Der rbb|24-Adventskalender | Abgefahren aufgemacht - 23. Tür: So geht rutschen

Fr 23.12.22 | 06:04 Uhr | Von Stefan Ruwoldt
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Adventskalender: Kinder fahren mit einem Schlitten den Berg hinab (Quelle: Marcus Behrendt)
Bild: Marcus Behrendt
Heute ist Vorfinale. Packzeit. Letzter Poeng. Morgen kommt er. Dann muss das Papier drum sein, eine Schleife drüber und ein Schildchen mit dem Empfänger drauf. Alles in Sack und Tüten und weg. Der Weihnachtsmann holt nur noch schnell seinen Schlitten aus dem Labor.

 

24 kleine Geschichten rund um Bewegung, Geschwindigkeit oder um das bloße Fortkommen, das Verschwinden oder über Menschen, die etwas in Gang setzen - all das natürlich in Berlin und Brandenburg. Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.

Diese Kalendertür hat zwei Beulen und ein paar Schrammen. Aber man sieht sie kaum. Ganz unten rechts und links. Zwei rbb-Karosseriespezialisten haben das Ganze wieder ausgebeult und Marcus Behrendt hat Schnee drüber gezeichnet und es mit Eisblumen bepinselt. Richtig viel. Jetzt, wo sie auf ist die Tür, kann man auch sehen, weshalb die Beulen da drin sind: Der Schlitten wollte raus, er kann es nicht mehr aushalten. Er ist Leistungssportler.

Das Türenteam

Marcus Behrendt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Illustrator und Comiczeichner "EMBE", mit bürgerlichem Namen Marcus Behrendt, steigt auch bei Schnee und Kälte auf sein Rad. Der gelernte Pädagoge nutzt jede Gelegenheit zum Zeichnen.

Stefan Ruwoldt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Redakteur Stefan Ruwoldt ist dem Weihnachtmann hinterhergehetzt, hat ihn aber nie erwischt. Das tat er mit dem Rad, dem Boot und seinem ganz privaten Motorschlitten. Nur beim Reiten, Golfen und Gleitschirmfliegen guckt er lieber zu.

Auf Kufen mit Design

Natürlich ist es falsch, einen Schlitten zu personalisieren, von ihm als von einem "er" zu sprechen, der höchstselbst einen Willen hat, etwas möchte. Aber die Beulen beweisen: Da ist mehr als nur Konstruktion und Pflege. Dieser Schlitten stammt aus der besonderen Werkstatt des FES, dem Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten. Geschenke ausfahren für 2,5 Millionen Brandenburgerinnen und Brandenburger sowie 3,6 Millionen Berlinerinnen und Berliner ist Weltcup und Olympische Spiele zusammen. Das Freudenfinale des Jahres.

Unterwegs mit System

Seit 1963 arbeiten am FES Ingenieure, Konstrukteure und Sportwissenschaftler an Apparaturen und Materialien, um Sportgeräte zu verbessern. Es fing an mit Bootsoptimierungen fürs Rudern, für die Kanuten und die Segler. Aber schon bald arbeitete das FES auch an Kufen und am Design von Schlitten. Sandwichwaben-Bauweise, Carbon und Glasfaser ersetzen Eiche, Buche und Schmiedeeisen. Die Entwickler legten sich ins Zeug, um die Konstruktionen leichter, lenkbarer und schneller zu machen. Der Schlitten wurde zum Boliden, zum Meteor.

Die offizielle Formulierung für die behördliche Beschäftigung mit der Schlittenfahrerei lautete, dass dieses Institut die "systematische Betrachtung des Systems Mensch und Material" bewerkstelligen sollte - weil das "für die Entwicklung von Sportgeräten von herausragender Bedeutung war". Einer der Ingenieure war Dichter.

Leichter als eine Klingel

Das Ganze lief so wissenschaftlich und erfolgreich, dass das FES den Osten überstand und heute für viele Leistungssportler zur Hilfe wurde. Für die Kanuten werden Bootsform und Paddel optimiert, die Radsportler bekommen Rahmen, die weniger wiegen als beim Hollandrad die Klingel, Ruderer können in Becken unter Aufsicht durchziehen und Schwimmer bekommen Hilfe, ihren Armzug zu kräftigen. Leichtathletik, Triathlon, Segeln, Rodeln, Bob, Eisschnelllauf und Ski. Sport ist Optimierung und das FES optimiert diese Optimierung.

Wenn am 24. also nun die Sonne aufgeht, rutscht der Geschenkeschlitten nahezu geräuschlos mit geschliffenen Kufen aus den Laboren in Schöneweide in den Beladungshangar. Der Gepäckkorb aus Kohlefaser widersteht der tonnenschweren Last, die Sitzbank ist mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode (FEM) bestens versteift und die Baugruppenmaße sind minimalisiert. Die Ausstattung stimmt.

Die Bescherung ist in diesem Jahr ein Start-Ziel-Sieg.

Beitrag von Stefan Ruwoldt

3 Kommentare

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  1. 3.

    Es ist schon ok, wenn man Sportgeräte personalisiert. Die merken das - irgendwie - glaube ich ;-).

  2. 2.

    Es ist schon klasse, welche Forschungsprojekte über den Profisport letztlich in den Amateur- und Freizeitligen ankommen und vor allem auch benachteiligten Menschen eine sportliche Betätigung in Bereichen, die Ihnen vorher verschlossen waren, erst ermöglichen.

    Aber (Lieblings-)Sportgerät(e) zu personalisieren ist völlig ok. Ich hab' den Eindruck, die verstehen das manchmal ;-).

  3. 1.

    Na, dann bleibt zu wünschen, dass es nicht so kommen wird, wie von Peter Gaymann gezeichnet: Dem verdutzt Öffnenden steht ein Elch gegenüber, der ihm den schweren Geschenkesack überreicht. Den Chef dagegen, ´den hat´s da hinten aus der Kurve gehauen.´

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