Bäume laut Stadt krank - Bürger protestieren gegen Fällungen alter Linden in historischer Gartenstadt Marga

Di 27.02.24 | 16:53 Uhr | Von Isabelle Schilka und Philipp Manske
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Ein Baumstumpf an einer Straße in der Gartenstadt Marga (Foto: rbb/Screenshot)
Audio: Antenne Brandenburg | 26.02.2024 | Isabelle Schilka | Bild: rbb/Screenshot

Viele alte Linden sollen in der historischen Gartenstadt Marga verschwinden. Begründet wird das mit einem Gutachten und Gefahren. Doch einige Senftenberger kritisieren das heftig und haben eine Petition zum Erhalt mancher Bäume gestartet. Von I. Schilka und P. Manske

In wenigen Augenblicken wurde abgeholzt, was 100 Jahre gewachsen ist. Gut 50 Krim-Linden sind in den letzten Tagen in der Gartenstadt Marga gefällt worden, einer Siedlung in Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz).

Die Bäume haben zusammen mit rund 130 weiteren Linden eine Art grünen Ring um die Siedlung gebildet, sind nach Angaben der Stadt aber "stark bis sehr stark" geschädigt und könnten einstürzen. Dabei beruft sich Senftenberg auf ein Gutachten aus dem Jahr 2016.

"'Sie weisen mittlerweile erhebliche Schäden an den Wurzelbereichen und an den Stämmen auf. Ihre Vitalität ist stark beschädigt'“, verweist der technische Sachbearbeiter David König Mitte Februar in einer Mitteilung der Stadt auf das Gutachten [senftenberg.de].

Seitdem werden die Linden abschnittsweise gefällt und anschließend nachgepflanzt. Beides ist laut der Stadt mit der Oberen Denkmalschutzbehörde des Landes Brandenburg und der Naturschutzbehörde des Landkreises Oberspreewald-Lausitz abgestimmt.

Ein Kind sitzt vor Kartons, auf einem der Kartons wird um Unterschriften gegen die Baumfällungen geworben (Foto: rbb/Screenshot
Ein Kind sitzt vor einem Karton, auf dem um Unterschriften gegen die Fällungen geworben wird | Bild: rbb/Screenshot

Historisches Bild verschwindet

Einige Senftenberger kritisieren die Fällungen, etwa Enrico Grieger. Ihm ist das Gutachten zu oberflächlich. "Es wurden keine Wurzelwerke überprüft, es gab keine schalltechnischen Maßnahmen, mit denen man guckt, ob Höhlungen in den Bäumen sind, das wurde nicht ernsthaft untersucht."

Er schätzt, dass etwa vier Fünftel der Bäume noch intakt waren. Deshalb hat Grieger eine Petition zum Erhalt der 25 Bäume gestartet, die im nächsten Jahr gefällt werden sollen - zusammen mit Anna Katharina Schröder, die die Bäume ebenfalls retten will.

Infos

Die Gartenstadt Marga aus der Luft (Foto: dpa/Pleul)
dpa-Zentralbild

Die Gartenstadt Marga entstand als kreisförmige Wohnsiedlung für Arbeiter mit Gartenstadtcharakter im Senftenberger Ortsteil Brieske. Gebaut wurde sie zwischen 1907 und 1915 - und ist damit nach Angaben der Stadt die älteste deutsche Gartenstadt.

Zu dieser Zeit habe es durch die rasante Entwicklung des Bergbaus eine starke Nachfrage nach Wohnraum für Arbeiter und Beamte gegeben. [senftenberg.de | PDF]

"Es ist auch nicht hinnehmbar, was mit den anderen 50 Bäumen schon passiert ist", so Schröder. 100 Jahre waren sie alt. Das historische Bild würde durch die Fällungen verschwinden, so Schröder. Sie ist dafür, nicht pauschal für alle Bäume zu entscheiden. "Ich finde, da müsste ein unabhängiges Gutachten über jeden einzelnen Baum erstellt werden: Wie ist die Standfestigkeit wirklich, welche Gefahr besteht?"

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Brandenburg kritisiert auf rbb-Nachfrage die Fällung der Linden.

Ein Fall für den Denkmalschutz

Doch Senftenbergs Bürgermeister Andreas Pfeiffer (CDU) hält dagegen. Die Bäume müssten weg und das liege nicht nur daran, dass Äste abbrechen oder sie ganz umkippen könnten. Auch der Denkmalschutz redet mit. Nur einzelne, kranke Bäume herauszunehmen, gehe nicht.

Es sei ein Ensemble, das in seiner "Schönheit weiterhin existieren", solle, so Pfeiffer. "Diese Ringstraße umschließt die Gartenstadt und wir haben in einzelnen Bauabschnitten schon begonnen, die Linden zu entnehmen und neue zu pflanzen." Würden nur einzelne Bäume gefällt und ersetzt werden, wäre das Bild nicht mehr einheitlich. "Aus diesem Grund werden wir diese Maßnahme auch weiter durchführen."

Bick auf Linden, die noch gefällt werden sollen (Foto: rbb/Screenshot)
Linden, die noch gefällt werden sollen | Bild: rbb/Screenshot

Einige Senftenberger sind auch für die Fällung

Nicht alle Bewohner der Gartenstadt finden die Herangehensweise falsch. Margaritha Knobloch ist dafür, dass in der denkmalgeschützten Siedlung ein einheitliches Bild erhalten bleibt. "Wenn man einen kaputten Baum herausnimmt - wie sieht denn das hinterher aus?", fragt Knobloch. Außerdem würden die neuen Bäume recht schnell größer werden.

Auch Veronika Zuter findet die Baumfällungen gut, "weil so viele alte Äste heruntergefallen sind, die auf der Straße liegen geblieben sind und die dann auch keiner weggemacht hat."

Laut der Stadt Senftenberg soll der komplette Baumbestand erneuert und "fit für die nächsten 100 Jahre" gemacht werden. Mit den neuen Pflanzungen würde die Verkehrssicherheit wiederhergestellt und das historische Bild der Gartenstadt langfristig erhalten werden.

Sendung: Antenne Brandenburg, 26.02.2024, 16:40 Uhr

Beitrag von Isabelle Schilka und Philipp Manske

8 Kommentare

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  1. 8.

    Geht es gar nicht um die Bäume? In Anbetracht leerer Kassen, Fachkräftemangel und dem weit verbreiteten „Liebernichtstun, die Natur macht das schon“ und den Restriktionen, wenn ein Baum auf Privatland steht, stellen sich Fragen. Das Gutachten ist angreifbar? Ja, das ist es, wenn man weiß, wie es erstellt wurde. Hinweise im Text gibt es dazu. Der Bürgermeister kann das nicht wegschieben, wenn man ihn rechtssicher in Kenntnis setzt, bevor gefällt wurde.

  2. 7.

    Es gab und gibt genug "laue Lüftchen". Und ist bisher ein Baum umgefallen?

  3. 6.

    ALLE Bäume waren krank, dass sie gefällt werden mussten??
    WERS GLAUBT ??

    ODER ging es bei der Aktion nicht eher um den Bau eines Radweges??

    ABER wenns so war - ein Radweg hätte auch ohne die Baumfällung genügend Platz gehabt.

  4. 5.

    Ja ja die armen Bäume.
    Wäre es etwa besser wenn die Bäume stehen bleiben und beim nächsten lauen Lüftchen auf einen Menschen fallen?
    Na klar, sieht es jetzt noch schön aus. Aber welcher Baum ist heute noch gesund?
    Und nicht vergessen dass wir in D leben, da sind Vorschriften eben alles.

  5. 4.

    Wer sagt denn, daß die neu gepflanzten Bäume gesund wachsen werden? Die werden nie und nimmer 100 oder 130 Jahre alt.
    Schande sowas, klar gehen nur einzelne Bäume zu Fällen wenn diese Krank sind.
    So ein Unfug.

  6. 3.

    Dem Argument der älteren Dame im Video „Ja, wie sähe es denn aus, wenn da Jungbäume und alte Bäumen sind.“ möchte ich gern entgegen halten, dass Bäume Lebewesen sind, die voneinander lernen. Jedes Jahr im Sommer, wenn es heißt, dass es für StadtBäume anstrengend wird. Hätte man ein paar ältere Bäume mit viel weiterem Wurzelwerk, würden auch die jüngeren Bäume davon profitieren. Außerdem bieten ältere Bäume mehr Möglichkeiten für andere Wildtiere (Eichhörnchen & Vögel) als jüngere Bäume. Also lasst doch bitte das Argument der Ästhetik außen vor. Natur ist nicht nur geschniegelt, glatt, sondern eben auch mal groß, klein, alt, jung, breit oder schmal. So bunt wie unsere Gesellschaft.

  7. 2.

    Pflanzung, Fällung, Sägung. Die Schreibung des Artikels erscheint mysteriös. Die Fahrung des Autors in die Ortung war wohl eine Überraschung für viele dort in den Wohnungen wohnenden. Arme Bäume. mögen sie nach der Umhauung in die ewige Ruhung gehen.

  8. 1.

    "fit für die nächsten 100 Jahre" 100 Jahre ist aber für eine Linde noch sehr frühe Jugend.

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