) in der Schloßstraße. (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Audio: rbb24 Inforadio | 26.08.2022 | Carsten Dippel | Bild: dpa/Soeren Stache

Jahrelang war um den Bau einer neuen Synagoge in Potsdam gerungen worden, bis im vergangenen November schließlich der Grundstein gelegt wurde. Jetzt ist schon der Rohbau fertig - am Freitag wurde beim Richtfest symbolisch ein Nagel eingeschlagen. Von Carsten Dippel

Mit ein paar kräftigen Schlägen dringen die Nägel ins Holz. Ein Glas wird symbolisch zerschlagen, im strömenden Regen der Richtbaum gesetzt. Ein "Mazel tov" - viel Glück - für die neue Synagoge im Herzen der Landeshauptstadt Potsdam gewünscht. Im Beisein zahlreicher Gäste - Mitglieder der jüdischen Gemeinden, Vertretern der Stadt- und Landespolitik, den Bauleuten - wurde am Freitag feierlich das Richtfest für den Synagogenneubau begangen.

"Es ist ein deutliches Zeichen, dass wir wirklich dabei sind, etwas zu schaffen", sagt Abraham Lehrer, Präsident der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. "Ich nenne es mal eine Art Heimat."

Auch die Landesregierung ist froh, einen großen Schritt weiter zu sein. Ministerpräsident Dietmar Woidke betonte die besondere Verantwortung, gemeinsam für das Wiedererstehen jüdischer Gotteshäuser Sorge zu tragen. "Es ist heute ein Tag der Freude", so der Ministerpräsident. "Es ist aber auch ein großer Tag der Dankbarkeit für das Vertrauen, das Jüdinnen und Juden heute unserem Land wieder schenken. Es ist ein großes Wunder. Für uns auch ein Geschenk. Aber: Es ist eben auch eine Verpflichtung."

Vom Land finanziert

Mit rund 16 Millionen Euro wird das jüdische Gotteshaus vom Land Brandenburg finanziert. Im vergangenen November wurde der Grundstein gelegt. Noch trägt der Rohbau das Baugerüst, doch die Aussparungen der sieben markanten Bogenfenster für den Synagogenraum – nach einem Entwurf des Architekten Jost Haberland – sind bereits zu sehen. Ein Glasdach soll dem Raum Licht geben.

Der insgesamt fünfgeschossige Bau wird auch das Gemeindezentrum beherbergen. In ihm sollen jüdische Feste gefeiert, Gebete gesprochen werden, sich jüdische wie nichtjüdische Menschen begegnen können. In erster Linie sei es aber ein Ort für die jüdische Gemeinschaft der Stadt, so Bildungsministerin Manja Schüle, die sich seit vielen Jahren für dieses Vorhaben engagiert. "Es macht mich glücklich, dass es jetzt soweit ist, dass so viele Vertreter der jüdischen Gemeinden heute hier sein können. Es geht hier nicht um einen Zweckbau, sondern um ein Synagogenzentrum."

Versprechen der Politik

Die alte Synagoge wurde in der Pogromnacht 1938 schwer beschädigt und bei einem Luftangriff im April 1945 zerstört. Als mit dem Zuzug von jüdischen Kontingent-Flüchtlingen in den 1990er Jahren auch in Potsdam jüdisches Gemeindeleben wieder aufblühte, gab die Brandenburger Politik das Versprechen ab, eine Synagoge zu finanzieren. Brandenburgs Ministerpräsident a.D. Matthias Platzek, der ebenfalls unter den Gästen war, hatte sich dafür in besonderem Maße stark gemacht. Der Grundstein für die Synagoge konnte jedoch erst im November vergangenen Jahres gelegt werden.

Jahrelanger Streit

Eine über Jahre teils erbittert geführte Auseinandersetzung hat den Synagogenbau lange Zeit blockiert. Über Form und Ausgestaltung wurde nicht nur leidenschaftlich gerungen. Es kam auch zu Verwerfungen zwischen verschiedenen jüdischen Gemeinden in Potsdam. Der aus Israel stammende und in Potsdam gut vernetzte Musiker Ud Joffe, Vorsitzender der von ihm ins Leben gerufenen Synagogengemeinde, stellte Haberlands Entwurf grundsätzlich in Frage. Den Bau lehnt er nach wie vor ab. Er warf der Landesregierung vor, über die Köpfe der Potsdamer Jüdinnen und Juden hinweg entschieden zu haben, sprach gar von Nazi-Methoden. Eine Verständigung zwischen den Gemeinden schien kaum noch möglich.

Eine Lösung konnte erst erzielt werden, nachdem der jüdische Wohlfahrtsverband ZWST die Trägerschaft des vom Land Brandenburg beauftragten Baus übernahm. Ministerin Manja Schüle will den jahrelangen Streit aber nicht überbewerten. "Dass die Gemeinden so leidenschaftlich darum gerungen haben, wie dieses Synagogenzentrum aussehen soll, wer es nutzen soll, wo etwas steht, gehört dazu. Heute können wir mit großer Freude nach vorn schauen."

In der größten jüdischen Gemeinde der Stadt mit ihren gut 500 Mitgliedern ist die Erleichterung nun groß, bald endlich eine Synagoge zu bekommen, sagt ihr Vorsitzender Jewgenij Kutikow. Seit mehr als 25 Jahren ist die Gemeinde in einem Provisorium untergebracht. Die meisten Mitglieder sind schon älter, stammen aus der ehemaligen Sowjetunion. So viele Jahre hätten sie auf diesen Bau gewartet. "Es ist so eine große Freude", sagt Kutikow, "dass das jüdische Zentrum endlich gebaut ist. Natürlich muss noch viel daran gemacht werden, aber es kann uns niemand mehr nehmen."

Übergabe Anfang 2024

Läuft alles nach Plan, so kann das Synagogen- und Gemeindezentrum Anfang 2024 übergeben werden. Vielleicht, so ZWST-Präsident Abraham Lehrer, werde man dort schon im nächsten Jahr erste Gottesdienste oder kleine Feiern ausrichten können. Es gehe darum, dieses Haus mit Leben zu füllen. Er wünscht sich, dass Synagoge und Gemeindezentrum als ein offenes und gemeinsames Haus von allen Potsdamer Jüdinnen und Juden gesehen wird.

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.08.2022, 15:30 Uhr

5 Kommentare

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  1. 5.

    Es gibt keine Semmelhaak-Architektur, auch wenn die Semmelhaak-Immobiliengesellschaft aus Elmshorn dank einer ehemaligen Bau-Beigeordneten Einzug in Potsdam erhalten hat. Das ist eine reine Immobilienverwertungsgesellschaft, nachdem diese Immobilien erstellt worden sind.

    Meines Erachtens gibt es - hier stimme ich Ihnen sehr wohl zu - durch Computer Aided Design eine ästhetische Verwandtschaft von Architekturen, im Extremfall bis hin zur Unverwechselbarkeit. Das ist dann die weltweite 2.0-Variante des RGW-weiten Plattenbaus zwischen Eisenach und Wladiwostok.

    Am Haberland-Entwurf hat es in der Tat viel Kritik gegeben. Allerdings bin ich persönlich dabei zurückhaltend geworden, angesichts der NS-deutschen Tyrannei ggü. der jüdischen Minderheit. Es sollte allein den jüdischen Gemeinschaften vorbehalten bleiben, über das Aussehen ihrer Bauten zu entscheiden. Das scheint jetzt gegeben.

  2. 4.

    Das finde ich auch.Ein Hingucker ist das Gebäude leider nicht.Aberwas soll's.Hauptsache es erfüllt seinen Zweck.

  3. 3.

    Sieht mir sehr nach ,,Semmelhaak-Architektur,, aus, wie so vieles Neu gebaute in Potsdam. Leider haben Glaube und Gedenken, wahrscheinlich keinen hohen Stellenwert mehr und Architektur bedeutet nur noch - zweckmäßiger, preisgünstiger Baukörper ?

  4. 2.

    Da stand - angesichts der fast unendlich anmutenden Geschichte - wohl "Freud" im Hintergrund:
    Die Zwischenüberschrift sollte besser auch Januar 2024 lauten, nicht Januar 2020.

    Ansonsten meinen Glückwunsch an alle Beteiligten, dass das, was lange währt, nun endlich gut wird und Potsdam endlich "seine" Synagoge bekommt. Vereinzelte Misstöne, wie neulich berichtet, werden aber auch künftig offensichtlich nicht ausbleiben. Sei´s drum, das Wesentliche ist getan.

  5. 1.

    @rbb24: Fehler in Zwischenüberschrift "Eröffnung für Januar 2020 geplant". Es müßte wohl 2024 heißen.

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