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Quelle: rbb

An der Tanke in Brandenburg

"Ich möchte mein Steak essen, und mein Hühnchen, tut mir leid!"

Fast jeder kommt mal an der Tanke vorbei. Zwei rbb|24-Reporter sprechen Leute an der Zapfsäule in Brandenburg an und fragen, was sie umtreibt. Heute ein Gespräch über viele Aufreger des Alltags: E-Autos, Vegetarier und Quereinsteiger im Lehramt.


rbb|24 will mit den Gesprächsprotokollen, die "An der Tanke" entstanden sind, Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben die Meinungen der Gesprächspartner wieder.

 

Was mich gerade beschäftigt? Zum Beispiel die Spritpreise, die Strompreise. Ölpreise sind auch nicht gerade gut. Dass mein Kind das Abitur schafft (lacht): Ansonsten - ja, Weihnachten steht vor der Tür. Da sollte man sich langsam mal drauf vorbereiten.

Man guckt wirklich nur noch nach Sonderangeboten. Gut, das Tanken gerade - das war wirklich nötig - ich hatte keinen Sprit mehr.

Sie lacht laut, zündet sich eine Zigarette an und zieht die Jacke etwas weiter zu. Die Temperaturen liegen nur knapp über null.

Ich bin Reinigungskraft. Es bringt Geld, sagen wir so. Ist zwar nur Mindestlohn, aber es ist ein bisschen was. Ich gehe auch nur ein paar Stunden, weil ich gesundheitlich nicht mehr machen kann. Mein Mann verdient - wenn man so will - kein schlechtes Geld.

Aber: Mein Vater hat ein Haus und ein Auto. Wohnt aber im Pflegeheim und kommt nie wieder nach Hause - aber er sieht es nicht ein! Deshalb muss ich jeden Monat für den Pflegeplatz was bezahlen. Nicht gerade wenig. Das sind über 500 Euro im Monat, die mir einfach flöten gehen.

Wir haben auch ein Haus, da ist die Finanzierung noch nicht ganz durch. Da haben wir noch ein paar Jährchen und die Jüngste - sie ist 18, aber sie geht halt noch zur Schule - hat noch keine Ausbildung. Also das kostet auch alles irgendwo Geld.

Ich habe schon immer hier in Dahme gewohnt. Wir haben jetzt unser Häuschen fast schon seit 25 Jahren. Und das soll eigentlich auch so bleiben, solange es möglich ist. Also wir fangen jetzt langsam an daran zu arbeiten, dass es dann mal altersgerecht ist. Dass man sagen kann, ich kann dableiben, auch wenn ich nur noch mit einem Rollator unterwegs bin.

Und das Nächste ist sicher: Wir haben dann zwar ein eigenes Haus, aber irgendwann wird es uns auf die Füße fallen und wir sollen dann eine neue Heizung einbauen, obwohl die alte noch funktioniert. Warum auch immer. Macht keinen Sinn. Meine Ölheizung funktioniert wunderbar!

Ich wüsste aber auch nicht, wo ich sonst woanders hin sollte. Sicher gefallen mir viele Sachen von unserer jetzigen Regierung nicht - also ich finde E-Autos scheiße. Tschuldigung, ist aber so. Sicher, ich fahre nicht so viel, aber wenn ich den Strom kaufen muss, dann kann ich auch an die Tankstelle fahren. Das ist der gleiche Preis. Und so umweltfreundlich ist ein E-Auto auch nicht. Es hat keine bessere CO2-Bilanz als Diesel zum Beispiel.

Sie nimmt hier kein Blatt vor den Mund. Es wirkt, als hätte das dringend mal raus gemusst. Ihre Stimme ist jetzt etwas höher geworden.

Alle quietschen sie, man soll Vegetarier oder Veganer werden. Nee, ich möchte mein Steak essen. Und mein Hühnchen. Tut mir leid.

In jeder Ecke steht, vegetarisch wäre angeblich so gesund. Also ich kenne einige Vegetarier, die ganz viele Nahrungsergänzungsmittel nehmen müssen, weil ihre Blutwerte und alles nicht gepasst haben. Ein Kollege von meinem Mann war drei Jahre Vegetarier. Da hat der Arzt gesagt, entweder isst er jetzt mal wieder ein Stück Fleisch oder wir müssen hier wirklich mit scharfen Sachen schießen, damit er wieder gesund wird. Er isst jetzt wieder Fleisch. Nicht in rauen Mengen, aber es geht im besser. Der Mensch ist nun mal ein Allesfresser.

Sie kommt nun alleine vom Hölzchen aufs Stöckchen - ganz ohne Nachfragen.

Das Nächste: Warum müssen so viele Ausländer hier rein? Ich verstehe es nicht. Und der Fachkräftemangel ist auch hausgemacht. Hätten wir Leute ausgebildet, hätten wir jetzt auch welche. Wir haben jahrelang keine Ärzte, keine Erzieher ausgebildet oder nur ganz wenig. Und jetzt haben sie halt das Problem, dass sie keinen haben. Sicher, es gibt Lehrer-Quereinsteiger, die sind top. Aber es gibt auch welche, die kann man gar nicht gebrauchen.

In der Grundschule haben wir das gemerkt. Wir hatten eine, die hatte angefangen Lehramt zu studieren, hat dann aufgehört. Hat 25 Jahre in einem Museum gearbeitet. Dann hat sie Stationen gemacht - Waldorfschule, Montessori-Schule - wer da drauf steht, soll's gerne machen. Ist mir völlig wurscht. Und dann kam sie zu uns an die Grundschule. Es ging gar nicht. Sie hatte keine Ordnung in der Klasse, nur noch Bambule und die Kinder haben nichts gelernt. Wenn wir uns zu Hause nicht hingesetzt hätten und alles nochmal neu aufgerollt hätten, wäre da gar nichts passiert.

Es fängt an zu nieseln, ihr wird sichtlich kalt. Gleich muss sie wieder ins Auto. Ihre Stimme ist ruhiger geworden. Sie überlegt jetzt länger, bevor sie etwas sagt.

Man kann gerade zu keiner Partei sagen, das ist eine gute Idee oder macht mal so. Die Konzepte sind alle nicht so der Brüller, im Moment. Die sind alle nur auf Öko. Wir müssen die Ukraine unterstützen, wir müssen Israel unterstützen. Wir müssen da, wir müssen da, wir müssen da.

Wir müssen mal bei unseren eigenen Leuten anfangen und nicht bei denen, die meinetwegen jetzt Bürgergeld bekommen - denen geht's gar nicht so schlecht. Doof dran sind die, die jetzt wirklich für Mindestlohn arbeiten gehen. Weil auch die Bürgergeld-Leute, die kriegen ja zum Beispiel die Klassenfahrt vom Amt bezahlt. Also, da kann das Kind mitfahren.

Wir hatten jetzt in der Klasse zwei Eltern, die gehen arbeiten - abgesehen davon, dass sie acht Kinder haben, aber das ist ihr Ding. Die konnten nicht zur Klassenfahrt mitfahren. Obwohl sie beide voll arbeiten gehen. Die haben keine Unterstützung bekommen.

Ich war damals froh, dass ich einen Minijob bekommen habe, weil die Agentur für Arbeit ist mir dermaßen auf den Sender gegangen. Ich habe keine Leistungen bekommen, weil ich aus dem Arbeitslosengeld raus war. Mein Mann hatte in dem Sinne zu viel verdient und ich musste alle vier Wochen antreten und jeden Monat sechs Bewerbungen von mir aus schreiben. Und habe noch jede Woche zwei Vorschläge bekommen, wo ich mich vorstellen musste. Und in einem Umkreis, der eigentlich nicht feierlich ist - das waren über 200 Kilometer am Tag!

Im Moment ist es also nur ein Minijob, es waren auch schonmal drei. Ich hab's auch versucht, mich woanders zu bewerben. Aber die wollen auch nicht alle mehr wie Mindestlohn rausrücken. Wenn ich dann zusammenrechne, was ich am Ende übrig aber, komme ich auch nicht besser raus. Deshalb gehe ich lieber nur meine paar Stunden, habe das sozusagen Cash, das ist auch schön und kann mich um andere Sachen kümmern.

So langsam wird es hier draußen zu kalt zum Sprechen. Sie geht zurück zum Auto und deutet auf den Sticker am Heck.

Zeit für Familie ist eigentlich nur noch am Wochenende. Wir fahren auch mal irgendwo hin. Gerne mal nach Leipzig, die Großeltern von meinem Mann stammen da her. Einmal im Jahr fahren wir dann in den Urlaub. Das gönnen wir uns (lacht). Vierzehn Tage. Und, nicht erschrecken: Wir fahren nach Sylt!

Das Gespräch führte Jonas Wintermantel, rbb|24

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