Keine Entscheidung seit den 1990er Jahren - Zukunft des Molkenmarktes bleibt weiter offen

Mi 14.09.22 | 14:34 Uhr
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Nächtlicher Verkehr auf der Grunerstraße
Video: rbb24 Abendschau | Mi 14.09.22 | Bild: dpa/Soeren Stache

Seit Anfang der 90er Jahre überlegt Berlin, was aus dem Molkenmarkt in Mitte werden soll. Etliche Diskussionen gab es schon, nun lagen einem Preisgericht endlich zwei finale Entwürfe vor. Doch eine klare Entscheidung blieb aus. Von Sebastian Schöbel

Die künftige Gestaltung des Molkenmarktes in Berlin-Mitte ist weiter ungeklärt. Ein vom Senat eingesetztes Preisgericht traf nach gut zwei Jahren Beratung keine finale Entscheidung. Das teilte Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt am Mittwoch mit.

In einem nächsten Schritt soll bis Ende des Jahres eine Charta erarbeitet werden, auf deren Grundlage der Molkenmarkt später bebaut werden kann. Die beiden finalen Entwürfe, die zuletzt auf dem Tisch lagen, hätten dafür eine gute Basis geliefert, so die Jury. Ende 2023 oder Anfang 2024 sollen dann die ersten Hochbauwettbewerbe für konkrete Gebäude starten, so Kahlfeldt. Gebaut werden könne aber frühestens ab 2026, wenn die archäologischen Grabungen abgeschlossen seien.

Kahlfeldt betonte auf Nachfrage, dass das Verfahren kein Wettbewerb gewesen sei: Die Jury habe lediglich auf Basis der Entwürfe Empfehlungen für den weiteren Prozess erarbeiten sollen. So sei auch die Ausschreibung formuliert worden. "Unsere Aufgabe war nicht, einen Sieger zu küren", so die Vorsitzende des Preisgerichts, Christa Reicher. Allerdings heißt es in der Auslobung des Verfahrens, dass "die Empfehlung eines der beiden Entwürfe als Grundlage einer Charta für die Entwicklung am Molkenmarkt" dienen soll. Auch aus diesem Grund war die Überraschung am Mittwoch groß, dass sich die Jury nicht eindeutig positionieren konnte.

Noch viele Fragen offen

Zuletzt lagen dem Preisgericht noch zwei Entwürfe vor: Einer vom Team des inzwischen verstorbenen Berliner Architekten Bernd Albers und dem Züricher Landschaftsarchitekturbüro Vogt, sowie ein Entwurf des dänischen Teams von OS Arkitekter aus Kopenhagen und der Czyborra Klingbeil Architekturwerkstatt aus Berlin. Zwar hätten beide Entwürfe zentrale Anforderungen für das neue Quartier erfüllt, so Reicher. Dennoch blieben zentrale Fragen unbeantwortet.

Die Jury empfahl, vier Machbarkeitsstudien in Auftrag zu geben. Dabei sollen unter anderem Fragen zum energetischen Konzept des Molkenmarkt-Quartiers beantwortet werden. Außerdem müsse geklärt werden, wie das Neubaugebiet Regenwasser auffangen und nutzen kann, wie die Ver- und Entsorgung gewährleistet wird und wie man die archäologischen Funde an einem der ältesten Berliner Siedlungsorte im Quartier bewahren und öffentlich ausstellen kann.

Modell des neuen Molkenmarktes
Der Entwurf des dänischen Teams von OS Arkitekter aus Kopenhagen. | Bild: OS arkitekter/cka czyborra klingbeil/Foto: H.-J. Wuthenow

Planungen seit Anfang der 90er Jahre

Die Entwicklung des Molkenmarktes dauert bereits seit 1992 an. Schon damals kam ein Gutachten zu dem Schluss, dass zwischen Rotem Rathaus und Altem Stadthaus mehr Platz für Gewerbe, Kultur und vor allem Wohnungen vorhanden wäre, wenn die überbreite Grunerstraße verlegt werden würde. Seit 2016 gibt es einen rechtsverbindlichen Bebauungsplan für das Gelände, das einst die Keimzelle der heutigen Spreemetropole war.

Modell des neuen Molkenmarktes
Der Entwurf von Bernd Albers Gesellschaft von Architekten mbH und Prof. Dr. Silvia Malcovati / Vogt Landschaftsarchitekten AG. | Bild: Bernd Albers, Gesellschaft von Architekten/Foto: H.-J. Wuthenow

Kritik von Grünen und FDP

Der nun ohne klares Ergebnis abgeschlossene Werkstattprozess sorgt seit Monaten für heftigen Streit in der Berliner Architektenszene: Im Kern geht es um die Frage, wie ökologisch, wie sozial verträglich und vor allem wie teuer gebaut werden soll. Die beiden finalen Entwürfe unterscheiden sich teils stark und stellen vor allem Senatsbaudirektorin Kahlfeldt vor ein Dilemma. Sie hatte früher eben jener Jury angehört, die nun entscheiden sollte - und stand dem Architekten Bernd Albers auch beruflich nahe. Beide waren unter anderem in der "Planungsgruppe Stadtkern" aktiv, die Kritiker als "rückwärtsgewandt" und als Treiber der Privatisierung bezeichnen. Kahlfeldt selbst wies den Vorwurf, bei der Entscheidung befangen zu sein, stets zurück.

"Dass es keine Entscheidung gibt, irritiert und wirft Fragen auf, die noch zu klären sind", sagte Julian Schwarze, der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Grünen. Er warf Kahlfeldt vor, den Entwurf des Architekten Albers zu bevorzugen, in dem weniger Grünflächen und weniger sozialer Wohnungsbau möglich sei. "Frau Kahlfeldt träumt immer noch von einer Stadt aus Stein und Beton", so Schwarze. "Wir brauchen nicht weniger sondern mehr Grünflächen am Molkenmarkt."

Katalin Gennburg, die Expertin für Stadtentwicklung bei den Linken, warf Senatsbaudirektorin Kahlfeldt vor, "entgegen dem Votum der Jurymehrheit eine eindeutige Empfehlung verhindert" zu haben. "Das werden sich weder die Abgeordneten, noch die renommierte Fach-Community bieten lassen", so Gennburg. Die Linken-Politikerin forderte zudem, dass das Abgeordnetenhaus die Charta Molkenmarkt absegnet. Das sei unter der Vorgängerregierung zugesichert worden.

Kritik kam auch von der FDP. Deren Sprecher für Bauen und Wohnen, Stefan Förster, forderte eine zügige Entscheidung zur Zukunft des Areals. "Eine qualitätsvolle historisierende Bebauung wäre der Geschichte des Ortes angemessen, ist aber kein Muss", sagte Förster, und bezog sich damit vor allem auf den Entwurf des Architekturbüros Albers. "Wir brauchen qualitätvolle Architektur und eine baldige Grundsatzentscheidung, wie es am Molkenmarkt weitergehen soll."

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.09.2022, 17:00 Uhr

11 Kommentare

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  1. 11.

    Nein, nein, das muss noch ausführlich diskutiert werden. Alles bitte nochmal durchdenken, prüfen, vergleichen, zum Wettbewerb ausschreiben (den man dann kurz vor Schluss beendet), auf Nachhaltigkeit und sozial ausgewogene Konzepte achten. Auf jeden Fall noch mal Zeit lassen und nichts überstürzen. Ich denke nochmal 30 Jahre sind nicht zu wenig für dieses Projekt.

  2. 10.

    Diese Profilierungssucht der Eliten ist einfach unerträglich. Koste es was es wolle. Nur meinen Deibel sollt ihr folgen.
    Wenn dann auch noch Versorgung für mich rausspringt wird alles gerecht fertigt.

  3. 9.

    Gott sei Dank hat Frau Lüscher auf die zukünftige Gestaltung des Molkenmarktes keinen Einfluss mehr. Unter ihr wurde in Berlin viel Hässliches gebaut, ohne stadtökologisches oder groß- bis weltstädtisches Konzept. Ein innovativer und intelligenter Städtebau war ihr allzu weitgehend fremd.

  4. 8.

    Wenn man in der Nähe arbeitet und jeden Tag und das nun schon seit Jahren den Baustellen ausweichen muss beim Überqueren der grunerstr., dann bin ich jetzt ziemlich sprachlos über den Artikel. Man dachte, dass alles klar konzipiert sei und bald die Baustellen verschwinden und ein normale Autoverkehr ohne Stau und Lärm für die Anwohner baldig wieder möglich sei. Der Bauzaun an der Ausgrabung der gefundenen alten Straße wie lange bleibt das noch so, denn zu sehen sind dort keine Aktivitäten mehr.

  5. 7.

    Mir gefällt der Entwurf von Albers gut. Aber wie dem auch sei, es ist eine schwache Leistung keine Entscheidung zu treffen. Wie lange will man diese Großbaustelle im Herzen der Stadt erhalten?

  6. 6.

    Und wer soll die Grünflächen pflegen und in Ordnung halten?Schaut Mal am Bahnhofsvorplatz Betriebsbahnhof Rummelsburg vorbei.Bänke demoliert und vieles mit Graffitis verunstaltet.Am Anfang ziemlich schick,jetzt Ärgernis.

  7. 5.

    Auf jeden Fall mehr grün. Ausserdem sollte es endlich mal fertig werden. Wenn man da gegen 15.30 Uhr wieder im 200er Bus im Stau steht, sieht man oft keine Bausrbeiter mehr!

  8. 4.

    Wahnsinn was braucht man so lange Zeit um Wohnungen oder ein lebenswertes Viertel natürlich mit viel Grün zu planen und dazu die Antwort wir wollen qualitativ bauen, einfach nur noch zum Kopfschütteln. Alleine das Ergebnis und die lange Planungsphase für die Europacity am Hauptbahnhof. Schreckliches Ergebnis , was die letzte Senatbaudirektorin noch gefeiert hat, bevor sie endlich ging. Ich habe Gott sei Dank den Namen von der Dame vergessen, die Berlin mit verschandelt hat.

  9. 3.

    >"Anstatt alles noch weiter zuzukleistern sollten Grünflächen geschaffen werden."
    Von begrünten Hausfassaden oder Dächern ist in den Konzepten bisher nichts zu lesen. Wäre ja auch mal ein Thema, wenn schon verdichtet wird.

  10. 2.

    Mehr GRÜN !

  11. 1.

    Anstatt alles noch weiter zuzukleistern sollten Grünflächen geschaffen werden. Alles vollbetonieren und sich dann wegen der weiteren Erwärmung die Augen reiben.

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