Der rbb|24-Adventskalender | Abgefahren aufgemacht - 20. Tür: Keiner sagt mehr, wo es langgeht

Di 20.12.22 | 06:04 Uhr | Von Stefan Ruwoldt
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Adventskalender: Autonomer Mini-Elektrobus ist unterwegs in Berlin (Quelle: Marcus Behrendt)
Bild: Marcus Behrendt

Weiß die BVG, was sie da tut? Sie arbeitet mit Wissenschaftlern an der Abschaffung des personengesteuerten Busses. In einer weiteren Studie wird dann womöglich die BVG selbst abgeschafft. Nur eins wird bleiben: der Mini-Elektrobus. Ein Projekt.

24 kleine Geschichten rund um Bewegung, Geschwindigkeit oder um das bloße Fortkommen, das Verschwinden oder über Menschen, die etwas in Gang setzen - all das natürlich in Berlin und Brandenburg. Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.

Fliegen, schippern, gondeln - für die großen Reisebewegungen brauchen wir großes Besteck. Für den Alltagsmove in den Häuserschluchten werden die Begleitgefährte kleiner. Und wenn wir dann ganz allein unterwegs sind, oder als Mini-Gruppe, kommt das genutze Gefährt dem märchenhaften fliegenden Teppich gleich. Der e-Roller oder der Segway etwa. Kein Kolben hämmert, kein Pedal klappert. Es surrt und man ist in nullkommnix am neuen Ort.

Die Krönung dieser zauberhaften Mobile ist der Mini-Elektrobus. Er spricht und schon bald wird er schweben. Bis dahin ist er auf 12 vielleicht 15 kmh gedrosselt. Die 20. Tür hat er heute sensorisch geöffnet. Er ist die Zukunft.

Selbstfahrend mit Joystick beim Sicherheitspersonal

Der fast schon selbstfahrende Mini-Elektrobus der Linie 328 ist ein Projekt von Senat und BVG mit Bussen der Firma EasyMile und mit mehreren akademischen Partnern, die elektrisches Fahren, Selbstfahren und Navigieren erforschen. Es gab ein paar Entwicklungsstufen, dann neue Ziele und wieder Stufen, Erweiterungen und Streckenänderungen. Dazwischen dann noch Corona, wo die Busse zwar fuhren, aber niemand mitdurfte. In diesem Sommer war erstmal Schluss, nächstes Jahr dann ab Herbst 2023 wird der Elektroselbstfahrbus Teil des "KIS’M"-Projekt (KI-basiertes System für vernetzte Mobilität) auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel, wo dann noch mehr gehen soll.

Das Türenteam

Marcus Behrendt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Illustrator und Comiczeichner "EMBE", mit bürgerlichem Namen Marcus Behrendt, steigt auch bei Schnee und Kälte auf sein Rad. Der gelernte Pädagoge nutzt jede Gelegenheit zum Zeichnen.

Stefan Ruwoldt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Redakteur Stefan Ruwoldt ist dem Weihnachtmann hinterhergehetzt, hat ihn aber nie erwischt. Das tat er mit dem Rad, dem Boot und seinem ganz privaten Motorschlitten. Nur beim Reiten, Golfen und Gleitschirmfliegen guckt er lieber zu.

Bislang jedenfalls waren immer alle zufrieden. Der Minibus bekommt Lob, wie Nachwuchs. Ein Baby? "Kuck mal, er spricht." "Da kommt er, und so schön gerade." "Bei Rot angehalten. Fein gemacht." "Bei Grün rüber? - Er kennt wirklich die Ampel."

Die Stufen der Zukunft

Level Drei des autonomen Fahrens schaffte der Bus. Er fuhr zunächst eine gerade Strecke, dann ein paar Mäander und zuletzt einen Rundkurs über mehrere Straßen in Tegel sowie auf der Strecke "See-Meile". Immer war ein menschlicher Assistent an Bord, um das Teil zur Not per Hand und Joystick zu stoppen. Bei Stufe Vier - die wohl schon nächstes Jahr zündet - ist kein steuernder Mensch mehr an Bord, bei Fünf kuckt auch keiner mehr von außen zu.

Was aber ist anders, wenn der Bus wirklich keine Fahrerin mehr hat und keinen Fahrer? - Keiner meckert. Keiner hupt. Keiner grüßt die anderen Busfahrer. Keiner duftet mehr fein nach der Schnellzigarette von der Endhaltestelle. Keiner schnauzt ins Mikro "Ausstieg nur hinten!" Keiner schiebt sein Busfahrerfenster auf und spuckt seinen Kaugummi raus. Keiner nimmt am Alex mehr seinen Rucksack, verstaut seine Brotbüchse und sagt "Tschö" zu seiner Ablösung. All das soll wirklich vorbei sein? Damit Berlin die Frau Busfahrerin und den Herrn Busfahrer nie vergisst, schreiben wir jetzt handschriftlich auf die Rückseite dieser Tür: "Durschrück'n, sonst fahr' ick nich los!"

Beitrag von Stefan Ruwoldt

7 Kommentare

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  1. 7.

    " ... auch wenn ich nicht immer der gleichen Meinung als der Autor bin ..."

    Denn in der Meinungsverschiedenheit liegt m. E. gerade der Witz, soweit sie nicht im Sinne einer Rechthaberei ausgetragen wird. Denn dann wäre "Die Suppe versalzen, als dass Salz ihr gut täte."

    Befürchtungen wegen eines autonomen Fahrens habe ich selber nicht, dazu sind die Sensoren zu ausgefeilt. Allerdings sind die bisherigen Versuche in ausgesprochenen "bequemen Lagen" durchgeführt worden und selbst da haperte es - zumindest, was den Versuch in Wusterhausen angeht: Ein Kfz. war auf den Bus aufgefahren.

    Der Grund, so ist es jedenfalls für mich recht klar: Der Autofahrer ging davon aus, dass der Bus durch die Engstelle durchfährt; da aber war die Sensor-Technik vor. Solche "Gemengelagen" werden sich potenzieren, v. a. in solchen Straßen wie der Oranienstraße in Berlin, wenn jemand jemals daran dächte.

  2. 6.

    "Aber beim Computer..."
    Alt und F4 beendet die aktuelle Anwendung - meistens ;-). Nee - im Ernst; so'n bißchen unheimlich wäre mir das auch.

  3. 5.

    Gerade Feierabend und im 255er Bus Richtung Schwarzelfenweg ganz aktuell erlebt; ein (offensichtlich) echter ! berliner Busfahrer, der mit entsprechendem Tonfall auf die Maskenpflicht und das Verbot von offenen Speisen im Bus hinwies ! Gut, diese berliner Schnoddrigkeit muss man mögen - aber echte Busfahrer/innen sind mir persönlich doch lieber .
    P.S. Ich finde den diesjährigen Adventskalender von rbb24 sehr unterhaltsam, auch wenn ich nicht immer der gleichen Meinung als der Autor bin ...

  4. 4.

    In Straßen wie der Oranienstraße sehe ich den autonomen Bus keinen Meter fahren: Wo jetzt die Menschen, die seitens der BVG den Bus fahren, Nerven wie Drahtseile haben und ihr Gefährt schon mal Millimeter an Hindernissen vorbeischieben, da sagt die Elektronik des autonomen Busses schlichtweg N E I N. Und das in Form einer Kette ohne Ende.

    So war es offensichtlich auch in Wusterhausen, wo der Bus hielt, ein dahinter fahrenden Autofahrer aber nicht damit gerechnet hat, dass der Bus vor ihm tatsächlich stehenbleibt. "Platz" war doch schließlich da. Die Schuldfrage war dabei eindeutig, die "Inflexibilität" des autonomen Fahrens auch - es sei denn, es findet (endlich?) eine Anpassung im Fahrverhalten und im Abstellverhalten statt.

  5. 3.

    Grauenvolle Vorstellung, daß vorne links keiner mehr sitzt und professionell ins Volant greift. Wenn der Schei... fährt, kann ich ihn im Zweifelsfall anschreien. Aber beim Computer... Hoffentlich hat so 'ne Karre einen gut sichtbaren Notausschalter.
    Ansonsten ein sehr gelungener Adventskalender.

  6. 2.

    Schafft es der Kleinbus oder haben ggf. andere die Nase vorn? Moia plant 2025 den kommerziellen Einsatz von hochautomaltisiert nach Level 4 fahrenden Kleinbussen im normalen Verkehr ohne dass die ein Hindernis für Radfahrer sind. Seit April laufen dazu die Versuche in München auf öffentlichen Straßen.

  7. 1.

    Schön geschrieben und erzählt und genauso schön gezeichnet. Danke für das 20. Türchen! Frohe Weihnachten allerseits!

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