Großer Bedarf an Pflegefamilien in Berlin und Brandenburg - "Die Kinder finden kein Zuhause"

So 05.03.23 | 14:57 Uhr
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Illustration: Eine Pflegemutter und -vater sitzen hinter einem Stofftier mit ihren beiden Pflegekindern im Wohnzimmer. (Foto: dpa)
Video: rbb24 Abendschau | 04.03.2023 | Andrea Everwien | Bild: dpa

Mehr Kinder, die ein Zuhause suchen, als Familien, die es bieten: Es gibt einen Mangel an Pflegeeltern in Berlin und Brandenburg, die Zahlen sind rückläufig. Die Gründe dafür sind jedoch unterschiedlich.

Die Anzahl der Familien, die bereit sind, Pflegekinder aufzunehmen, ist in Berlin und Brandenburg rückläufig. Gründe dafür sind unterbesetzte Jugendämter und mangelnde Unterstützung für die Pflegeeltern.

Sechs von zehn angefragten Berliner Bezirken bestätigen, dass immer weniger Familien bereit sind, Pflegekinder aufzunehmen. In Charlottenburg-Wilmersdorf waren es beispielsweise im Jahr 2013 noch 126 Familien, im vergangenen Jahr nur noch 92.

Auch in der Uckermark gibt es mehr Kinder, die ein Zuhause suchen, als Familien, die es bieten können. Ein Drittel aller brandenburgischen Landkreise und kreisfreien Städten hat das gleiche Problem.

Petra Schrödel arbeitet für den Arbeitskreis zur Förderung von Pflegekindern. (Foto: rbb)
Petra Schrödel | Bild: rbb

Unterschiedliche Gründe, die zu weniger Pflegefamilien geführt haben

Petra Schrödel arbeitet für den Arbeitskreis zur Förderung von Pflegekindern. In dem Verein engagieren sich über 600 Ehrenamtliche. Alle Mitarbeitenden sind selbst auch Pflegeeltern. "Ich finde es traurig für die Kinder, denn sie finden kein Zuhause. Es werden immer weniger Familien, die das tragen oder verantworten können", sagt Schrödel mit Blick auf die sinkenden Zahlen potenzieller Pflegefamilien.

Die Gründe für die rückläufigen Zahlen sind je nach Region unterschiedlich. In Berlin melden die Bezirke, die betroffen sind, dass die gestiegenen Energiekosten, die Auswirkungen des Ukraine-Krieges oder der Corona-Pandemie und der prekäre Wohnungsmarkt Familien davon abhielten, sich für ein Pflegekind zu entscheiden. In der Uckermark, heißt es, seien die langen Anfahrtswege zu Einrichtungen ein Hindernis, das verlange von Berufstätigen viel ab. Was mehrere Berliner Bezirke mitteilen: Es fehlt an finanzieller Unterstützung.

Pflegegeld in Berlin beispielsweise seit zehn Jahren nicht erhöht

Diese Erfahrung hat auch Petra Schrödel gemacht. "Ich habe selbst drei Jahre lang gar nicht gearbeitet, um nur für das Kind da zu sein. Bezahlt habe ich das vom Erbe meiner Eltern, sagt sie. Das Pflegegeld, das die Pflegeeltern erhalten, kommt vollumfänglich dem Kind zu und ist für Verpflegung, Bekleidung oder Schulsachen gedacht. Dieser Betrag wurde in Berlin seit mehr als zehn Jahren nicht mehr angehoben und er liegt weit unter offiziellen Empfehlungen oder der finanziellen Unterstützung anderer Bundesländer.

Peter Heinßen, Geschäftsführer des Vereins Familien für Kinder. (Foto: rbb)
Peter Heinßen | Bild: rbb

Es besteht Handlungsbedarf

"Von diesen Beträgen ist Berlin inzwischen so weit weg. Man kann sagen, ein Kind, das Bürgergeld bezieht, kriegt mehr", kritisiert Peter Heinßen, Geschäftsführer des Vereins Familien für Kinder. Er verweist auf eine Studie, die das Land Berlin vor zwei Jahren in Auftrag gegeben hat, um die Situation der Pflegefamilien und -kindern genau zu untersuchen und die Ergebnisse zeigen, dass ein großer Handlungsbedarf. Dabei geht es unter anderem um die Erhöhung der finanziellen Zuschüsse oder um eine Vereinfachung der Kommunikation mit den zuständigen Bezirken, so der Abschlussberich der Studie.

Auf die Umsetzung wartet Peter Heinßen aber bis heute. "Da fühlen sich doch alle verarscht. Alle haben die Hoffnungen drin gehabt, alle Bezirke und Träger. Es war ein Riesenkonsens.Und dann passiert nichts."

Sendung: rbb24 Abendschau, 04.03.2023, 19:30 Uhr

22 Kommentare

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  1. 22.

    Haben Sie sich als erfahrener Familienrichter einmal die Frage gestellt warum viele Pflegeeltern mit ihren Pflegekindern überfordert sind? Als erfahrene Pflegemutter und Sozialpädagogin kann ich Ihnen sagen, dass die meisten Kinder nicht ganz grundlos zu Pflegekindern werden und dann haben sie häufig eine Odyssee an Versuchen, die der Herkuftsfamilie an Chancen gereicht werden, bereits hinter sich. Lange Aufenthalte in Bereitschaftspflegefamilien, lange Prozesse zur Klärung des weiteren Verbleibes, gegebenenfalls Rückführung, Mutter - Kind Einrichtungen und eventuell der nächste Aufenthalt in einer Bereitschaftspflege, entsprechen neben bereits erlittener Trauma, Vernachlässigung, Bindungsstörung, FASD usw. eine nicht gerade einer günstigen bzw. förderlichen und einer an dem Wohl eines Kindes orientieren Umgebung. Diese Lebenssituationen bleiben für diese Kinder natürlich nicht ohne tiefgreifende und dramatische Folgen, die viel zu oft nicht aus ihrer Perspektive betrachtet werden.

  2. 21.

    Wir wollten ein Kind aufnehmen, die Anbahnung lief schon drei Monate und das Kinderzimmer war eingerichtet, dann hat der Träger einfach den Umzug zwei Tage vorher abgesagt, auf unbestimmte Zeit verschoben. Letztendlich ist es von Träger und Amtseite dann nicht dazugekommen, auf den Kosten für das Zimmer sind wir sitzen geblieben, die Elternzeit war schon beantragt, das Kind ins Herz geschlossen. Also an der Bereitschaft der Pflegeeltern liegt es definitiv nicht.

  3. 20.

    Bei der Altersbegrenzung für Pflegeeltern gibt es ein kleines Missverständnis: In der Regel sollen die Pflegeeltern (bzw. der jüngere Pflegeelternteil) nicht über 65 sein, wenn das Kind 18 ist. Das war hier im Forum mit 'Summe der Jahre' gemeint. Man kann also problemlos z.B. noch mit 49 ein 2-jähriges Pflegekind aufnehmen, oder mit 55 ein 8-jähriges.
    So wird das jedenfalls in Reinickendorf gehandhabt, wo wir Pflegeeltern sind.
    Ansonsten wären dies meine 5 ct zum Pflegeelternmangel:
    Pflegeeltern wird man nicht einfach, indem man sich als Freiwilliger dafür meldet. Man durchläuft einen 9-monatigen Überprüfungsprozess durch das Jugendamt oder einen beauftragten Träger. Das ist eine gute Sache, weil man dadurch darauf vorbereitet wird, was einen erwartet bzw. erwarten kann. Aber das ist viel Arbeit für's Amt, die sicher als erstes liegen bleibt, wenn das Jugendamt unterbesetzt ist. Genügend Pflegeeltern zu rekrutieren und zu überprüfen ist eine vorausschauende Maßnahme für die Ämter.

  4. 18.

    naja, ab 65 Jahre wird schon genau geschaut, ob das passt. Die Kinder sollen ja wenn möglich bis zur Volljährigkeit da leben können. Und z.B. als 75 Jahrige sich um einen 10 Jahrigen zu kümmern ist nicht so leicht, als wenn man 40 ist.
    Und ja Pflegefamilien bekommen zu wenig meist sind das insgesamt MONATLICH ca.860 € + zusatz für Brile etc. . Der Punkt ist Kinder die nicht bei Pflegefamilien ankommen , landen im Heim ein Heimplatz kostet je nachdem 200 bis 500 € TÄGLICH+ zusatzkosten . Das ist schon ein richtiger unterschied. Und ich denke das die Kinder in einer Plegefamilie meist besser untergrbracht sind, viele haben schon bis dahin einiges durchgemacht.

  5. 17.

    Als erfahrener Familienrichter kann ich sagen, dass die Anforderungen nicht zu hoch sind. Ganz im Gegenteil.

    Die Praxis zeigt, dass viele Pflegeeltern überfordert sind und die Kinder daher dauernd anders untergebracht werden müssen solche Fälle haben wir täglich auf dem Tisch.

    Dazu kommt. dass auch die leiblichen Eltern rechte haben und viele Pflegeeltern nicht oder nicht kindeswohlorientiert mit den leiblichen Eltern zusammenarbeiten

  6. 16.

    Die Anforderungen müssen so hoch sein.

    Natürlich gibt's genug Kitaplätze. Halt nur nicht immer gleich um die Ecke.

    Aber vielen Eltern sind einige Meter mehr ja schon zuviel

  7. 15.

    Burnout ist eine schicke Modediagnose. - nicht überprüfbar und herrlich zu simulieren.

    Durch die aktuelle Forderung von Verdi werden diese Mitarbeiter noch mehr arbeiten müssen. denn die Kommunen können Mehrkosten nicht ausgleichen



  8. 14.

    Ich war ebenfalls 4 Jahre lang überprüfte Pflegemutter ohne, dass ein Kind zu mir gekommen ist. Der Pflegekinderdienst meines Bezirks war chronisch unterbesetzt mit enorm hohem Krankenstand und überforderten Fachkräften, die sich mit Burnout abwechselten. Meinem Eindruck nach ging es - vielleicht aufgrund von Zeitmangel und Überlastung - nur darum, die Kinder möglichst schnell irgendwo unter zu bekommen. Es gab keine Raum, auf die Bedürfnisse, Fähigkeiten und auch Grenzen der Pflegeeltern Rücksicht zu nehmen. Ich kam mir vor wie eine Bittstellerin. Auch in meinem Fall wurde eine überbezirkliche Vermittlung abgelehnt. Ich hatte nicht das Gefühl, dass dringend Pflegeeltern gesucht werden, sondern eher, dass ich dankbar sein muss, wenn mir überhaupt ein Kind zur Vermittlung vorgeschlagen wird.

  9. 13.

    Ein Glück haben meine Feinde keine Kinder bekommen und die Privatiserte Jugendhilfe zahlt pro Kind 3700,--7000,-€uro und dazu kommen die Juristen-Gutachter-Polizei und Feuerwehreinsätze.Eine ganzePharma und Wohlfahrtsindustrie steckt hinter den 82 tausend 2017 Inobhutnahmen,mit Staatsgewallt gegen Eltern/Kindeswillen.Überwiegend Unterhalzsstreitigkeiten und jede 3Ehe wird geschieden Gewaltschutzklagen gegen Frauen und Kinder von RichterinnenFam.Gericht eingestellt.Siehe auch Presse Kindernothilfe oder Hasenburg-Misshandlungen an Pflegekinder,durch Pflegegroßstellen und damit verbundene Mutterphobie und hetze gegen Leibliche Eltern-ursprungsfamilie.Ich fordere ein gehalt angeglichen Erzieher mit Rentenanspruch,für Mütter-Eltern,damit wäre viel aufgefangen von der geschaffenen Armut in unserem Land.ein Grund warum ich CDU gewählt habe-Wohlfahrtsmafia und Industrie.Zum Schluss schmeißen Sie Jugendhilfe Kinder-Drogenabhängig auf die Straße,Psychatrien/Wohnheime/Gefägnisse -Überfüllt.

  10. 12.

    Ein Grund dürfte auch sein, dass die meisten Menschen lieber eigene Kinder wollen.

  11. 11.

    Und das machen nur Kinder in Pflegefamilien, das war mir ganz neu.

  12. 10.

    Es gibt viele Alleinstehende, die gut verdienen und sich vorstellen könnten, sich liebevoll um ein Pflegekind zu kümmern. Sie dürfen es aber allein nicht. Nur Partner. Das wäre zu überdenken.

  13. 9.

    Die Anforderungen an Pflegefamilien sind zu hoch. Und wenn man sich aufgrund fehlender Kitaplätze zwischen Kind und Job entscheiden muss, ist es nur allzu gut nachvollziehbar, dass man sich zuerst für sich selbst entscheidet.

  14. 8.

    Das "Pflegekinder-System" müsste vollständig verändert werden. Diese Aufgabe ist immer noch ein Ehrenamt, das man für eine Aufwandsentschädigung ausübt.... das ist natürlich für den Staat eine billige Lösung. Aber genau hier liegt das Problem. Diese Kinder zu betreuen und zu begleiten ist eine hoch verantwortungsvolle Aufgabe, die möglichst von Fachkräften bestritten werden sollte, die für ihre Leistung dann entsprechen auch entlohnt werden müssen. Es ist ein 24/7 Job!!!

  15. 7.

    Als Paar durchschnittlich 33 ist man zu alt für ein Pflegekind? Ich glaube mit Mitte 30 würden sich das heutzutage mehr Leute zutrauen als mit Mitte 20. Okay die Ämter haben echt Luxusprobleme.

  16. 6.

    Es muss endlich Elterngeld für Pflegeeltern gezahlt werden. Das Jugendamt verlangt, dass Elternzeit genommen wird, aber ohne Anspruch auf Elterngeld. Das Pflegegeld kann die finanzielle Lücke, die dadurch entsteht nicht ausfüllen.
    Viele Menschen können sich daher ein Pflegekind schlicht und ergreifend gar nicht leisten.
    Eine fachliche Unterstützung durch das Jugendamt kann auch nicht geleistet werden, da eine Fachkraft sich um unzählige Familien kümmern muss.
    Auch die gestiegenen Mietpreise sind ein Grund, warum sich viele Familien kein Pflegekind leisten können. Das Kind braucht ein eigenes Zimmer, d.h. ein Umzug in eine größere Wohnung wäre nötig, ist aber unbezahlbar.
    Ich denke, die Bereitschaft ein Pflegekind aufzunehmen ist nicht gesunken, aber die Rahmenbedingungen sind so schlecht, dass es einfach häufig nicht möglich ist.

  17. 5.

    Die Hürden/Wunschträume der Behörden sind auch einfach übertrieben. Wir bewerben uns daher gar nicht erst. Viele reguläre Eltern bieten nicht halb soviel familiäre Geborgenheit und Unterstützung.

  18. 4.

    Wir hatten uns um ein Pflegekind bemüht. Es hat alles gepasst. Waren aber in der Summe der Altersjahre über 65. O- Ton Amt Eberswalde. Und somit fielen wir raus . Ist schon fast 20 Jahre her, aber stimmt mich sehr nachdenklich. Wir hätten gerne einem, zwei, drei Kleinen ein gutes Zuhause geboten. Die Bürokratie war nicht dafür.

  19. 3.

    Es liegt aber auch daran das die Bezirke nicht zusammenarbeiten!! Es ist nicht so das die Kinder Berlin weit in Pflegestellen vermittelt werden, sondern "nur" Bezirksweise. Wenige arbeiten zusammen u. es geht darum wer welches Geld im Bezirk bekommt! Wir haben Jahrelang auf ein Pflegekind gewartet, es gab bedürftige Kinder, aber nicht bei uns im Bezirk! Das wird nie thematisiert! Ich bin anerkannte Pflegemutter, nach 8 Jahren haben wir aufgegeben! Von wegen keine Pflegefamilien!

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