Schreiben von Busse an Landesschulbeirat - Berliner Bildungssenatorin bedauert Äußerungen über arabischstämmige Menschen

Do 02.06.22 | 12:22 Uhr
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Archivbild: Astrid-Sabine Busse (SPD), Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie. (Quelle: dpa/B. Pedersen)
Bild: dpa/B. Pedersen

Zwölf Jahre nach Äußerungen über arabischstämmige Menschen steht die Berliner Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse in der Kritik. In einer Stellungnahme bedauert sie nun ihre Worte - und distanziert sich von Thilo Sarrazin.

Die Berliner Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) hat lange zurückliegende Äußerungen über arabischstämmige Menschen in Berlin bedauert. "Meine Absicht war niemals, Menschen abzuwerten, geringzuschätzen, über einen Kamm zu scheren oder pauschal in Gruppen einzuteilen", teilte Busse dem Landesschulbeirat in einem dreiseitigen Schreiben mit, das dem rbb vorliegt. Zuvor hatte der "Tagesspiegel" [Bezahlinhalt] berichtet.

Busse war vor ihrem Einstieg in die Politik Ende 2021 jahrzehntelang Schulleiterin in einer Grundschule mit hohem Migrantenanteil in Neukölln. In dieser Funktion wurde sie im November 2009 von der "Süddeutschen Zeitung" mit Äußerungen über arabischstämmige Menschen in Berlin zitiert: "Sie bleiben einfach untereinander. Man muss sich hier ja auch gar nicht mehr integrieren. Man nimmt das Viertel in Besitz, und man lässt sich pampern. Ich sehe doch an den Bescheiden für Lernmittelzuschüsse, wie viel Geld in Wahrheit in diesen Familien ist, alles Sozialhilfe; wenn da viele Kinder sind, ergibt das 3.000, 3.500 Euro."

"Das tut mir aufrichtig leid"

Der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin, der wegen seiner antimuslimischen Thesen inzwischen aus der SPD ausgeschlossen wurde, griff Busses "SZ"-Zitate in seinem umstrittenen Buch "Deutschland schafft sich ab" auf. Die Bildungssenatorin erklärte dazu in ihrer Stellungnahme an den Schulbeirat, Sarrazin habe sie ohne ihr Wissen verwendet. Sie distanziere sich ausdrücklich von dessen rassistischen, realitätsfernen und menschenverachtenden Thesen.

"Wenn ich als Schulleiterin von Medien gefragt wurde, habe ich die Umstände und Erfahrungen aus meiner praktischen Arbeit immer mit der Absicht beschrieben, wachzurütteln - auch die Politik", erläuterte Busse. Ihr Ziel sei gewesen, alle an Erziehung und Bildung Beteiligten zusammenzubringen, um gemeinsam Lösungen zu suchen. "Dass meine damaligen Formulierungen als Schulleiterin nicht glasklar und eindeutig waren - und deshalb von Herrn Sarrazin missbraucht werden konnten - tut mir aufrichtig leid", erklärte sie weiter.

"Ich habe über mein konkretes Erleben an der Schule und in ihrem sozialen Einzugsgebiet gesprochen", betonte Busse. "Dies habe ich auch immer in dem Wissen getan, dass wir als Land und als Gesellschaft noch nicht die richtigen Wege und die richtig Ansprache gefunden hatten, um deutlich zu machen, dass gelingende Integration keine Einbahnstraße ist." In diesem Bereich habe sich seit 2009 zum Glück viel getan.

Busses Äußerungen hatten Ende April Diskussionen ausgelöst, als die Autorin und Charlottenburger SPD-Lokalpolitikerin Anne Rabe auf Twitter darauf hinwies: "Huch. Die Berliner Bildungssenatorin Astrid Busse als Kronzeugin für Sarrazins rassistische Thesen?" Rabe legte später nach: "Mich überrascht, dass so jemand in unserer Partei Bildungssenatorin werden kann." Die frühere Staatssekretärin und SPD-Politikerin Sawsan Chebli twitterte: "Die Bildungssenatorin hat nie verborgen, welches Bild sie von Arabern und Muslimen hat. Wir sind alle potenziell gefährlich, radikal, faul."

Sendung: rbb24 Abendschau, 02.06.2022, 19:30 Uhr

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53 Kommentare

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  1. 53.

    Ja Herr Jan. Selbstverständlich werden Sie geknechtet. So war das ja immer schon in diesem Land. Wenn man einfach mal rassistische, chauvinistische "Meinungen" sagen will, kommt gleich jemand und sagt: Das ist keine Meinung. Das ist schlechter Charakter. Da kann man Ihnen halt nicht helfen. Die reaktionäre Rechte ist ja in Deutschland schon immer soooooo schlimm geknechtet worden. Es kommen einem die Tränen.

    Die Lösung liegt in der Arbeit die Sie selbst zu leisten haben: Der Einwanderer ist nicht pauschal Araber-Clan, bildungsfern, zockt nicht Sozialhilfe ab. Wenn eine Bildungssenatorin so einen strukturell selbstverständlichen Rassismus, Chauvinismus und Klassenhass äussert - zumal als SPD - dann mag das ihre und Ihre sogenannte "Meinung" sein. Niederträchtiges Klischee bleibt es dennoch. Also beschweren Sie sich nicht, wenn Sie dafür Quittung und Gegenwind bekommen.
    Von mir. Der ich nicht Regierung bin. Ist nicht besonders schwer.

  2. 52.

    Um festzustellen, wie die Deutschen und die Migranten mit dem Thema Integration und Vorurteile auf beiden Seiten umgehen, würde doch eine jährlich erscheinende wissenschaftlich fundierte Analyse viele Fragen beantworten, vergleichbar wie viele veröffentlichte Zahlen und Fakten zur Politik, der Wirtschaft und Bezügen gesellschaftlichen Lebens. Es wäre doch wichtig anhand von Kennzahlen, Ereignissen und Tendenzen aufzuklären, wohin sich unsere Gesellschaft bewegt, wenn bestimmte Einflüsse sich verstärken oder abschwächen.

  3. 51.

    Ohne weder Sarrazin oder auch Frau Busses früheren Äußerungen vollumfänglich zuzustimmen, bleiben genügend unbeantwortete Fragen zu dieser Thematik, bei denen sich sowohl belehrende Politiker und die Fans einer bedingungslosen Zuwanderung, in wiederkehrenden Phrasen ergießen oder sich bei akuten Problemen totstellen. Offensichtlich jedoch erwartet man, daß sich durch ein Verschweigen oder Verharmlosen irgendwann die Probleme von selbst lösen oder daß sich die Einheimischem irgendwann daran gewöhnt haben und sich die Formulierung, "das war schon früher so", selbst rechtfertigt.

  4. 50.

    Sie gehören offenbar keiner Minderheit oder als Minderheit gelesenen Personengruppe an? Dann würde ich Ihnen raten, nicht über Sorgen von Menschen zu urteilen, die Sie nicht nachvollziehen können. Als deutsch gelesener Mann hat man in dieser Gesellschaft alle Chancen, seien Sie froh darüber. Dieses leichte Leben haben nicht alle Deutschen. Denn der innerdeutsche Rassismus schaut sehr genau hin, wer "wirklich" dazu gehört!

  5. 49.

    Was für Außenstehende ohne Diskriminierungserfahrungen oft leider schwer zu verstehen ist: jemand, der z. B. immer wieder gefragt wird, wo er herkommt trotz Aufwachsen in diesem Land und sich deshalb immer wieder erklären oder rechtfertigen muss, lernt irgendwann, dass es auch Gruppen gibt, in denen einem dies nicht geschieht oder wo man herzlich aufgenommen und akzeptiert wird. Viele Probleme der Abwendung vom mehrheitlich dt. Umfeld kommt von bewusstem oder unbewusstem Rassismus durch Deutsche

  6. 48.

    Es ist traurig zu lesen, wieviele Menschen hier in den Kommentaren den Aussagen von Busse schlicht zustimmen statt diese kritisch zu hinterfragen. Aber das ist bei diesem Klientel wohl nicht der übliche Weg des Denkens. Selbst, wenn Frau Busses Aussage in Einzelfällen stimmen mag, gilt dies genauso bzw. sogar zu größerem Anteil für die "ursprünglich" deutschen Arbeitslosen in diesem Land. Denn davon gibt es einfach viel mehr. Man sollte niemals alle über einen Kamm scheren. Das ist nur dumm.

  7. 47.

    Es ist doch viel einfacher, Probleme totzuschweigen und alle, die sie benennen, mit allen Mitteln auszugrenzen.
    Solange wir aber Probleme nicht benennen und exakt beschreiben (dürfen), werden wir sie auch nicht lösen können.
    Selbstverständlich gibt es auch Migranten, die sich gut integriert haben. Was ich allerdings vermisse, ist eine Ansage an ihre Landsleute (habe ich vielleicht nur nicht mitbekommen)? Aber jemand wie z.B. Frau Chebli oder Herr Saleh könnten da ja auch mal Klartext sprechen.

  8. 46.

    Das hier genannte Zitat von Frau Busse ist doch vollkommen in Ordnung und entspricht doch auch in Berlin in vielen Teilen die gelebten Realität. Es ist doch gut, das es mal ausgesprochen wird. Die Frage ist doch nur, wie gehen wir jetzt Integration an? Und nur darüber sollte man diskutieren bevor alle gut gebildeten Eltern weg gezogen sind aus den Problemkiezen. Das umfasst explizit nicht die Meinung von Herrn Sarazzin.

  9. 45.

    Die Frau hat das ja offenbar damals so gesehen und ehrlich einen Missstand benannt, den sie aus erster Hand erleben durfte.
    Ist immer schade, wenn ein Protestlüftchen einiger weniger im Internet (habe ich hier zufällig "Twitter" gelesen?) heute immer gleich dazu führt, dass Menschen sich von irgendetwas distanzieren müssen.
    Andererseits könnten diese Menschen ja auch dazu stehen und sagen: "Habe ich damals so gesehen und auch so gemeint, wofür soll ich denn jetzt Abbitte leisten?"

  10. 44.

    Schaaaade.
    Dabei bemühe ich mich doch so sehr, genau DAS zu tun.

  11. 41.

    Warum ist es denn so wichtig, in Deutschland zwischen den Zeilen lesen zu können ? Was machen denn alle die, die nicht über einen gewissen Verstand und diese Fähigkeit verfügen ? Ich persönlich scheitere schon regelmäßig an den Aussagen des Kanzlers !

  12. 40.

    Ich entschuldige mich jetzt schon vorsorglich, für dass, was ich noch gar nicht gesagt habe.

  13. 39.

    Ihre Aussage stimmt.

  14. 38.

    Was mir nicht einleuchtet: Gibt es neuerdings eine Pflicht sich zu distanzieren, wenn mich jemand zitiert, der in der Öffentlichkeit als Persona non grata angesehen wird? Gibt es diese Art von Sippenhaft neuerdings tatsächlich?
    Wenn das so sein sollte, warum? Und wäre das nicht der eigentliche Skandal?

  15. 37.

    Tja, da man merkt, dass es mit der Multi - Kulti - Gesellschaft nicht klappt, wird eine neue These erfunden: Es gibt keine von Traditionen geprägte kulturelle Unterschiede mehr, und basta.

    So verstehe ich diesen Kommentar.

  16. 36.

    Lieber Markus2,
    darf ich mich im Kino zu Ihnen setzen? Ich bringe das Popcorn mit...

  17. 35.

    "Sie bleiben einfach untereinander. Man muss sich hier ja auch gar nicht mehr integrieren. Man nimmt das Viertel in Besitz, und man lässt sich pampern. Ich sehe doch an den Bescheiden für Lernmittelzuschüsse, wie viel Geld in Wahrheit in diesen Familien ist, alles Sozialhilfe". Sagt mein Bekannter auch. Der ist Lehrer an einer Berliner "Brennpunktschule".

  18. 34.

    Dürfen Sie, aber nur die Richtige.

    Seit Jahren, werden bei Problem- und Gewaltsituationen Synonyme wie Partyszene, die Jugendlichen, Gruppe junger Männer... verwendet um den mind. Migrationshintergrund zu benennen, ohne ihn zu benennen. Seit Jahren wird verallgemeinert und diskriminiert, anstatt endlich Probleme anzugehen und die Situation für alle zu verbessern, scheint aber wenn der Eindruck erweckt werden soll das es Deutsche sind, kein Problem zu sein.

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