BND-Zentrale wird eröffnet - Die ersten Agenten ziehen nach Berlin

Mo 31.03.14 | 15:14 Uhr | Von Robin Avram
BND-Zentrale (Quelle: dpa)
Video: Abendschau | 31.03.2014 | Ulli Zelle | Bild: dpa

Die gigantische BND-Zentrale in Berlin-Mitte ist fast fertig. 4000 "Schlapphüte" sollen bald im ehemaligen Niemandsland zwischen Ost und West arbeiten, am Montag zogen die ersten Beamten ein. Ihre Ankunft weckt im Kiez riesige Erwartungen bei Geschäftsleuten – und bringt Verdruss für Mieter, die für den Umzug jetzt schon teuer bezahlen müssen. Von Robin Avram

Mit Radladerschaufeln und Besen verteilen die Bauarbeiter dampfenden Kies über die frisch verlegten Gehwegplatten, immer im Sichtfeld der vier Überwachungskameras. Letzter Feinschliff für das nüchterne BND-Verwaltungsgebäude, in das am letzten Märztag die ersten 170 BND-Beamten eingezogen sind. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) kam dazu eigens, BND-Chef Gerhard Schindler auch. Gibt die offizielle Eröffnung des imposanten Gebäudekomplexes endlich den Startschuss für den Aufschwung im Kiez, der von so vielen herbeigesehnt wird?

Die Gastronome Gabriele und Tina Perschke (Quelle: Robin Avram)
Die Gastromen Gabriele und Tina Perschke hoffen auf den Aufschwung durch zahlungskräftige Geheimdienst-Mitarbeiter.

Kaffee für 80 Cent statt Latte Macchiato

"Ich baue fest darauf!", ruft Gabriele Perschke, die 50 Meter von der Baustelle entfernt am Tresen des "bénéfice café" lehnt. Ihre Tochter nickt nachdenklich. Im heutigen Gastraum des Cafés saßen einst DDR-Zöllner und bewachten den Grenzübergang Chausseestraße. Noch 1989 übersprangen zwei junge Männer hier den Schlagbaum, die Passkontrolleure stoppten die "Republikflüchtlinge" durch Warnschüsse. Seit 2010 bietet die Gastronomin im geschichtsträchtigen Ort gemeinsam mit ihrer Tochter Tina erlesenen Latte Macchiato und Sandwiches an. "Natürlich sind wir hierher gezogen, weil der BND kommt," sagt Mutter Perschke und seufzt.

Denn in dem einstigen Zonenrandgebiet mit den vielen Brachflächen bevorzugen die meisten Bewohner bislang noch den Kaffee für 80 Cent vom Späti. Höchste Zeit also, dass endlich die 4000 BND-Beamten mit ihren sicheren Gehältern einziehen, meint die Gastronomin. "Wenn wir den Verkauf von Kaffeevollautomaten nicht hätten, hätten wir schon wieder schließen müssen," räumt sie ein. Einigen anderen Geschäftsinhabern ringsum sei schon die Puste ausgegangen, berichtet sie – denn obwohl der Aufschwung noch auf sich warten lässt, haben manche Mieten im Kiez bereits kräftig angezogen.

Mietsteigerung von 7,50 auf 12,50 pro Quadratmeter

Das weiß Tochter Tina Perschke aus eigener Erfahrung. Als sie im Mai 2010 in das schön sanierte Gebäude direkt neben dem Café einzog, verlangte der Vermieter noch 7,50 Euro Miete pro Quadratmeter. "Wer jetzt neu einzieht, muss schon 12,50 pro Quadratmeter hinlegen", sagt sie und verzieht die Mundwinkel, hin- und hergerissen zwischen den Chancen und Risiken des BND-Booms, der dem Kiez bevorsteht. Die Gentrifizierung, die in vielen Teilen Berlin stattfindet, sie könnte an der Chausseestraße noch schneller ablaufen als andernorts.

Modell der BND-Zentrale (Quelle: dpa)
Das Modell der BND-Zentrale zeigt, wie verschachtelt der Gebäudekomplex aussieht. | Bild: dpa

Größter Neubau der Nachkriegszeit

Schließlich ensteht hier nicht irgendein neues Gebäude. Hier entsteht der größte Neubau der Nachkriegszeit, in dem ab Anfang 2016 rund 4000 Geheimdienstler arbeiten sollen. 20 Minuten dauert es, um all die Bürohäuser mit den 3.500 Büros zu Fuß zu umrunden. Eine Baufläche, so groß wie 35 Fußballfelder, umzäunt und mit zahllosen Überwachungskameras gesichert. Die Bürohäuser mit den schmalen Fenstern sind nicht unbedingt schön, aber zweckdienlich, meint ein Architekt, der seine A-Klasse mit blinkendem Warnlicht am Straßenrand abgestellt hat, um die Fassade zu fotografieren.

Aufgaben des BND

Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist zuständig dafür, Informationen aus dem Ausland zu beschaffen, die sicherheits- und außenpolitisch relevant sind. Dazu gehören

  • Informationen über Krisengebiete
  • Aufklärung über grenzüberschreitende Terrorgefahren
  • Abwehr von Spionageangriffen
  • Krisenmanagement, wenn Deutsche im Ausland gefährdet sind

Umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen

Ob er von außen bestimmte Sicherheitsvorkehrungen erkenne? Dazu will der Architekt nichts sagen, er steigt schnell wieder in seinen Wagen. Doch man kann davon ausgehen: Die BND-Beamten, die hier bald für die Bundesregierung jeden Monat Berichte über internationale Krisengebiete oder Terrorismus-Gefahren anfertigen, sie sind gut geschützt. Von Kameras auch auf den umliegenden Dächern berichten Anwohner, von Pollern, die in die Chausseestraße eingelassen werden sollen, damit die Zufahrt zum BND blitzschnell gesperrt werden kann. Auch die Tramstrecke entlang des BND-Komplexes wurde umgeleitet. Das ärgert so manchen älteren Bewohner, der nun zu Fuß zum Supermarkt muss. All das kommentiert der BND auf Anfrage nicht.

Wie lebt ein Geheimdienstler im Privaten?

Gegen mehr Sicherheit hat Tarek Lohaus, der durch die Fensterscheibe seines Arbeitsplatzes direkt auf den BND-Klotz schauen kann, in jedem Fall nichts einzuwenden. Erst nach vorherigem Klingeln öffnet der hühnenhafte Modellathlet mit den sanften Gesichtszügen die verschlossene Tür zum Slim-Gym Club. Auch dieses Unternehmen ist eine Wette auf die Zukunft eingegangen - denn der Fitness-Club richtet sich mit Monatsbeiträgen von 70 Euro aufwärts an eine Klientel, die hier noch nicht so häufig anzutreffen ist.

Fitnesstrainer nahe BND-Zentrale (Quelle: Robin Avram)
BND-Beamte möchte ihre Muskeln elektronisch stimulieren lassen - davon ist Tarek Lohaus überzeugt.

"Wer im Beruf viel sitzen muss und wenig Zeit für Sport hat, der ist bei uns richtig", erklärt Lohaus. Auch die Bequemlichkeit der feilgebotenen Fitnessübungen lässt auf die Zielgruppe BND-Beamter schließen. Die Kunden ziehen eine Weste an und werden anschließend per elektrischer Muskelstimulation in einer halben Stunde in Form gebracht. Auch Hosen, Socken, Shirt und Handtuch können die Kunden sich ausleihen, so Lohaus. Aber wollen die 4000 BND-Beamten überhaupt so etwas? Wie lebt ein Geheimdienstler im Privaten? Von der Antwort auf diese schwierige Frage hängt ganz entscheidend ab, wie stark der Aufschwung im Kiez wirklich ausfallen wird.

Der Baustadtrat glaubt nicht an den BND-Aufschwung

"Es könnte ja sein, dass die allermeisten Spione vom Stadtrand aus mit dem Auto zur Arbeit fahren, dann auf dem Gelände bleiben und abends wieder sofort nach Hause wollen", mutmaßt der Baustadtrat des Bezirks, Carsten Spallek (CDU). Er bezweifelt, dass die BND´ler viel Geld in die umliegenden Geschäfte tragen werden. Der BND ist da anderer Meinung, aber selbst die Begründung für diese Annahme dürfen wir nicht zitieren. Alles streng geheim. Der Kiez rund um die Chausseestraße, fährt Spallek fort, werde sich allein schon deshalb wandeln, weil dort zahlreiche Wohnungen neu gebaut werden.

Wohnungsbauprojekt "The Garden" (Quelle: pantera AG)
Das Wohnungsbauprojekt "The Garden" richtet sich auch an BND-Mitarbeiter - wenn auch der gehobenen Gehaltsklasse.

"The Garden" heißt eines dieser Bauprojekte. Nicht weniger als 114 hochwertige Eigentumswohnungen und 7 Häuser mit einem Stadtgarten in der Mitte baut die pantera AG auf einer Brachfläche schräg gegenüber der BND-Zentrale. "Wir haben dabei nicht zuerst an die BND-Mitarbeiter gedacht, die aus dem grünen Pullach nach Berlin ziehen", sagt Michael Ries, Vorstand der pantera AG. Aber die BND-Zentrale und die 4000 neu geschaffenen Arbeitsplätze seien schon ein "wichtiger Mosaikstein" gewesen, diesen Standort zu wählen. Es habe auch schon erste Kontakte zur Personalabteilung des BND gegeben. Vorkehrungen, um die Wohnungen abhörsicher zu gestalten, müsse man nicht treffen, berichtet Ries. Kein Kommentar dazu vom BND.

Der Bau in Zahlen

  • 10 ha Grundstücksfläche
  • 5.200 Räume
  • 4.000 Arbeitsplätze
  • 135.000 m³ Beton
  • 20.000 km Glasfaserkabel
  • 100.000 Umzugskisten

Die Hoffnungen ruhen auf der Bequemlichkeit

Der Baustadtrat jedenfalls zweifelt auch in punkto Wohnen daran, dass die BND-Beamten einen Aufschwung bringen. "Würden Sie direkt gegenüber ihres Arbeitsplatzes wohnen wollen?", fragt Spallek. Zurück im Café von Gabriele und Tina Perschke. Dort betritt ein Mann im Anzug das Lokal. "Ich will nicht stören, komme gleich wieder," sagt er, als er sieht, dass ich mir Notizen mache. Was also, Frau Perschke, wenn der Baustadtrat Recht hat, und die BND-Beamten sich gar nicht hier niederlassen wollen? "Ach wissen Sie," antwortet Gabriele Perschke gelassen, "mein Sohn ist bei der Bundespolizei, daher weiß ich, wie Beamte ticken. Die sind in erster Linie bequem."

Wohnen, essen, trainieren: Wenn das mit der Bequemlichkeit stimmt, dann könnte sich die Chausseestraße im Eil-Tempo verändern.

Hier sitzt die BND-Zentrale

Beitrag von Robin Avram

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