Ostprignitz-Ruppin - Erste Brandenburger Reisernte eingefahren

Do 19.10.23 | 06:19 Uhr | Von Michel Nowak
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Landwirt Robert Jäkel bei der Reisernte in Brandenburg. (Quelle: rbb)
Video: rbb|24 | 17.10.2023 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell | Bild: rbb

Reisanbau in Brandenburg? Klingt exotisch, ist aber Realität. In Linum (Ostprignitz-Ruppin) hat ein Bio-Betrieb erstmals erfolgreich Reis geerntet. Ganz problemlos verlief die Premiere von Landwirt Robert Jäkel allerdings nicht. Von Michel Nowak

Robert Jäkel lässt durch seine Handflächen einige Getreidekörner rinnen. Optisch erinnern sie in ungeschältem Zustand an Weizen. Tatsächlich handelt es sich um eine Neuheit: in Deutschland angebauter Reis, erstmals in größerem Stil hier geerntet. Mit dem Ergebnis ist Landwirt Jäkel mehr als zufrieden, wie er sagt. "Es ist wirklich atemberaubend, dass der Versuch gelungen ist. Das hat alles riesengroße Freude gemacht."

Es war in erster Linie ein Experiment, als die Beschäftigten der Natur Konkret GmbH Mitte Mai rund 85.000 kleine Reispflanzen ins zehn Zentimeter tiefe Wasser eines ehemaligen Fischteichs setzten. Davon haben sie hier in Linum (Ostprignitz-Ruppin) genug. "Sogar mehr als wir für die aktuelle Karpfenproduktion brauchen", sagt der Betriebsleiter.

Mähdrescher der Versuchsstation Berge. (Quelle: rbb)
Mini-Mähdrescher der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Berge. Die dort beschäftigten Wissenschaftler interessieren sich für das Experiment Reisanbau in Brandenburg. | Bild: rbb

Reis bleibt Wildenten und Gänsen nicht verborgen

Neben Fisch- und Wasserbüffelzucht sind Gäste-Unterkünfte und ein Hofladen bisherige Geschäftszweige des Bio-Betriebs. Warum in Zeiten des Klimawandels nicht mal etwas Neues wagen, fragte sich Firmengründer Guido Leutenegger – und setzt jetzt auf naturnahen Reisanbau vor den Toren Berlins. Auf einer Fläche von knapp einem Hektar konnten inzwischen rund 5.000 Kilogramm Reis der Sorte "Lotus" geerntet werden. Mitte Oktober sei dafür die richtige Zeit, sagt Robert Jäkel, nachdem er auf ein dabei knackendes Reiskorn gebissen hat. "Wenn dieses Geräusch zu hören ist, dann weiß ich, dass Stärke einlagert und der Reis reif ist."

Ganz komplikationsfrei verlief der Anbau nicht. Wildenten und Gänse hatten sich an einigen der Reisähren zwischenzeitlich sattgefressen. Der eher wolkenverhangene, regnerische August ließ die wärmeliebenden Pflanzen nur langsam wachsen. "Dafür war das nasse Feld lange Zeit auch ein Lebensraum für die Kaulquappen der seltenen Rotbauchunken", so Robert Jäkel. "Das war ein schöner Begleiteffekt."

Geernteter Brandenburger Reis. (Quelle: rbb)
Ähnelt optisch anderen Getreidesorten: Reis der Sorte "Lotus" vor dem Dreschen. | Bild: rbb

Die vielen Sonnenstunden im September ließen den ersten Brandenburger Reis dann aber doch ausreichend reifen. Das Wasser ist nun vom Feld abgelassen, die etwa einen Meter langen Pflanzen sind abgeschnitten. Pünktlich zur Ernte kommen auch Wissenschaftler vorbei. Sie interessieren sich vor allem dafür, wie der Reis in Zeiten des Klimawandels hier gedeiht.

Die Landwirtschaftliche Versuchsstation Berge im Havelland stellt sogar einen speziellen, kleinen Mähdrescher für die Ernte zur Verfügung. Nach verheißungsvollem Start streikt der aber. Zu lang sind die vom Feld geholten Halme, zu nass der Reis. "Normalerweise dreschen wir nur die Getreide-Rispen", sagt Andreas Muskolus, stellvertretender Geschäftsführer der Versuchsstation. "Aktuell müssen wir aber auch die grünen Halme durch die Maschine bringen und das verursacht noch Probleme." Nun werde zunächst am Mähdrescher geschraubt, dann könne es weitergehen.

Insgesamt sei der Reisanbau in Deutschland vor dem Hintergrund des Klimawandels ein extrem spannendes Projekt, sagt der Wissenschaftler. Dabei gebe es durchaus noch Schwierigkeiten: "Eine weitere Herausforderung ist momentan beispielsweise, dass der Reis hier in Linum extrem unterschiedlich abreift." Einige Körner seien noch komplett grün, andere bereits druschreif. "Das ist eine Sache, die wir uns anschauen werden. Wir überlegen dann, wie wir das optimieren können", so Andreas Muskolus.

2024 soll sich die Anbaufläche vervierfachen

Solche Kinderkrankheiten sind von der Natur Konkret GmbH jedoch offenbar durchaus einkalkuliert. Schon Mitte November könnte es im betriebseigenen Hofladen den ersten selbstangebauten Reis geben. "Die Sorte 'Lotus' soll sich besonders für Risotto eignen", sagt Robert Jäkel. Auch Restaurants im Umkreis könnten bald mit regional produziertem Reis beliefert werden. Eine entsprechende Nachfrage gebe es bereits.

Weil sich das Brandenburger Klima in der Premieren-Saison grundsätzlich als geeignet für den Reisanbau erwiesen hat, soll es in Linum auf jeden Fall weitergehen. "2024 starten wir wieder auf der gleichen Fläche durch", so der Betriebsleiter. "Zusätzlich kommen noch drei weitere Hektar hinzu."

Ein Modell fürs gesamte Land dürfte Reisanbau im dafür zu trockenen Brandenburg zwar nicht werden. Dies beschränkt sich eher auf wasserreiche Regionen, braucht der Reis doch beständig "nasse Füße". Im Storchendorf Linum ist die Infrastruktur dafür ganz offensichtlich vorhanden. Und weil sich die Anbaufläche künftig vervierfacht, will Robert Jäkel bald sogar mit einer eigens angeschafften Erntemaschine über Brandenburgs neue Reisfelder rollen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 17.10.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Michel Nowak

23 Kommentare

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  1. 23.

    Lesetipp, für Teichert und alle anderen; "Brudermord im Altwasser". Mangroven vielleicht nicht, aber dennoch: Feuchtgebiete.
    Leider waren Holländer und Hugenotten sehr gründlich in Potsdam, Umgebung und Südbrandenburg. Blöd. Wusste man halt nicht anders, damals. Die aufkommende Glasindustrie und die damit verbundene Abholzung der Wälder tat ein Übriges. Im Müritzeum gibt's dazu einen interessanten Ausstellungsteil.

  2. 22.

    Das Dreschen kommt mir etwas zu kurz.
    Wenn ich den Text richtig verstehe, wird der Reis in ein Schwad geschnitten und anschließend gedroschen. Man nenn das Schwaddrusch.
    Wie hoch ist die Feuchtigkeit in den Pflanzen nach Ablassen des Wassers?
    Für den ersten Reisdrusch in Brandenburg ist das doch prima gelaufen. Glückwunsch!

  3. 21.

    Wir werden sehen. Kaulquappen und Frösche stehen auf der Storchenspeisekarte. Jungstörche sind schon wegen Nahrungsmangel verendet.
    Ob der Reis resistent gegen Krankheiten und Schädlinge ist? Wir werden sehen, wie es weitergeht, auch mit den Pflanzen, die wahrscheinlich importiert werden. Woher kommen die eigentlich?

  4. 20.

    Die Erlen sind die Mangroven des Nordens.
    Mangroven zeichnen sich übrigens dadurch aus, dass sie in Salz- und Brakwasser leben.
    Das das Klima vor Jahrhunderten eher wenig tauglich für Reis gewesen wäre, lassen wir mal beiseite.

  5. 19.

    Antwort auf Altwestberlinerin
    Also hätte man vor Jahrhunderten NICHT auf Kartoffeln, Mais, Tomaten, Tabak und so gesetzt, wären wir wohl auch schon Jahrhunderte Reisproduzenten und -esser.
    Vielleicht sollte man auch alle Talsperren zurückbauen so das das Wasser (Flüsse) wieder ungebändigt durchs Land strömen kann und sich verteilt wo immer es will.
    Dann hätten wir in manchen Bereichen bestimmt auch Mangrovenwälder.
    Könnte mit dem Gedanken leben.

  6. 18.

    Antwort auf Kurzkommentator:
    "Dass sie Wasserressourcen im Land sehr verschieden verteilt sind, ..." aha, und wie bzw. was war bzgl. Schule angemerkt?

  7. 17.

    Antwort auf Kurzkommentator:
    "Dass sie Wasserressourcen im Land sehr verschieden verteilt sind, ..." aha, und wie bzw. was war bzgl. Schule angemerkt?

  8. 16.

    Antwort auf Kurzkommentator:
    "Dass sie Wasserressourcen im Land sehr verschieden verteilt sind, ..." aha, und wie bzw. was war bzgl. Schule angemerkt?

  9. 15.

    Mich. Ich finde den Artikel und das Projekt spannend.

  10. 13.

    >"Fraglich, warum in DE der Reis nass angebaut wird."
    Wenn die feuchte Niederung schon mal da ist, warum nicht? Trocken legen, um dann Reis im Trocknen anzubauen, wäre echt bissl blöde. Die Feuchtwiesen gibts dort von Natur aus. Das ist normales Oberflächenwasser.

  11. 12.

    Wenn man das eigene Land nicht kennt, ist es schwierig sachlich zu urteilen. Weil es im Ozean genug Wasser gibt, heißt es nicht, dass es auch in der Wüste genug davon gibt!
    Der Rihnluch liegt in Nordbrandenburg, während Musk in Ostbrandenburg das Wasser verbraucht!
    Wenn es nicht zur Veränderung der Natur kommt ist die Idee in Linum großartig und gegönnt!

  12. 11.

    Reis kann man nass oder trocken anbauen.
    Fraglich, warum in DE der Reis nass angebaut wird.
    Für traditionellen Nassanbau braucht man 3000 bis 5000 Liter Wasser je kg Reis.

  13. 10.

    >"Ich dachte immer in Brandenburg gibt es nicht genug Wasser..."
    Bis das Rhinluch da im Rhinland zwischen Fehrbellin und Kremmen austrocknet, dauerts ne ganze Weile. Wie der Name schon sagt... Luch: wasserreiche vermoorte Niederung. Das Rhinluch ist der Wasserschwamm der Region dort.

  14. 9.

    Freut mich, dass man sich besinnt, dass Brandenburg vor der Trockenlegung durch die angereisten Hugenotten ein sumpfiges Land war mit mehr Vielfalt als "Kiefernpinne" oder Truppenübungsplätze... Die Lobby der "Entwässerer" ist allerdings stark, deren Flexibilität gleich null. Der Klimawandel ist in Brandenburg nicht die Ursache für die Kargheit der landwirtschaftlichen Nutzung, sondern sehr frühe Fehlentscheidungen wie das Trockenlegen weiter Landstriche. Die ja doch nicht genutzt werden. Die Entwässerungsgräben und Schieber und Düker kennt jeder, der mal in Brandenburg, vor allem im trockenen Süden, unterwegs war... Wasser abzuleiten, letztlich ins Meer, ist weder in Berlin noch in Brandenburg eine kluge Lösung.

    Reisanbau an renaturierten Flächen aber schon :-) viel Erfolg weiterhin.

  15. 8.

    Ich bin dafür das sich der gute Mann für Avocados entscheidet.
    „Ein Kilogramm Avocados verbraucht 1000 Liter Wasser.“ – man kann sagen eigentlich nur.
    Für ein Superfood tolerierbar.

  16. 7.

    Das ist natürlich Geschwätz. Dass sie Wasserressourcen im Land sehr verschieden verteilt sind, lernt man schon in der Schule, vorausgesetzt man geht hin und passt auf.

  17. 6.

    Wieso, hier ist doch überall Wasser! Hat Herr Musk gesagt. Und wenn der das sagt dann stimmt das.

  18. 5.

    Wen interessiert es?

  19. 4.

    Da kannste mal sehen wie zuweilen gelogen wird ;-)
    Wassermangel ist ein Konzept, was für den Einen zu viel ist für den Anderen zuwenig.
    Vielleicht setzt der Firmengründer nächstes Jahr auch auf Baumwolle,
    die wird dann wenigstens nicht durch Wildenten und Gänse reduziert.

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