Berlin-Lichtenberg - Pflegeheim-Betreiber setzt eine Woche nach Notruf neue Heimleitung ein

Mo 22.04.24 | 17:27 Uhr
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Symbolbild: Ein Bewohner eines Pflegeheims geht mit einem Rollator einen Gang entlang. (Quelle: dpa/Murat)
Audio: rbb 88,8 | 22.04.2024 | Annette Kufner | Bild: dpa/Murat

Der Notruf einer Pflegerin in einem Altenheim in Berlin-Friedrichsfelde hat jetzt personelle Konsequenzen. Der Betreiber hat die Leitung des Heims und den Pflegedienstleiter ausgewechselt.

Nach dem Hilfseinsatz von Polizei und Feuerwehr in einem Altenpflegeheim in Berlin-Lichtenberg vor einer Woche hat der Betreiber die Heimleitung ausgetauscht. Wie die Domicil-Gruppe am Montag mitteilte, wurde außerdem ein anderer Pflegedienstleiter eingesetzt.

Man bedauere zutiefst, dass eine Pflegekraft des Heims "Am Schloss Friedrichsfelde" wegen Personalmangels den Notruf habe auslösen müssen. Weiter hieß es, man habe Kenntnis von einer Reihe schwerer Anschuldigungen erlangt, die sehr betroffen machten. Man gehe jedem einzelnen Hinweis nach, um alle Vorwürfe aufzuklären. Die Domicil-Gruppe habe eine unabhängige Untersuchung durch eine externe Anwaltskanzlei eingeleitet und werde vollumfänglich mit den Behörden kooperieren. Bis zu abschließenden Klärung gelte die Unschuldsvermutung.

Kein geeignetes Pflegepersonal für die Nacht

Vor eine Woche waren Polizei und Feuerwehr ausgerückt, weil in einem Alten- und Pflegeheim in Berlin-Lichtenberg das nötige Pflegepersonal für die Nacht fehlte. Als eine Pflegerin in dem Heim in Berlin-Lichtenberg am Montagabend vergangener Woche ihre Schicht beenden wollte, stellte sie fest, dass die Nachtschicht personell nicht ausreichend besetzt war, hieß es von der Polizei.

Es fehlte eine examinierte und qualifizierte Pflegekraft, die bestimmte Medikamente verabreichen darf. Die Pflegerin habe die Bereitschaft und die Heimleitung nicht erreicht und dann in ihrer Not Polizei und Feuerwehr alarmiert, die auch bald erschienen sei. Die zuständige Heimaufsicht hat angekündigt, den Fall zu prüfen.

Ermittlungen zu Todesfall

Zudem untersucht die Staatsanwaltschaft nach einem anonymen Hinweis einen Todesfall an dem Tag des Vorfalls. Bei der Staatsanwaltschaft Berlin ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung anhängig, wie die Behörde vergangene Woche mitteilte. Das Verfahren wird laut Staatsanwaltschaft gegen Unbekannt geführt.

"Wir haben selbst eine umfassende unabhängige Untersuchung durch eine externe Anwaltskanzlei eingeleitet und werden vollumfänglich mit den Behörden kooperieren", erklärte ein Domicil-Sprecher. Den Konzern habe "eine Reihe schwerer Vorwürfe" erreicht, die bislang nicht bestätigt seien. "Wir nehmen jeden einzelnen Hinweis sehr ernst und gehen ihm nach, mit dem Ziel, alle Vorwürfe aufzuklären."

Verdi: Eine einzige Krankmeldung kann eine Krisensituation auslösen

Die Gewerkschaft Verdi kritisierte den Vorfall am Montag und forderte grundlegende Verbesserungen für Pflegepersonal. "Der Berliner Senat, die Pflegekassen und die Leistungserbringer müssen jetzt gemeinsam Vereinbarungen treffen, wie Personalstandards auf Landesebene festgelegt und wirksam kontrolliert werden", sagte die stellvertretende Landesfachbereichsleiterin für Pflege in Berlin und Brandenburg, Gisela Neunhöffer. In der Altenpflege solle vertraglich festgelegt werden, wie viel Personal für die Patienten pro Schicht anwesend sein müssen, forderte sie.

Neunhöffer nannte den Vorfall "unerträglich". Allgemein seien Dienstpläne oft so gestaltet, dass schon eine einzige Krankmeldung eine Krisensituation auslösen könne, es fehlten Springer- und Ausfallkonzepte. "Wenn jetzt nicht politisch gehandelt wird, ist es nur eine Frage der Zeit, bis das nächste Mal Notarzt und Feuerwehr ausrücken müssen, weil in einem Pflegeheim das Personal fehlt", sagte Neunhöffer laut Mitteilung.

Sendung: rbb 88,8, 22.04.24, 19:30 Uhr

37 Kommentare

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  1. 37.

    Es ist eine Schande was mit den Alten Leuten umgegangen wird die jahrelang für Deutschland geschuftet haben.An alle Länder wird Geld verschenkt, wir finanzieren Kriege und finanzieren diese Regierung die den Hals nicht voll bekommt und sich ihre Diäten immer noch erhöhen und Asylanten bekommen mehr als Rentner.Pfui !

  2. 36.

    PS: Die drei Pflegekräfte arbeiten nicht täglich dreimal acht Stunden! Eine Pflegekraft mit sechs Stunden täglich reicht bei vier Senioren mit Pflegestufe 3.

  3. 35.

    1.000 € warm sind 250 für jeden Bewohner! 2.671-250=2.421*4=9.684 €
    Noch Fragen?

  4. 33.

    So ist es , auch ich habe als PDL gearbeitet. Man steht immer zwischen Personal und ,,Eigentümer ,,
    Was jetztvsbläuft , ist doch aber nicht neu .Leider wurden PDL und Heimleitung gehängt ! In einem Jahr sieht es nicht anders aus als jetzt.

  5. 32.

    Ich habe 15 Jahre selbst als PDL und Geschäftsleitung gearbeitet und weiß, was das bedeutet. Man steht natürlich immer für alles gerade. Jedoch muss ich ganz klar und deutlich sagen, dass Mitarbeiter einer Einrichtung nicht sich selbst überlassen werden können und deshalb immer ein Bereitschaftsdienst o.ä. erreichbar sein muss.
    Mittlerweile sind nicht mehr die Gehälter das Problem, sondern eher die, die es machen wollen, geschweige denn dann von qualifizierten Fachpersonal zu sprechen.

  6. 31.

    "bleibt ein Eigenanteil für die Bewohner von 2.671,00 €! Von dem Geld könnten vier SeniorInnen eine WG gründen und drei Pflegekräfte einstellen - nach Tarif bezahlt!"

    Ganz grob gerechnet wird eine Wohnung für vier Senioren um die 1000 € warm kosten. Von den restlichen 1671€ wollen sie drei Pflegekräfte einstellen - nach Tarif. Pflegehilfskräfte erhalten nach Tarif aktuell 16,10€/h. Macht bei 160 Monatsarbeitsstunden mindestens 2576€ brutto und den Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung müssen sie auch noch entrichten.

    Keine weiteren Fragen :)

  7. 30.

    Es muss noch viel mehr passieren bevor seitens der Politik irgendwer reagiert , das wird alles wieder im Sande verlaufen

  8. 29.

    Na wieso machen sie das dann nicht ? Selten so eine flapsige Rechnung gesehen. Die Pfleger werden inzwischen gut bezahlt und das Heim kostet daher auch mehr Geld, weil eben die Löhne gestiegen sind! Warum soll ein Heim nicht gewinnorientiert arbeiten, wobei hier der Gewinn klar gedeckelt ist. Daher Respekt an Heimbetreiber und Pflegedienste, die Mehrheit macht einen guten Job und hilft im Alltag allen ! Traurig und typisch deutsch, Neid und mecker Kultur pur. Organisieren sie 4 Fachkräfte !

  9. 28.

    Es gibt Alternativen wie Demenzwohngemeinschaften. Aber es gilt eine faire Bezahlung für Pflegekräfte aber eben auch engagierte Arbeiter. Davon gibt es einfach nicht viele, selbst bei 18€ Mindestlohn ohne Erfahrung, daher der Lohn ist inzwischen gut gestiegen. Mit Zuschlägen kommt man da auf 3200-3500 Brutto. Mehr ist finanziell nicht refinanziert. Ich finde nicht das alle hier immer von Geldgier Betreibern reden als fair. Keiner arbeitet umsonst und trägt das Risiko und den Stress for free!

  10. 27.

    Ihre Rechnung darf man so nicht stehen lassen. Personalkosten sind nicht nur das Netto auf dem Lohnzettel. Um 7 Tage/ 24 Std./ 3 Schichten mit 3x20 Minuten Übergaben abzudecken benötigen Sie bereits mind. 5 Vollstellen. Die WG Mitarbeiter haben Urlaubsanspruch und werden auch einmal krank. Wären alleine Personalkosten von über 20.000 € im Monat (Mindestlohn angenommen) + Wohnkosten + Nebenkosten + Hauswirtschaftsgeld. In Ihrem Beispiel also je nach Miete ca. 5700-6000 € abzügl. Pflegeversicherung. Pflege-WGs sind oftmals deutlich teurer als Heimplätze. Die Sozialämter beginnen schon nachzufragen, wenn wir für pflegebedürftige Klienten eine WG statt Heim organisieren und Kostenübernahmen beantragen.

  11. 26.

    Wie soll das denn gehen bei den heutigen Mieten? Die ersten knapp 4000 Euro sind doch Miete für 4-5 Zimmer plus Nebenkosten und Essen.
    Und für 24/7 Betreuung braucht man nicht 3 Pflegekräfte, sondern mindestens 5, eher 6. Wochenende, Urlaub und Krankheit wollen ja auch abgedeckt werden.
    Und von 12000 Euro zahlen sie nicht das Arbeitgeberbrutto für 5 Leute.

  12. 25.

    Ich sehe das Problem nicht unbedingt in der HL oder PDL. Und ein Austausch ändert gar nichts. Als ob die Geschäftsführung vom Domicil das interessiert wie die Zustände in einem Haus sind. Solange die Betten belegt sind und die Kohle rollt. Und zur Not wird einer der Öffentlichkeit zum Fraß vorgeworfen. In jedem Haus wird voll belegt. Ob das Personal da ist oder nicht. Spielt keine Rolle. Und solange es irgendwie geht, weil jeder immer einspringt, wird sich auch nichts ändern

  13. 24.

    Ich gehe davon aus, daß die Heimleitung jetzt ein anderes Haus leiten wird.
    Das System wird sich wie immer nicht ändern und skrupellose, geldgeile Menschen, die erst zur Besinnung kommen, wenn es ihnen selbst schlecht geht, gibt es ja zu genüge. Guido Westerwelle ( FDP) hat sich kurz vor seinem Krebstod als den "Großen Westerwelle" beschrieben der vom Leben eingeholt wurde und lernen musste was wirklich wichtig im Leben ist und wie wichtig eine gute medizinische Versorgung ist.

  14. 23.

    Ich bin so froh ein Praktikum in einem Seniorenpflegeheim erlebt zu haben. Meine Einstellung und meine Wertschätzung gegenüber den Pflegekräften und den zu pflegenden Bewohnern hat sich dadurch zu tiefst grundlegend geändert und erschlossen. Es war eine spannende und sehr lehrreiche Zeit!
    Ich finde es sehr Schade das die Politik den Ball eher flach hält statt die Ärmel hochzukrempeln um etwas bewegen.
    Ich hoffe das so viele Menschenleben wie möglich geschützt bleiben und dafür ein großes Dankeschön an die Pflegekräfte!!!

  15. 22.

    So zutreffend es ist, dass die Dienstpläne in vielen Häusern oft "spitz auf Knopf" genäht sind und ein einziger Ausfall einer Pflegefachkraft den Dienstplan wie ein Kartenhaus zusammenstürzen lässt, so zutreffend ist es wiederum auch, dass der allseits übliche Personalschlüssel auf Durchschnittswerten beruht, was den Arbeitsanfall angeht.

    Was getan werden muss, ist jedoch in den seltensten Fällen ausschließlich vom Durchschnitt bestimmt, sondern immer auch von Schwankungen geprägt. Das heißt nichts anderes, als dass - wo Notfälle sich nicht vorher ankündigen - auch für denjenigen Fall Personal vorgehalten werden müsste, in denen zwei oder drei Notfälle gleichzeitig auftreten.

    Das aber ist kalkulatorisch nicht drin. Und da beginnt ein gewaltiges Stück Unmenschlichkeit: Materielle Gegenstände können warten und liegengelassen werden, bis sie bearbeitet werden, Menschen nicht.

  16. 21.

    Als ob es an den Zuständen in der Einrichtung was ändert wenn man den HL austauscht. Dieses ständige Heuern und Feuern auf der Führungsebene der Einrichtungen ändert nichts an den Problemen in der Pflege. Als Leasing Fachkraft sehe ich jeden Tag ,was da schiefläuft und was da abgelaufen ist, ist bei weitem kein Einzelfall. Kommt eben nicht immer gleich in die Presse. Ist halt so ,wenn man die Pflege privatisiert hat.

  17. 20.

    Derzeit decken sich viele Heimleitungen gegenseitig, so nach dem Motto alle, die ihre Klappe halten und wegschauen werden, gut bevorzugt.
    Traurig aber wahr!

    Scheinbar politisch gewollt, um noch mehr billigefachkräfte ins Land zu holen.
    Und gerade diese werden oft gedeckt, dass es sowas wie Datenschutz gibt.
    Manchmal komme ich auf die Station und muss erst mal lange suchen, bevor ich meinen neuen Kolleginnen treffe und geschweige, was die alles gemacht habe und keiner zum Team besprechen und geschweige zur Übergabe kommt.

    Aha ja, die meisten sind neu und können erst gar kein Deutsch, nicht mal wirklich B1 Niveau!


    Viele Bewohner oder Angehörige, werden vom Heimleitung gedroht sich ein anderes Heim zu suchen ansonsten stellen sich zu Frieden.
    Ganz klar, so mal auf die schnelle findet man keinen Ersatz für Senioren schon gar nicht in anderen Seniorenheimen so kurzfristig.


    Ganz ehrlich: Nein zu mehr Gehalt, weil es dadurch nicht besser wird!!

  18. 19.

    Ich arbeite in der Behindertenhilfe. Wir haben in der Regel in unserer Gruppe 17 std. in der Woche und 24 Stunden Dienste am Wochenende. Nachtbereitschaften.
    Letztes Jahr ist es 4 mal vorgekommen, dass der Nachfolgende Dienst sich krank krank gemeldet hat und keine Dienstablösung gefunden wurde, so dass der Diensthabende einen 48 Stunden Dienst machen musste.
    Gespräche mit der Leitung und der MAV sind schon geführt worden.
    Auch wir wären im Wiederholungsfall gezwungen den Notruf zu wählen.
    Nach einem 24 Stunden Dienst,(auch wenn man auf der Gruppe schlafen kann), ist man einfach fertig und nicht mehr zuurechnungsfähig .
    Einmal falsche Medikamentenvergabe und das wars dann für den Bewohner.

  19. 18.

    Warum wird denn die Fachkraft als mutig bezeichnet? Sie hat sich damit nur rechtmäßiger weise rechtlich abgesichert - sonst hätte sie selbst eine Verantwortung kriegen können. Ein anderer Arbeitgeber hat damit erstmal kein Problem. Irgendwas musst du in der Situation ja machen.

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