Rassistische Motive? - Gewaltvorwürfe gegen Lehrer aus Cottbus

Mi 13.03.24 | 08:06 Uhr
Symbolbild: Altstadt von Cottbus mit Schloßberg DEU/Brandenburg/Cottbus mit Blick auf das östliche Stadtzentrum mit dem Landgericht am 07.05.2018. (Quelle: IMAGO/Rainer Weisflog)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 13.03.2024 | J. Goll/S. Schiller | Bild: IMAGO/Rainer Weisflog

Ein Lehrer steht im Verdacht, einen Schüler im Unterricht schwer verletzt zu haben, der Schüler muss in ein Krankenhaus. Der Fall wirft Fragen auf. Es soll nicht der einzige Übergriff des Lehrers gewesen sein. Von Jo Goll und Sebastian Schiller

Im Herbst 2023 soll ein Lehrer einer Cottbuser Schule den syrischen Schüler M. mit der Hand in den Nacken geschlagen haben. "Mein Sohn hatte große Schmerzen und begann zu weinen. Danach meinte der Lehrer, er solle still sein und aufhören zu weinen", so beschreibt es Abdullah A.. Der Vater des betroffenen Jungen war zwar selbst nicht dabei, erfährt aber unmittelbar nach dem mutmaßlichen Vorfall durch Mitschüler und seinem Sohn davon, was passiert sein soll.

Demnach habe der Lehrer im Anschluss mit dem Knie einen Tisch gegen den Brustkorb des Jungen gedrückt. Diagnostiziert wurde dann ein schmerzhaftes Halswirbelsäulen-Schleudertrauma, schmerzbedingte Bewegungseinschränkung und eine Prellung des Brustkorbs. Der Junge wird über drei Tage im Krankenhaus versorgt, das belegen medizinische Unterlagen, die rbb24 Recherche und dem rbb-Studio Cottbus vorliegen.

Schule soll "gütliche Regelung" angestrebt haben

Vater Abdullah erzählt, dass er an diesem Tag im Herbst von der Schule verständigt worden sei: Seinem Sohn gehe es nicht gut, er wirke müde. Er geht zunächst von einem Asthma-Anfall aus. Vor Ort habe er seinen Sohn aber in einem miserablen Zustand vorgefunden. Mitschüler, die um ihn herumstehen, hätten ihm davon berichtet, dass der Lehrer laute Musik abgespielt habe, um das Weinen des Jungen und weiterer Schüler zu übertönen. So erzählt er es ein halbes Jahr später.

Damit ist seine Geschichte aber nicht zu Ende: "Die Schulleitung rief mich zwei Stunden später an. Sie wollten sich mit mir treffen, damit ich keine Anzeige gegen den Lehrer stelle und um das Ganze gütlich zu regeln", erinnert sich Abdullah A.. "Da war ich gerade mit meinem Sohn in der Notaufnahme vom Krankenhaus. Aufgrund des Zustandes meines Sohnes habe ich das abgelehnt und noch im Krankenhaus eine Anzeige gemacht."

Polizeiliche Ermittlungen laufen

Die Polizei bestätigt, dass Anzeige erstattet worden ist. Und dass es zwei weitere Anzeigen gegen den betroffenen Lehrer gibt. Die Ermittlungen laufen. In einem früheren Fall soll der Pädagoge einem anderen Schüler, einem jungen Tschetschenen, in den Rücken getreten haben. Seine Mutter sei danach in die Schule gegangen, habe mit Lehrern sprechen wollen. Nach eigener Aussage aber sei sie nicht ernst genommen worden.

Joschka Fröschner vom Verein Opferperspektive betreut die Jugendlichen und ihre Eltern seit den mutmaßlichen Vorfällen. Er berichtet: Trotz schriftlicher Aufforderung soll sich weder die Schule noch das Schulamt bei Familie A. entschuldigt haben. Fröschner macht das Verhalten der Schule stutzig: "Eigentlich gab es nach dem Tag selbst, an dem das passiert ist, durch die Schule keine Kontaktaufnahme mehr mit der Familie oder mit irgendeiner der betroffenen Familien." Auch er war nicht direkt mit dabei, kennt aber die Geschichten aus den Erzählungen der Familien, zudem hat er selbst beim Schulamt nachgefragt. "Das Einzige, was passiert ist, ist, dass die Schulsozialarbeiterin sich gemeldet hat und nachgefragt hat, wie es dem Kind geht. Soweit ich weiß, hat sie das aber nicht im Auftrag der Schule getan, sondern eben als ein Eigenauftrag, weil sie mitbekommen hat, was da passiert ist."

Spärliche Auskünfte durch die Behörden

Vater Abdullah A. geht an diesem Tag im Herbst auf eigene Faust zurück in die Schule, sagt er. Im Gespräch mit Lehrern seines Sohnes hätten die die Schuld auf den Jugendlichen geschoben. Er sei laut gewesen und hätte im Unterricht gestört.

Nach rbb-Informationen aus Sicherheitskreisen könnten die mutmaßlichen Attacken des Lehrer als Verdacht auf eine rassistisch motivierte Straftat eingestuft werden. Eine Anfrage von rbb24 Recherche ließen der Lehrer, die Schule und das zuständige Schulamt in Cottbus unbeantwortet.

Auf rbb-Anfrage teilt das Bildungsministerium in Potsdam mit, man nehme den Fall sehr ernst. "Wir bedauern sehr, dass es zu dem von Ihnen geschilderten Fall gekommen ist. Alle beteiligten Stellen haben die Aufarbeitung sehr ernst vorgenommen – auch unter Einbeziehung der Sorgeberechtigten."

Offen bleibt damit auch die Frage, was aus dem Lehrer geworden ist. Er soll die Schule verlassen haben und wird inzwischen im Kollegium einer anderen Schule im Zuständigkeitsbereich der Schulamts Cottbus aufgeführt. Es ist nun Aufgabe der Ermittlungsbehörden, zu klären, was an den Vorwürfen gegen den beschuldigten Lehrer dran ist. Anklage gegen ihn wurde bislang keine erhoben.

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.03.2024, 06:00 Uhr

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