Berliner Verwaltung - Einführung der E-Akte führt offenbar zu Datenverlust

Mo 04.09.23 | 16:23 Uhr
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Symbolbild: Eine Mitarbeiterin sitzt an ihrem Schreibtisch im Bezirksamt (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Audio: rbb24 Inforadio | 04.09.2023 | Sebastian Schöbel | Bild: dpa/Britta Pedersen

Bei der Einführung der elektronischen Akte in der Berliner Verwaltung gibt es offenbar neue Probleme: In der Verkehrsverwaltung sollen Hunderte Daten nicht mehr auffindbar sein. Die zuständige Staatssekretärin sieht den Hersteller in der Verantwortung.

  • Mehrere Berliner Behörden berichten über Verlust von Datensätzen
  • Auslöser offenbar Fehler bei Umstellung auf elektronische Akte
  • Wegen früherer Probleme hat Software-Anbieter bereits Workshops für Behördenmitarbeiter angeboten

Bei der Einführung der elektronischen Akte in der Berliner Verwaltung gibt es erneut Probleme. Offenbar wurden im Zuge der Einführung Daten gelöscht, wie die Berliner Chief Digital Officer Martina Klement am Montag im Abgeordnetenhaus berichtete. Klement ist als Staatssekretärin für Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung verantwortlich.

Laut Klement schlug die Verkehrsverwaltung in der vergangenen Woche als erste Alarm: Datensätze seien nicht mehr auffindbar. Nachprüfungen hätten dann gezeigt, dass insgesamt vier Verwaltungen betroffen waren: neben der Verkehrsverwaltung auch die Innenverwaltung, die Senatskanzlei und das Bezirksamt Mitte. 800 bis 900 Daten seien verschwunden. Die Aufklärung des Falls laufe, so Klement. Um welche Daten es sich handelt, blieb zunächst unklar. Die Datenschutzbeauftragte sei bereits informiert, sagte Klement. Einen Datendiebstahl durch Hacker schloss sie aus.

Bezirke wollen E-Akte Anfang 2025 einführen

Man sei in Kontakt mit der verantwortlichen Firma, die in Berlin die E-Akte einführen soll, sagte Klement. "Das ist nicht gerade ein vertrauensbildender Vorfall", kommentierte sie. Sie halte aber zunächst weiter an dem Projekt fest. "Mein Ziel ist es nach wie vor, dieses Produkt zu retten." Es soll zeitnah geklärt werden, ob die Firma den Auftrag noch erfüllen kann.

Der Vorfall reiht sich ein in eine lange Liste von Pannen bei der Einführung der E-Akte. Zuletzt hatten auch mehrere Bezirke über massive Probleme mit der elektronischen Akte berichtet. In Teilen wurde das Projekt bereits als gescheitert bezeichnet. Wie Klement erklärte, hatte der Anbieter zuletzt Workshops angeboten, bei denen die Programmierer der Software für die E-Akte mit den Anwendern aus den Verwaltungen zusammengekommen sind, um die zahlreichen Probleme - etwa mit der Benutzbarkeit und Barrierefreiheit - zu klären.

Laut Koalitionsvertrag soll die E-Akte spätestens bis zur nächsten Wahl in der Berliner Verwaltung eingeführt sein. In den Bezirken wird für den Start bereits Anfang 2025 angepeilt.

Sendung: rbb24 Abendschau, 04.09.2023, 19.30 Uhr

69 Kommentare

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  1. 69.

    Keine Vergabestelle gibt bei solchen Vergaben nur den Preis als Kriterium an. Wer sowas glaubt lebt im letzten Jahrhundert. Der Preis muss allerdings mitgewertet werden. Es zählt das beste Preis-Leistungsverhältnis. Ich frage mich echt, wie lange sich die Mär von: nur der Preis zählt wohl noch hält… auf jeden Fall hartnäckig.

  2. 68.

    „Ausschreibung- augenscheinlich billigster Anbieter“ der hinterher Unmengen kostenpflichtige „Worksshops“ verkauft und damit preislich alles überholt was je versprochen war.
    Wenn man sieht wie Behörden nach Umstellungen immer langsamer werden als mit Papierakten, dann ist das eher Rückschritt statt Zukunft. Software nimmt selten Nutzer wirklich mit.

  3. 67.

    Tja...das kommt davon, wenn man bei öffentlichen Ausschreibungen nur den Preis als Zuschlagskriterium angibt.
    Wenn man in Behörden dann noch von agiler Softwareentwicklung keine Ahnung hat ... mich wundert das nicht mehr.

  4. 66.

    Ein Brand oder ein Wasserschaden kann ihr Papier leichter zerstören als digitale Daten. Mal eben alles in Kopie auf einen anderen Kontinent zu haben hat auch Vorteile. Aber die eigentlichen Vorteile sind natürlich in der Zeitersparnis nicht darin dass es jetzt elektronisch ist.

  5. 65.

    Arbeite bei der DRV Bund (Bundesbehörde): In der Theorie ist die e-Akte toll. In der Praxis und nach jedem Update wird sie immer schlechter. Halbes Jahr Bearbeitungszeit? Leider normal.

  6. 64.

    Nope, nur ein Hightech-Fan (u. a. weil er die darin liegenden Vorteile sieht).
    Und Ihnen ist schon klar, dass wir gerade per Internet kommunizieren?
    Wäre es besser, das in Papierform zu tun?
    Mir ist auch nicht ganz klar, inwiefern der Bankrott kleinerer Anbieter (bei den großen ist es unwahrscheinlicher) großartige Schäden verursachen sollte.

    @ Thomas:
    Das Thema Backups wurde bereits angesprochen. Es gibt nirgends hundertprozentige Sicherheit. Doch man kann viel tun, um dieselbe zu erhöhen. Eine Sache, die ich mache:
    Backups in die Cloud tun. Und ich ziehe sogar in Betracht, das nicht nur in einem gekauften Cloudspeicher zu tun, sondern zusätzlich anderswo Speicherplatz zu mieten (bei einem anderen Anbieter und eventuell mit Servern in einem anderen Land).

  7. 63.

    Und wieder einmal verwechselt da jemand mit Zuständigkeit/Verantwortung Datenschutz und Datensicherheit……
    Wundert mich inzwischen nicht mehr!
    Und klar: wir wissen zwar nicht welche Daten „weg“ sind und warum, auf jeden Fall ist aber ein „Hersteller“ dran Schuld.

  8. 62.

    Das Thema wird bei Beibehaltung des offenbar unfähigen Anbieters diese Stadt Jahrzehnte begleiten. Natürlich gibt es bei den Teilnehmenden Verwaltungen Workshops. Auch das Löschen und versehentliche Löschen von Daten wird dort behandelt und es werden die "Sicherheitsnetze" der Software vorgestellt. Jedoch völlig unabhängig müssen Daten innerhalb der für diese vorgesehenen Löschfristen immer aus Backups wiederherstellbar sein. Offensichtlich hat hier die Software oder die Administration versagt. Insgesamt besteht die E-Akte Berlin aus einem bunten Strauss aus Nachbesserungen und fehlerhafter Programmierung. Gerne wird vom Anbieter auf fehlende oder falsch Kommunizierte Anforderungen verwiesen - Thema Pflichtenheft. In der Privatwirtschaft wäre hier schon längst der Vertrag gekündigt worden. Meine Empfehlung, die Prüfung der Fortsetzung an dieser Stelle beenden und neu Ausschreiben. Diesmal bitte ein Pflichtenheft von Fachleuten(nicht Experten) erstellen lassen.

  9. 61.

    Dank der tollen föderalen Struktur Deutschlands ist jede kleine Gemeinde so verschieden von den Anforderungen an die Software dass große Teile komplett neu entwickelt werden. Es wird ja immer die Software an die Prozesse angepasst statt sinnvoller umgekehrt.

  10. 60.

    Hatten mal 33Std Stromausfall. Da merkt man die Abhängigkeit. Aber wenn am Ende 33 Jahre Geschäftsdaten, Rechnungen, Bestellungen weg sind - dann ist die Firma Pleite und 17 Leute arbeitslos. Unser Anbieter ging pleite. Also ist das Wort „Digitalisierung“ ein Unwort bei uns. Aber täglich rufen 15 verschiedene Firmen an und wollen uns das mit großen Versprechungen andrehen. Selbst 1 Palette Papier ist billiger als 8h IT-Betreuung

  11. 59.

    Oh, ein Anbieter? Wir machen auch IT. Allerdings nie Cloud, nie DMS mit „nicht rückabwickelbar“. Irgendwann wird die Software-Anbieter-Blase auch platzen und tausende „Möchtegern-Anbieter“ wieder in der Versenkung verschwinden zum Schaden der Nutzer. Die Preise sind schwindelerregend für den Nutzer. Andere Dienstleister kosten auch Geld - aber nie so ausverschämt wie bei IT. Und ja - man lebte ruhiger und sicherer mit Papier, evtl auch nachhaltiger wenn man alles betrachtet.

  12. 58.

    Man könnte immer wieder denken, Berlin sei die erste Stadt auf der ganzen Erde, die eine elektronische Verwaltung einführt.
    Offenbar ist so etwas noch nie auf der Welt gemacht worden, so dass man wissen könnte, wie es geht...

  13. 57.

    Ja.
    Könnte es sein, dass die (mehr oder weniger) Verantwortlichen eine Abneigung gegen Kapitalisten haben und der Meinung sind, alles müsse allen kostenlos zur Verfügung gestellt werden?
    Erledigen derlei Umstellungen Privatfirmen (deren Mitarbeiter bei zu langsamer oder schlampiger Arbeit womöglich von Arbeitsplatzverlust bedroht wären) oder Beamte?
    Und was für Antimalware-Programme arbeiten noch mit so alten Betriebssystemen?

  14. 56.

    Da ich mich oft um ältere Freunde kümmere, ist meine Erfahrung des Prozederes jedoch komplett anders, als von Ihnen gedacht. Nach jeweiliger Lage, beispielsweise nach einem Krankenhausaufenthalt, wird das Rezept nach persönlicher Absprache jeweils neu erstellt und durch das Vis á vis -Gespräch ist eine Verwechslung kaum möglich.
    Werden nur digital Informationen verschickt, ist viel weniger sichergestellt, dass die Zuordnung zu Patienten tatsächlich klappt, zumal wenn es zu Medikationsänderungen kommt. Ein kranker und älter werdender Mensch ist eben kein festgelegter Faktor, sondern ein ein Vorgang, der ständigen Veränderungen unterworfen ist.
    Zudem aber können die Senioren dann ja alles in ihrem Account überprüfen. Ohne Computer? Ohne Internetkenntnisse oder -zugang ist das eine ganz hervorragende Idee!
    Aber man ja eine Hauskrankenpflege einbestellen, die sich dann darum kümmert, kostet dann zusätzlich, aber egal. Nun Digitalprozesssparmassnahmen gemäss Lindner: Das wird schlimm!

  15. 55.

    Naja, Windows 7 wurde erst (vor kurzem) in den Behörden geupdatet auf Windows 10 (1809). Ach ja, wir haben ja jetzt 2023. Noch irgendwelche Fragen?

  16. 54.

    Stimmt Papier ist ja bekanntlich für unbefugte Dritte unsichtbar, fälschungssicher, kann weder beschädigt werde noch verloren gehen, verbraucht keinen Platz und wenn man es doch mal anderen zeigen will, fotokopiert man es einfach (was ja bekanntlich nicht die Umwelt belastet) und verschickt es falls erforderlich per Post (dito).
    Ist derjenige, der auch mal einen Blick in eine Akte werfen will, in einem anderen Stockwerk oder einfach nur einer anderen Abteilung, so bringt man ihm die Akte einfach (was freilich bedeutet, dass man sie dann nicht mehr selbst verwenden kann), denn Spaziergänge sind gesund. Auch für Gehbehinderte.
    Aber psssst...! Immer aufpassen! Denn der Große Bruder sieht Dich! Auch wenn Du gar nichts hast, das ihn interessiert!

  17. 53.

    Sie sehen das zu einseitig.
    Ja, es gibt Probleme, die vorher nicht da waren.
    Doch mithilfe der Digitalisierung werden auch viele Probleme gelöst.
    Auch der Umgang mit Papierakten muss erst erlernt werden, ist langsam und unflexibel.
    Ohne Strom würden viele Leute gar nicht zur Arbeit kommen, säßen dort (je nach Tageszeit und Wetterlage) im Dunkeln, würden frieren oder schwitzen und könnten eventuell weder die Toiletten benutzen noch Notrufnummern verwenden (und man denke auch mal an Rollstuhlfahrer die dann ein großes Problem damit hätten, andere Stockwerke zu erreichen).
    Und ja: Systeme wollen gepflegt werden. Verflixte Systemabhängigkeit aber auch!
    Na was für ein Glück, dass es bei Gebäuden, Fahrzeugen, Kleidung, dem Haushalt und dem menschlichen Körper nicht so ist, hm?

  18. 52.

    Da fällt mir doch ein, dass Berlin auch schon für die Schulen ein neues zentrales System haben wollte. Gekauft , weil es in Hessen funktionierte, in der Hoffnung, es müsse nur ein wenig angepasst werden. Mehrere Jahre und Millionen Euro später wurden die Testläufe als untauglich abgebrochen. Und jetzt dasselbe in grün?
    Das würde/dürfte in keinem Wirtschaftsbetrieb so laufen. Da muss doch an zentraler Stelle etwas falsch laufen, unabhängig von Regierungskoalitionen ...???

  19. 51.

    Bei der Digitalisierung unterwirft man sich dem Anbieter und seinem Produkt das nur max 80% dem Kunden angepasst wird. Begrifflichkeit und Abläufe werden verfälscht die seit Jahrzehnten gängig waren. Es gibt kein Produkt das 100% passt weil auch Software Massenware ist. Aber was das alles kostet ist unüberschaubar auf Jahre und man ist abhängig auf ewig. Nicht mit uns. Dazu wird man noch angreifbarer von außen und Sklave der Softwareanbieter

  20. 50.

    Höchst sonderbar, dass "Daten" einfach weg sein sollen. Immerhin gibt es selbst in kleinen Klitschen Backups.
    Für relevante Daten in öffentlicher Verwaltung wird sicherlich an irgendeiner Stelle das Word "IT-Grundschutz" vorbeigekommen sein. Jeder Admin wird dieses Wort schon mal gehört haben.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei einem so zentralen Projet einfach "Daten verschwinden". Dass ein Anwender mal was versehentlich löscht, kommt alle Tage vor. Das holt der Admin dann aus dem Backup zurück. Üblicherweise hat man mehrere Versionen des Backups liegen. Man achtet beim Umstieg auf neue Backupsysteme auf Abwärtskompatibilität. Man prüft bzw. beobachtet, ob die Backups ordnungsgemäß gelaufen sind. Vor Einführung wird geprüft, ob das Backup alles enthält und ob man die Daten daraus wiederherstellen kann.
    In Summe: Hier stinkt was ganz gewaltig. Man tut jetzt so, als ob der Gärtner allein die eAkte gestrickt hätte.

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