Interview | Arbeitsrechtler zu #AlleFürsKlima - Wann Arbeitnehmer zum Klimastreik dürfen - und wann nicht

Mo 16.09.19 | 19:12 Uhr
Klimaaktivisten demonstrieren am 19.07.2019 im Invalidenpark im Regierungsviertel für das Klima, den Klimaschutz und eine bessere und saubere Umwelt. (Bild: imago-images/Müller-Stauffenberg)
Audio: rbb|24 | 16.09.2019 | O-Ton Ulf Weigelt | Bild: imago-images/Müller-Stauffenberg

Zur großen Klimastreik-Demo #AlleFürsKlima am Freitag sind auch Arbeitnehmer aufgerufen. Arbeitsrechtler Ulf Weigelt erklärt im Interview, unter welchen Umständen man zur Demo gehen kann - und wann eine Teilnahme sogar ein Kündigungsgrund sein kann.

rbb|24: Herr Weigelt, wenn man Arbeitnehmer ist und am Freitag arbeiten muss, unter welchen Umständen kann man dann zur großen Demo fürs Klima gehen?

Ulf Weigelt: Ein Arbeitnehmer kann nicht eigenständig entscheiden – auch wenn der Zweck ein guter ist – gegen 13 Uhr zur Auftaktkundgebung am Brandenburger Tor zu gehen. Er darf hierfür also nicht eigenmächtig den Arbeitsplatz verlassen. Hingehen geht nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Arbeitgebers – und die sollte man sich nach Möglichkeit schriftlich geben lassen.

Was passiert, wenn jemand nicht freigestellt wird und trotzdem einfach zur Demo geht?

Dann hat der derjenige mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen beziehungsweise Maßnahmen zu rechnen. Das kann eine Rüge sein - das ist das relativ softe Mittel. Schlimmstenfalls kann der Arbeitgeber den Angestellten knallhart abmahnen. Und wenn jemand vorher schon angekündigt hat, auch ohne Zustimmung zur Demo gehen zu wollen, dann kann der Arbeitgeber meiner Meinung nach auch über eine fristlose Kündigung nachdenken. Denn da handelt es sich dann um beharrliche Arbeitsverweigerung.

Kann man dem Arbeitgeber, wenn er einen nicht freistellen will, vorschlagen, dass man unbezahlten Urlaub nimmt?

Ja, das kann man machen. Eine unbezahlte Freistellung wäre das dann. Urlaub würde ich da eher nicht ins Spiel bringen, denn Urlaub ist ja ein ganzer Tag und die Demo dauert ja nicht so lang. Man könnte also erst einmal fragen, wie es mit einer unbezahlten Freistellung aussieht. Man kann auch über eine bezahlte Freistellung reden oder über den Abbau von Überstunden. Wer es ganz locker und entspannt haben möchte, der kann versuchen, sich für diesen Tag einen ganzen Urlaubstag zu nehmen.

Wer nah genug am Ort des Geschehens wohnt, kann aber einfach in seiner Mittagspause hingehen…

Das geht durchaus. Dann muss man nur strikt darauf achten, dass die Mittagspause auch vom Zeitumfang eingehalten wird.

Was ist, wenn man sich krank meldet und dann zur Demo geht?

Um Gottes Willen! Da leuten bei Arbeitsrechtlern alle Alarmglocken. Das ist ein Fall für die absolut fristlose Kündigung. Wenn natürlich jemand schon über Wochen mit einem Burn-Out oder einer Depression krankgeschrieben ist, kann derjenige selbstverständlich durchaus an einer Demonstration teilnehmen. Es fördert da ja letztendlich sogar die Genesung, wenn man sich unter Menschen begibt. Wenn aber jemand mit einer Diagnose krankgeschrieben wird, mit der man praktisch im Bett liegen sollte, ist das etwas ganz anderes.

Wenn der Arbeitgeber einem erlaubt hat, zur Demo zu gehen, muss man die Fehlstunden dann nacharbeiten?

Im Arbeitsrecht gibt es ja den ehernen Grundsatz: Arbeitsleistung nur gegen Entgelt, beziehungsweise Entgelt nur gegen Arbeitsleistung. Das steht in einem sogenannten synallagmatischem Verhältnis. Das bedeutet: wer nicht arbeitet, demgegenüber besteht erst einmal auch keine Vergütungspflicht von der Arbeitgeberseite her. Das heißt, es sollte vorher mit dem Arbeitgeber abgeklärt werden, ob es sich bei der Zeit um eine umgangssprachlich so genannte unbezahlte Freistellung handelt. Oder ob dafür Überstunden genommen werden können oder ob der Arbeitgeber so großzügig ist, dafür die normale Arbeitszeit zu berechnen und auch zu vergüten.

Wenn der Arbeitgeber das Unternehmen eigens schließt, damit man zur Demo geht, bekommt man auch Geld für diesen Tag?

Wenn das von betrieblicher Seite so veranlasst wird und das als so etwas wie eine teambildende Maßnahme gesehen wird, dann ist zu vergüten. Es steht aber natürlich jedem frei, ob er zur Demo geht oder nicht. Aber wenn ein Chef die Ansage macht, dass das Unternehmen geschlossen zur Kundgebung gehen soll, dann ist vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch derjenige zu vergüten, der nicht hingeht.

Der Chef kann also niemanden gegen seinen Willen zwingen, an einer Demonstration teilzunehmen?

Nein. Wer in den Kreis derjenigen Arbeitnehmer gehört, deren Team oder Filiale komplett geschlossen wird, hat ja nicht die Möglichkeit zu arbeiten. Dann steht es demjenigen frei, an der Veranstaltung teilzunehmen – oder auch nicht. Alle müssen dann vergütet werden, keiner darf da vom Arbeitgeber sanktioniert werden. Wer SUV-Fan ist, und freigestellt wird, kann auch mit seinem SUV herumfahren in der Zeit.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sabine Prieß, rbb|24

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