Schwere Vorwürfe gegen jüdischen Theologen - Kommission sieht Vorwurf des Machtmissbrauchs am Institut für Jüdische Theologie bestätigt

Mi 26.10.22 | 19:03 Uhr | Von Lisa Steger
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Archivbild: Universität Potsdam - Am Neuen Palais - Abraham Geiger Kolleg am Institut für Jüdische Theologie, School of Jewish Theology. (Quelle: imago images/J. Ritter)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 26.10.2022 | Thomas Bittner | Bild: imago images/J. Ritter

Eine Untersuchungskommission der Universität Potsdam hat Walter Homolka, Professor am Institut für Jüdische Theologie, attestiert, seine Macht gegenüber Beschäftigten und Studierenden missbraucht zu haben. Doch seine Professur behält er. Von Lisa Steger

Vor einem guten halben Jahr wurden schwere Vorwürfe gegen einen Lehrbeauftragten im Rabbinerseminar in Potsdam, dem Abraham-Geiger-Kolleg, bekannt. Studenten beschuldigten den Mann, sie mit Sex-Fotos belästigt zu haben. Der Leiter des Kollegs, Rabbiner Walter Homolka, habe nichts gegen das Verhalten des Dozenten unternommen, so die Anschuldigung, die ein Professorenkollege vorbrachte.

Weil Homolka auch Professor am Institut für Jüdische Theologie an der Universität Potsdam ist, hat die Uni eine Untersuchung durchgeführt, in der es um den möglichen Missbrauch von Abhängigkeitsverhältnissen auch am Institut ging.

Innenansichten einer Fakultät

In dem am Mittwoch vorgestellten Bericht der fünfköpfigen Untersuchungskommission heißt es, Walter Homolka habe Mitarbeiter und Studierende regelmäßig eingeschüchtert. Mehrfach habe er Betroffene angebrüllt oder ihnen mit einem Rauswurf gedroht. Er habe sie immer wieder auch am Wochenende und abends eingespannt. Sie hätten unter anderem seine Steuererklärung vorbereiten müssen. "Hinzu kamen frauenfeindliche, ins Privatleben der Betroffenen übergreifende, anzügliche Kommentare und herabwürdigende Vorschläge", heißt es weiter.

Eine Vertragsverlängerung habe nur bekommen, wer das alles akzeptiert habe. Der Bericht bescheinigt Homolka, ein "Klima der Angst" geschaffen zu haben. Die "Furcht, Herrn Professor Homolka zu widersprechen oder sein Missfallen sonst wie zu erregen", sei so oft beschrieben worden, dass sie kein Problem einzelner sein könne, so der Bericht.

Die Kommission traf sich elf Mal und befragte 20 Personen: Beschäftigte, Studierende, Absolventinnen und Absolventen. "Es war eine besondere Herausforderung“, sagte die Vorsitzende der Kommission, die Gleichstellungsbeauftragte Christina Wolff. Das Thema war heikel, groß die Gefahr, antisemitische oder homophobe Vorurteile zu schüren. Im rbb-Interview sagte sie, es könne sein, dass einige Betroffene diese Bedenken geteilt und sich nicht früher gemeldet hätten, "weil sie Angst hatten, vielleicht, dass man da Wasser auf die Mühlen kippt, dass es ausgeschlachtet wird”.

Schweigegelübde abverlangt

Mit dem Abraham-Geiger-Kolleg, einer Einrichtung, in der liberale Rabbinerinnen und Rabbiner, Kantorinnen und Kantoren ausgebildet werden, befasst sich der jetzt vorgestellte Bericht nur am Rande. Denn das Kolleg ist eine gemeinnützige GmbH, ein so genanntes An-Institut, mit dem die Uni Potsdam zusammenarbeitet. Sie ist aber dem Kolleg gegenüber nicht weisungsbefugt.

Einige bemerkenswerte Details tauchen dennoch in dem Bericht auf. So hat das Kolleg im Februar des Jahres 2020 eine "Richtlinie für ein respektvolles und vertrauensvolles Miteinander" beschlossen. Darin heißt es: "Dinge und Themen, die aus Lehrveranstaltungen oder anderen Zusammenhängen zur Kenntnis gelangen, dürfen von keiner der Mitgliedergruppen nach außen getragen werden." Auch Walter Homolka hat das Papier seinerzeit unterschrieben.

Der Untersuchungskommission zufolge ist die Richtlinie "vollkommen unzulässig", wie sie in ihrem Bericht schreibt. Begründung: "Das Kolleg ist ein An-Institut der Universität Potsdam und kann sich nicht auf einen Sonderstatus berufen."

Schließlich reklamiere das Kolleg "alle Vorteile einer staatlichen Bildungseinrichtung für sich", es dürfe sich nicht abschotten. Es sei ein öffentlicher Ort, an dem akademisch gearbeitet werde, so der Bericht.

Duldung von Belästigungen wurde nicht bestätigt

Keine Anhaltspunkte sieht die Kommission für den im Frühjahr erhoben Vorwurf, Homolka habe weggeschaut, als ein Lehrbeauftragter des Abraham-Geiger-Kollegs Studenten mit Bildern sexuell belästigt habe.

Zwar hält der Bericht fest, dass dieser Mann in zwei Fällen "sexuelles Bildmaterial" über Facebook verschickt und anzüglich kommentiert-habe. Doch zum einen war der Dozent nur am Kolleg, nicht jedoch an der Uni tätig. Daher war die Kommission für ihn nicht zuständig, wie sie betont. Zudem gibt es keine Hinweise darauf, dass Homolka von dem Verhalten des Lehrbeauftragten wusste.

Homolka kehrt in den Lehrbetrieb zurück

Seine Ämter lässt Walter Homolka wegen der Vorwürfe derzeit ruhen.Professor am Institut für Jüdische Theologie bleibt er aber. Er sei bis Ende September beurlaubt gewesen, erklärte Oliver Günther, Präsident der Universität Potsdam. In diesem Winter wolle Homolka ein Forschungssemester einlegen, ab dem nächsten Sommersemester werde er wieder lehren.

"Machtmissbrauch ist keine juristische Kategorie", sagte Günther, "es gibt keine Hinweise auf straf- oder zivilrechtliche Relevanz”. Die Vorwürfe würden nicht für ein Disziplinarverfahren reichen. "Homolka ist weiterhin Beamter des Landes Brandenburg", so Günther. "Ein Professor sitzt fest im Sattel, wenn er nicht gerade silberne Löffel klaut. Da ist nichts zu machen."

Der Uni-Präsident fügte hinzu: "Beim Beamtenrecht sind die Hürden hoch, da darf man sich nicht von Illusionen leiten lassen."

Homolka habe im Institut viele gegen sich, jedoch: "Die Arbeit muss weitergehen. Auch in einem zerstrittenen Kollegium."

Eine der Ursachen für den Machtmissbrauch sei die Ämterhäufung bei Walter Homolka in Ausbildungseinrichtungen und Stiftungen, sagte Günther. An ihm komme man nicht vorbei. "Alles ist auf eine Person zugeschnitten. Das hätte auch dem Zentralrat der Juden und dem Land Brandenburg auffallen müssen, wenn man so viel Geld da hineinsteckt."

Sorge um Rabbinerausbildung in Potsdam

Was die Zukunft angeht, zeigte Oliver Günther sich sehr besorgt: Homolka, forderte er, müsse einige Ämter abgeben. "Die Alternative ist eine finanzielle Trockenlegung“, um anschließend etwas Neues aufzubauen, sagte Günther. Er zeigte sich überzeugt: Wenn das Abraham Geiger-Kolleg schließe, weil sich die Geldgeber zurückzögen, könne die Rabbiner-Ausbildung in Potsdam nicht mehr stattfinden. Das Institut für Jüdische Theologie sei auf die Zusammenarbeit mit dem Kolleg angewiesen.

"Und dann", so Günther resigniert, "ist die Jüdische Theologie hier dahin."

Professor und Rabbiner Walter Homolka war bei der Vorstellung des Berichts nicht anwesend. In einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" [zeit.de] sagte er, er sei “kein Vertuscher und kein Belästiger”. “Aber bei solchen schwerwiegenden Vorwürfen gilt, auch wenn sie durch eine Studie entkräftet werden: Es bleibt etwas hängen. Sie ohne Beweise öffentlich zu verbreiten, das war Rufmord.”Homolka sagte der “Zeit” weiter, Machtmissbrauch habe es nicht gegeben, nur “Machtgebrauch”. Seine Person, so Homolka, werde "skandalisiert”.

In einer Stellungnahme seines Anwalts erklärte Homolka gegenüber dem rbb, er habe über Karrieren nie allein entschieden, das seien stets Gremien gewesen. Zu Recht gehe die Prüfungskommission zudem davon aus, dass die Anhäufung von einflussreichen Ämtern als solche nicht schon als Machtmissbrauch zu bewerten sei. In dem Schreiben hieß es weiter, der Bericht habe zahlreiche individuell gegen Homolka gerichtete Vorwürfe nicht bestätigen können.

Mit den Vorwürfen, die das Abraham-Geiger-Kolleg betreffen, befasst sich derzeit eine Anwaltskanzlei. Sie will ihren Bericht gegen Ende des Jahres vorstellen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 26.10.2022, 10 Uhr

Beitrag von Lisa Steger

1 Kommentar

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  1. 1.

    Schlimm aber warum wundert mich das jetzt nicht?
    Solche in sich relativ geschlossenen Institutionen sind leider immer gefährdet. Die Menschen sind nicht von sich aus gut. Daran sind schon ganze Gesellschaften gescheitert. Egoismus ist ein evolutionärer Vorteil ... leider auch gesellschaftlich. Ohne Druck von außen und Kontrolle funktioniert es eben leider nicht.

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