"Shared Landscapes" - Wenn der Wald zum Theater wird

Fr 18.08.23 | 15:01 Uhr | Von Sabine Loeprick
Rimini Protokoll und Théâtre Vidy-Lausanne, Shared Landscapes. (Quelle: © Christophe Raynaud de Lage/Festival d'Avignon)
Audio: rbb24 Inforadio | 18.08.2023 | Sabine Loeprick | Bild: Christophe Raynaud de Lage//Festival d'Avignon

Das Verhältnis zwischen Mensch und Natur ist Thema des außergewöhnlichen Theater- und Kunstprojekts "Shared Landscapes". Die Zuschauer bewegen sich dabei durch einen Brandenburger Wald. Ungedingt nötig: Mückenspray. Von Sabine Loeprick

Licht fällt durch die Bäume im Hangelsberger Forst nicht weit von Grünheide im Landkreis Oder-Spree. Vögel zwitschern, es raschelt im Unterholz. Nur einige Hundert Meter vom historischen Bahnhof Hangelsberg und eine halbe Bahnstunde von Berlin entfernt, hat man schnell das Gefühl, mitten in der Natur angekommen zu sein. Das perfekte Setting für das Theater- und Kunstprojekt "Shared Landscapes" der Berliner Festspiele, bei dem die Zuschauer in kleine Gruppen eingeteilt auf einem festgelegten Parcours durch den Wald laufen.

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An verschiedenen Orten erleben sie Theater, Tanz und Performances, können Texte lesen oder Filme sehen. Dabei geht es stets - mit unterschiedlichen Akzenten - um das Verhältnis zwischen Mensch und Natur, um Umweltzerstörung ebenso wie um romantisierende Konzepte der "wilden Natur". Dann wiederum aber auch um Gebiete, die sich die Natur zurückerobert hat oder um Landwirtschaft, die sich zwischen Klimawandel, Landgrabbing und hohen Energiepreisen vielen Herausforderungen ausgesetzt sieht.

Publikum soll Teil der Inszenierung sein

Doch zurück zum Einstieg in "Shared Landscapes". Nachdem die Zuschauer ein paar Hundert Meter gelaufen sind, werden sie von Helfern mit Kopfhörern und Decken ausgestattet. Sie sollen es sich nun erst mal – am besten liegend - gemütlich machen, den Blick Richtung Baumkronen richten und der Collage des schweizerisch-deutschen Regisseurs Stefan Kaegi lauschen, die man nun über das Headset hört.

Ein Gespräch beginnt, zwischen einem Förster, einer Meteorologin und einem Kind, untersetzt von Vogelzwitschern, Insektensurren und dem Rauschen der Bäume. Geräusche, die sich mit dem, was tatsächlich um die Zuschauer zu hören ist, zu einem Klangteppich verweben. Die Protagonisten sprechen darüber, wie sie Natur empfinden, was sie fühlen, wenn sie im Wald sind. Und natürlich beginnt man sich das auch selbst zu fragen: Ist der Mensch hier im Wald tatsächlich Teil der Natur oder doch Fremdkörper?

Stefan Kaegi, der für seine Arbeiten als Teil des Kollektivs Rimini Protokoll bekannt ist, hat das Konzept für "Shared Landscapes" zusammen mit der französischen Theatermacherin Caroline Barneaud entwickelt. Normalerweise gebe es ja Theaterproduktionen, bei denen Elemente aus der Natur auf die Bühne, in die "Blackbox" des Theaters gebracht würden, sagt Caroline Barneaud. Das wollten sie umkehren, wie sie sagt: Elemente des Theaters in die Natur bringen, sie selbst zum Akteur und das Publikum Teil der Inszenierung werden lassen.

Sieben Künstlergruppen sind dabei

Sieben Künstlergruppen sind an dem aufwendigen Projekt beteiligt, das bereits bei Zuschauern in der Schweiz und beim renommierten Festival von Avignon für Begeisterung gesorgt hat. Schon allein wegen der vielen Perspektivenwechsel - das Künstler-Duo Begüm Erciyas und Daniel Kötter stattet die Gäste zum Beispiel mit einer VR-Brille aus. Durch sie scheint man in 100 Metern Höhe über den Hangelsberger Forst zu fliegen - mit seinen bewirtschafteten und sich selbst überlassenen Flächen.

Weiter führt der Kunst-Parcours auf eine kleine Lichtung, auf Hockern sollen die Gäste hier Platz nehmen. Im Hintergrund steht ein orangefarbener Bagger und über ein Headset kann man das Gespräch zwischen den drei Akteuren verfolgen. Dabei spricht ein Mann in Karohemd über den Anbau und Verkauf von "Edel-Heu", vor allem für Rennpferde. Darauf habe er sich mit seinem landwirtschaftlichen Betrieb spezialisiert, schließlich müsse er angesichts von Landgrabbing durch Investoren versuchen, die ihm gebliebenen Flächen möglichst gut und umweltschonend zu nutzen.

Mitunter ist unklar, was Wirklichkeit ist

Hört sich kurios an, entspricht aber der Wahrheit. Der Mann im Karohemd ist kein Schauspieler, sondern ein Landwirt aus der Region, der eigens für das dokumentarische Theaterstück von Emilie Rousset gecastet wurde. Welches das Verhältnis von Mensch und Natur mit Augenzwinkern thematisiert und das Publikum für einen Moment gern im Ungewissen darüber lässt, was erfunden und was Wirklichkeit ist.

Sendung: rbb24, 18.08.2023, 16:55 Uhr

Beitrag von Sabine Loeprick

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