Mit 95 Jahren - Früherer DDR-Regierungschef Hans Modrow gestorben

Sa 11.02.23 | 13:27 Uhr
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Hans Modrow, letzter Vorsitzende des DDR-Ministerrates, nimmt am 12.01.2020 am stillen Gedenken für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht teil. (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
Audio: Inforadio | 11.02.2023 | Beate Dietze | Bild: dpa/Jörg Carstensen

Der Politiker Hans Modrow ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Er war in den Jahren 1989/1990 Ministerpräsident der DDR und verhandelte nach dem Fall der Mauer die ersten Schritte hin zur Wiedervereinigung mit der Bundesregierung.

  • Hans Modrow ist in der Nacht zu Samstag im Alter von 95 Jahren gestorben
  • Er war in den Jahren 1989/1990 der letzte SED-Ministerpräsident der DDR
  • In der DDR galt er als treuer, aber auch kritischer Sozialist
  • Modrow gestaltete die Wiedervereinigung mit
  • Nach der Wiedervereinigung machte er Politik für die PDS und die Linke

Der frühere DDR-Ministerpräsident Hans Modrow ist tot. Er starb in der Nacht zum Samstag im Alter von 95 Jahren, wie die Linke im Bundestag mitteilte. Modrow war am 27. Januar 95 Jahre alt geworden.

Modrow war von November 1989 bis April 1990 der Vorsitzender des Ministerrats der DDR. In den fünf Monaten seiner Zeit als SED-Regierungschef verhandelte Modrow nach dem Fall der Mauer die ersten Annäherungsschritte mit der Bundesregierung. Nach der Wende machte Modrow Politik für die PDS und danach Die Linke.

Modrow galt in der DDR als überzeugter Sozialist - mit einem kleinen Stück kritischer Distanz zur SED. In den 1970er Jahren wurde Modrow deshalb aus der Machtzentrale Berlin weggeschickt und wurde 1. Bezirkssekretär in Dresden.

Nach dem Fall der Mauer qualifizierte ihn das für Führungsaufgaben in der sich erneuernden SED. Nur vier Tage danach, am 13. November 1989, wurde Modrow zum Vorsitzenden des Ministerrates der DDR als Nachfolger von Willi Stoph gewählt - für rund 150 Tage.

Wollte ein Stück DDR retten

Bei den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 verlor die SED-PDS dann die Macht und Modrow einen Monat später sein Amt. Ihm folgte als letzter Ministerpräsident der DDR bis zur Wiedervereinigung der CDU-Politiker Lothar de Maizière.

In seiner fünfmonatigen Amtszeit versuchte Modrow mit seinem Drei-Stufen-Plan noch, ein Stück DDR zu retten. Als Preis für die deutsche Einheit forderte er eine militärische Neutralität des neuen Staates. Im März 1990 gründete seine Regierung die Treuhandanstalt, die den Übergang von der Plan- in die Marktwirtschaft organisieren sollte. Mit dem sogenannten Modrow-Gesetz ermöglichte der DDR-Ministerpräsident zahlreichen Haus- und Hof-Besitzern, die Grundstücke, auf denen ihre Häuser standen und die oft nach dem Krieg enteignet worden waren, sehr preiswert zu kaufen.

Nach der Wiedervereinigung saß Modrow von 1990 bis 1994 für die PDS im Deutschen Bundestag und vertrat sie von 1999 bis 2004 im Europaparlament. Den neuen Staat sah der Sozialist durchaus kritisch. Zu schnell sei die deutsche Einheit vollzogen worden, zu bedingungslos sei die DDR untergegangen, und zu einseitig sei sie als "Unrechtsstaat" verdammt worden, rügte Modrow in vielen Interviews.

Als Mann der alten Garde trauerte er den einstigen kommunistischen Idealen der DDR hinterher. Bis ins hohe Alter beriet er die Linke als Vorsitzender deren Ältestenrats. Er machte dabei deutlich, dass er sich als früherer Ministerpräsident "weiter in Verantwortung auch den ehemaligen DDR-Bürgern gegenüber" sehe.

Linke: Friedlicher Übergang zur Einheit mit Modrows Verdienst

"Die Partei Die Linke verliert mit Hans Modrow einen klugen und streitbaren Mann", teilte Stefan Wollenberg, Landesgeschäftsführer der Brandenburger Linken, am Samstag mit. "Viele Menschen aus verschiedenen Generationen werden heute seiner gedenken. So vielfältig sind auch die Erinnerungen. Hans war ehrlich und integer, ohne dabei verbohrt zu sein. Sein Wort zählte. Ohne ihn, als vorletzten Ministerpräsidenten der DDR, wären die Prozesse hin zur Deutschen Einheit nicht so friedlich verlaufen." Auch später habe er sich immer wieder zu Wort gemeldet und sich bemüht, die Interessen der Ostdeutschen in den Mittelpunkt zurücken.

Die Linken-Politiker Dietmar Bartsch und Gregor Gysi sprachen am Samstag in Berlin vom Verlust einer "bedeutenden Persönlichkeit" für ihre Partei. Ohne Modrow wäre die Reform der SED zur PDS "sehr viel schwerer geworden". Er habe sich "große Verdienste bei der politischen und ökonomischen Sicherung für die Bevölkerung" erworben und sich stets für jenen Teil der früheren DDR-Bevölkerung eingesetzt, "der nicht gewollt war und dessen Interessen regelmäßig verletzt wurden".

Sendung: Inforadio, 11.02.2023, 11 Uhr

38 Kommentare

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  1. 38.

    R.I.P. Hans . Ein aufrechter Sozialist und Kämpfer für ein besseres Deutschland lebt nicht mehr. Ein Vorbild .

  2. 37.

    Modrow war einer der Hoffnungsträger in der DDR, der die Wende gerechter vollzogen hätte.
    Was wurde uns aber vorgesetzt? Ein lispelnder Cello-Spieler, der tief im Anus von Kohl steckte.
    Im Gedenken an Hans Modrow.

  3. 36.

    Ein Tip:
    Das ist der Teppich unter dem gerne gekehrt wird, ergo sich nicht auf dem Teppich stellen, sondern drunter kucken

  4. 35.

    Ich habe ihn oft in der Karl-marx Allee getroffen und habe ihn nur in guter Erinnerung, das was er sagte hatte Hand und Fuß. Ich empfand ihn als ein aufgeschlossenen und interessierten und lieben Menschen! Ruhe in Frieden!

  5. 34.

    Warum wurde eigentlich nur Modrow wegen wahlfälschung verurteilt und keiner der anderen 14 Bezirkschefs, die zu diesem Zeitpunkt in der Bundespolitik keine Rolle spielten?

  6. 33.

    Das Schulsystem war um Längen besser als heutzutage wenn man mal die politische Komponente rausnimmt.
    Ich kenne keinen aus meiner alten Klasse der heute von Hartz 4 oder Bürgergeld dem Staat auf der Tasche liegt was heute ja teilweise als „normal“ angesehen wird ..

    Desweiteren wurde den Kindern der Respekt gegenüber älteren oder schwächeren beigebracht was heutzutage sehr selten zu beobachten ist .

  7. 32.

    Beim ZDF übernimmt ausgerechnet die Tochter seines politischen Gegners den Nachruf. Eigenartige Form von journalistischer Neutralität.

  8. 31.

    Habe als Wessi im Urban Krhs.im Februar 2022 Herrn Modrow kennen gelernt.Wir lagen im 2 Bettzimmer und hatten sehr viel Zeit uns zu unterhalten. Er war so ein netter Gesprächspartner!!Haben lange Diskussionen geführt.Bei seiner Entlassung schenkte er mir ein Buch mit persönlicher Widmung.Werde Hans in guter Erinnerung halten.

  9. 29.

    Ja, aber bei diesem Beitrag wirft sich die generelle Frage auf, ist ein Regime - Opportunist grundsätzlich als ein integrer Mensch zu bezeichnen?
    Nach der Wende wimmelte es von Befüwortern des Westens, es waren auch die Opportunisten, zwar nicht laut, aber dafür zielstrebig auf die eigene Zukunft bedacht.

  10. 28.

    In seiner Amtszeit durften durch einen Erlass alle Genossen ihre Personalakten "reinigen", damit ihnen beim Start ins neue System keine Schwierigkeiten entstehen. Plötzlich war dann nur noch der Schäferhund in der SED, das gab's schon mal nach 1945, nur dass die Partei damals 5 Buchstaben hatte.

  11. 27.

    Er war 89' für die gewaltsamen Polizeieinsätze mit dran schuld. Ich weis nicht wie sich Leute ein Urteil erlauben können die nicht in der DDR gelebt oder noch gar nicht geboren waren.

  12. 26.

    Zitat: "Was viele nicht wissen werden Hans Modrow war 1966 als 1.Sekretär der SED Kreisleitung Berlin Köpenick mit an der Gründung des 1.FC Union Berlin beteiligt."

    Ja, er saß im ersten Vorstand des FCU und hat es zur Chefsache gemacht, persönlich mit den Spielern über "politische Dinge" zu reden, was damals obligatorisch war. Dies wollte er keinem szn. "dahergelaufenen Kader" überlassen, der nur das Parteiprogramm abgespult hätte.

    PS. Freunde von mir wohnten in den 2000er Jahren mit H.M. im gleichen Haus in der Karl-Marx-Allee und sind ihm öfters im Fahrstuhl begegnet. Und er soll immer sehr freundlich gewesen sein und auch Interesse an den jungen WG-Leuten gezeigt haben. ;)

  13. 24.

    Ich zitiere mal eine Aussage Hans Modrows zum Ukrainekrieg, die mich doch sehr enttäuscht hat, da ich ihn eigntl. für einen weitestgehend zwar streitbaren, was ja gut ist, aber doch recht integeren Menschen gehalten habe.

    „Die Frage, wie weit der Krieg in der Ukraine nun ein Einmarsch russischer Truppen ist oder sich als ein innerer Bürgerkrieg der Kräfte in den neuen Ost-Staaten und faschistischen Elementen im Westen der Ukraine darstellt, steht im Raum.“

    Das liest sich leider sehr nach verpasster Vergangenheitsbewältigung oder auch "Altersstarrsinn". Schade.

    Nichtsdestotrotz: ein aufrichtiges Ruhe in Frieden, Hans Modrow!

  14. 23.

    Wir weinen ihm keine Tränen hinterher.

  15. 22.

    Nein, das Schulsystem war in keiner Weise übernehmenswert. Und wenn ich versuche Ihren Beitrag zu lesen, fällt mir noch mehr dazu ein... Für mich ist nicht das Problem, dass sich viele über die DDR errregen. Das ist angesichts der historischen Tatsachen völlig normal. Das Problem ist vielmehr die Überzeugung, mit der so viele diesen nach den Vorgaben der Sowjetunion errichteten Staat verteidigen und rechtfertigen wollen. Hoffentlich handelt es sich dabei wenigstens mehrheitlich um sehr alte Menschen, die einfach nicht mehr umdenken können.

  16. 21.

    Ja, die Modrow-Gesetze waren gut, sie kamen nur zu spät.

  17. 20.

    Genau,lieber Apfelstädt,auch meine Meinung Wie viele sich heutzutage über die ehemalige DDR erregen,erregt mich doch sehr.Wenn ich nur an das Schulsystem denke,kann ich nur sagen,schade das es nicht übernommen wurde,Mal ganz abgesehen von dem politischen Auftrag die das System hatte.Abet wir müssten schon Ran,ohne Fleiß kein Preis sage ich nur.Das Gejammer heute,verstehe ich nicht

  18. 19.

    Also das ist eine unerfüllbare und idealisierte Forderung, gerade wenn eine Partei nicht neugegründet wird, sondern ihre historischen Wurzeln und Traditionen beibehält.
    Ich darf nur erinnern wieviele Nazis Mitglieder querbeet in Deutschen Parteien der Nachkriegsordnung waren und wieviele DDR-Täter im Zuge des Wandels in den anderen Parteien aufgegangen sind.

    Und bezüglich Parteiausschluss tun sich deutsche Gerichte auch sehr schwer, wie man an einigen, auch jüngsten, Fällen gut studieren kann.

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