Kritik am Vorgehen des Geheimdienstes - Streit um bislang unbekanntes Amri-Video des BND

Do 03.10.19 | 15:01 Uhr
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Der LKW, mit dem der Islamist Anis Amri am 20.12.2016 einen Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz verübt hat, steht inmitten der Buden (dpa/Bernd von Jutrczenka).
Audio: rbb 88,8 | 04.10.2019 | Miriam Keuter | Bild: dpa/Bernd von Jutrczenka

Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri hat seinen Anschlag offenbar wenige Wochen vorher per Video angekündigt. Nach Informationen von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung (SZ)" hat ein ausländischer Geheimdienst dem BND das Material übermittelt.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist offenbar in Besitz eines bislang unbekannten Drohvideos des Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri. Recherchen von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung (SZ)" zufolge soll die rund elf Sekunden lange Aufnahme im November 2016 entstanden sein, also nur wenige Wochen vor dem Terroranschlag auf den Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 mit zwölf Toten.

In dem Video, das wohl mit einem Mobiltelefon aufgenommen wurde, droht Amri demnach mit Attentaten. "Oh Allah! Diese Schweine, kommen wir zu ihnen, um sie zu enthaupten!", soll der Terrorist im Video auf Arabisch sagen. Er halte dabei eine Pistole in der Hand, bei der es sich nach Einschätzung des BND um jene Waffe handeln soll, mit der Amri später den polnischen Lkw-Fahrer Lukasz U. erschoss, bevor er dessen Sattelschlepper entführte.

Hintergründe bislang unklar

Den Recherchen zufolge soll das Drohvideo dem BND von einem ausländischen Geheimdienst übermittelt worden sein. Um welchen Dienst es sich handelt und wann dieser an die Aufnahme gelangte, dazu wollte sich der BND nicht äußern. "Wir möchten darauf hinweisen, dass sich er Bundesnachrichtendienst zu operativen Aspekten seiner Arbeit und etwaigen Erkenntnissen grundsätzlich nur gegenüber der Bundesregierung und den zuständigen geheim tagenden Gremien des Deutschen Bundestages äußert", sagte eine Sprecherin der Behörde auf Anfrage von WDR, NDR und SZ.

Unterschiedliche Angaben: Wer kannte das Video?

Nach Recherchen von WDR, NDR und SZ ist das Video des späteren Attentäters vom November 2016 nicht Teil der BKA-Ermittlungsakte. Demnach habe der BND die Strafverfolger im März 2017 über die Existenz der Aufnahme in Kenntnis gesetzt. Eine Verwendung für weitere Ermittlungen sei jedoch auf Wunsch des ausländischen Geheimdienstes untersagt worden.

Informationen der dpa aus Sicherheitskreisen widersprechen allerdings dieser Darstellung: Das von Amri vor der Tat aufgenommene Video liege nicht nur dem Bundesnachrichtendienst, sondern auch dem Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für Verfassungsschutz vor.

Auf den beiden Mobiltelefonen von Amri, die nach der Tat ausgewertet wurden, stellten die Ermittler mehr als 12.000 Dateien sicher. Das besagte Video soll sich allerdings nicht darunter befinden.

Kritik aus dem Untersuchungsausschuss

Das Bekanntwerden eines neuen Videos des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri hat im Untersuchungsausschuss des Bundestages zu der Tat erheblichen Unmut hervorgerufen. Obleute von FDP und Grünen kritisierten am Donnerstag das scheibchenweise Publikwerden von Informationen zu dem Fall.

"Nicht die volle Wahrheit zu sagen, bleibt auch eine Form der Unwahrheit", sagte der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser der dpa. Die Aufklärungsarbeit werde so bewusst erschwert und verzögert. Die FDP wüsste etwa gerne: Ist das ein Selfie-Video oder hat es ein Komplize aufgenommen? Und hat sich der BND bei dem ausländischen Nachrichtendienst, von dem er das Video bekommen haben soll, überhaupt um eine Freigabe für die Ermittlungsakten bemüht?

Auch die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic ärgert sich über die Taktik, mit der Informationen zu dem Fall stückweise bekannt werden. Das Video stelle die offizielle Chronologie der Bundesregierung zu dem Anschlag und den anschließenden Ermittlungen infrage, sagte sie der dpa. "Wir warten bis heute auf den Zugang zu Daten von Amris Handy." Unter einem so unvollständigen Wissensstand leide zwangsläufig auch die Qualität der Fragen an die Zeugen, die der Ausschuss vernehme.

Tatortvideo warf Frage nach Unterstützern vor Ort auf

Erst im Sommer hatte ein bislang ebenfalls unbekanntes Tatortvideo vom Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz für Aufsehen gesorgt. rbb|24 berichtete darüber exklusiv. Das 34 Sekunden lange Video wurde unmittelbar nach dem Anschlag von einem gegenüberliegenden Haus aus aufgenommen und zeigt wie sich etwa ein halbes Dutzend Personen Sekunden nach dem Attentat aus unterschiedlichen Richtungen auf den zum Stillstand gekommenen Lkw zubewegt. Der Clip warf erneut die Frage auf, ob Amri vielleicht doch Unterstützer vor Ort hatte, die ihm auf seiner Flucht vom Breitscheidplatz geholfen haben. Die Ermittler waren bislang von einem Einzeltäter ausgegangen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 02.10.2019, 19 Uhr

15 Kommentare

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  1. 15.

    GG steht für Grundgesetz, das ist allgemein übliche Abkürzung. Aber wenn man sich "Basisdemokrad" nennt, dann zeugt das von Unwissenheit. Und das nicht nur wie man Demokrat schreibt.

    Das ist aber schon alles was ich zu ihrer Melange aus Querfront- und Reichsbürgergebrabbel schreiben will.

  2. 14.

    Was meinen Sie mit "GG"? Sollte das Kürzel für Grundgesetz stehen, können Sie sich zurücklehnen! Alles was dieses Gesetz verboten oder unmöglich gemacht hat, wird und wurde nie von Geheimdiensten eingehalten. Die neueste politische Direktive der BRD scheint aber zu sein, alles mit neuen Polizei- und Geheimdienst-Gesetzen außer Kraft zu setzen, damit die Behörden in Zukunft nicht dagegen verstoßen! In Sachen "Horch und Kuck", stand die Stasi dem schon immer hinterher! Inzwischen sind die Sendungen des öffentlich rechtlichen Fernsehen, über die Stasi, nur noch purer Hohn, angesichts der nie aufgearbeiteten Polizei und Geheimdienst Aktivitäten der BRD!

  3. 13.

    "Kurz vor dem Anschlag wurde Amri von den Behörden vor allem als Drogenhändler im Görli angesehen. schreibt Forist Neumann.
    Falls dies stimmt, kann man der grünen Bezirksbürgermeisterin Hermann eine gewisse Zureichung, wenn auch sicherlich unbeabsichtigt, nicht absprechen.

    https://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/kontraste-bericht-monika-herrmann-verteidigt-dealer-im-goerli/24984184.html

  4. 12.

    "Mehr als 12.000 Dateien gesichert" – klingt dramatisch und nach langer, aufwendiger Auswertung, sind aber vermutlich weitgehend irrelevante Dateien des Smartphone-Betriebssystems oder Dateien des Browser-Caches und nicht alles, wie suggeriert, Nutzer-Dateien (Photos, Dokumente, Downloads).

    "Wir warten bis heute auf den Zugang zu Daten von Amris Handy." – Ein Forensiker kann auch eine so große Dateimenge innerhalb von Minuten vorkategorisieren und eine grobe Einschätzung der Relevanz abgeben. Verzögerungen liegen sicher nicht an Datenmenge.

  5. 11.

    "Bislang deutet nichts darauf hin, dass deutsche Stellen schon damals die Videoaufnahme von November 2016 kannten." erschient mir ein wichtiger Satz im Artikel der SZ zu sein. Kurz vor dem Anschlag wurde Amri von den Behörden vor allem als Drogenhändler im Görli angesehen.

  6. 10.

    Da stinkt nichts...

    Business as usual... Amri wurde vom BND und untergeordneten Stellen an der "langen Leine" gelassen, um ihn "abschöpfen" zu können. BND V-Leute waren immer in der Nähe. Bis etwas fürchterlich schief gelaufen ist.

    Wir brauchen einen radikalen Umbau unserer Geheimdienste, die außerhalb der Gesetze des GG "arbeiten".

  7. 9.

    Hier werden die Ereignisse auf der Zeitachse für die Beurteilung auf Verschleierung relevant sein.

    Soweit ersichtlich, hat der BND das BKA im März 2017 über die Existenz der Aufnahme informiert. Er habe sich aber geweigert, das wohl mit einem Handy aufgenommene Video zu den Ermittlungsakten zu geben.
    Das ist in der Tat merkwürdig, weil die nach März 2017 tagenden diversen Untersuchungsausschüsse wohl auch keinen Schimmer über die Existenz des Videos gehabt haben.

  8. 8.

    Nicht nur ausländische Geheimdienste warnten zuvor vor Amri, sondern auch der Verfschutz NRW....
    warum wurde erst 3 Stunden nache dem Terroranschlag von der Berliner Polizei eine Fahndung eingeleitet?....Die Sache stinkt gewaltig!....

  9. 7.

    Schlimmer geht's nimmer... Mehr darf man heute sowieso nicht schreiben. Wahrheiten wurden schon immer verschwiegen. ...das Volk nicht verunsichern - wohl eher für blöd halten.

  10. 6.

    Super, Ziel des Artikels erreicht? Vier Beiträge, die schon Verschwörung wittern, obwohl im Artikel klar steht, dass überhaupt nicht klar ist, wann deutsche Behörden das Video erhalten haben. Wenn der ausländische Geheimdienst das Video erst nach dem Anschlag übergeben hat, dann ist es schlicht wertlos und bringt nicht eine einzige neue Erkenntnis. Solche Artikel wie hier sind wertlos und leider BILD-Niveau, definitiv aber nicht das, was ich von investigativem, öffentlich-rechtlichem Journalismus erwarte.

  11. 5.

    Man wird unter dieser Regelung scheinbar bei bestimmten Angelegenheiten seit 2015 systematisch belogen.
    Oder es wird zumindest vertuscht.

  12. 4.

    Mal sehen, wie lange es noch funktioniert, das Lügen, Verschleiern und Desinformieren.

  13. 2.

    Glauben Sie wirklich, dass man uns, dem Volk, auch nur annähernd die Wahrheit in diesem Fall sagen würde? Schäuble sagte damals schon, dass man nicht alles sagen sollte, weil das die Bevölkerung verunsichern würde. Die Kanzlerin pfiff ihn zurück. Soviel zu unseren leider gewählten Volksvertreter, die eigentlich uns schützen sollten! Haben sogar ihren Amtseid darauf abgegeben. Aber der ist hier nichts mehr wert!

  14. 1.

    Was wird uns in diesem Fall noch alles verschwiegen???? Bitte endlich die volle Wahrheit auf den Tisch!

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