Ausfälle bei Verkehrsunternehmen - Finanzierung des 49-Euro-Tickets weiter nicht ganz geklärt
Für 49 Euro im Monat sollen Bürger:innen im kommenden Jahr den öffentlichen Nahverkehr bundesweit nutzen können. Für die Verkehrsunternehmen bedeutet das deutlich geringere Einnahmen. Strittig ist, wer diese ausgleicht. Von Andreas B. Hewel
Jeden Morgen sieht Martin Grießner, der Geschäftsführer der Regiobus Potsdam-Mittelmark GmbH, fast 170 Busse in Bad Belzig vom Hof fahren. 454 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen dafür, dass quer durch den Landkreis Potsdam-Mittelmark Fahrgäste befördert werden, die meisten von ihnen nach Potsdam und zurück.
Potsdam ist die benachbarte kreisfreie Stadt - und das ist wichtig für den Fahrpreis. Denn ein Abonnement, das über einen Landkreis hinaus geht, ist deutlich teurer als ein Abonnement, das nur für Fahrten innerhalb des Landkreises gilt. Und deutlich teurer auch als 49 Euro, die jetzt zum Start im Jahr 2023 das sogenannte Deutschlandticket kosten soll. Diese Differenz zwischen 49 Euro und den heutigen Abo-Kosten aber müsste der GmbH ersetzt werden, wenn sie mit dem Deutschlandticket klarkommen soll. "Wir werden sehr viel Kompensation brauchen", befürchtet Martin Grießner.
Zuerst sind oft die Landkreise in der Pflicht
13.000 Abonnentinnen und Abonnenten hat Regiobus derzeit. Darunter auch Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende. Als im Sommer für drei Monate das Neun-Euro-Ticket eingeführt wurde, bekam Regiobus 1,1 Millionen Euro als Ausgleich. Wie hoch der Ausgleich jetzt sein müsste, kann Grießner noch nicht genau berechnen - aber es wird viel sein. "Es wird Mindereinnahmen in Größenordnungen geben", so Grießner. "Ich wage noch nicht abzuschätzen, wie diese Mindereinnahmen aussehen. Ich habe aber die Befürchtung, dass die drei Milliarden Euro, die durch Bund und Länder zur Verfügung gestellt werden, nicht ausreichen werden, die Verluste auszugleichen."
Wenn das Geld nicht reicht, wird sich Martin Grießner an den Landkreis wenden, denn der ist der Gesellschafter des Bus-Unternehmens. Schon heute zahlt der Landkreis zwei von drei Euro der Ticketkosten. Nur jeder dritte Euro des fast 36 Millionen Euro umfassenden Gesamtumsatzes im Jahr wird durch den Fahrpreis erwirtschaftet.
Fehlt also durch das Deutschlandticket Geld in der Kasse, wird Martin Grießner dem Landkreis aufzeigen, wieviel Bustransport noch möglich ist. "Dann wird der Landkreis sich über unser Angebot unterhalten", sagt Grießner gegenüber rbb24 Brandenburg aktuell. "Dann drohen auch Abbestellungen des ÖPNV." Buslinien müssten ausgedünnt werden, weil man sie so billig nicht realisieren kann. Noch aber hofft Grießner auf eine Einigung für die Finanzierung zwischen dem Bund und den Ländern.
Verkehrsunternehmen fordern Garantien vom Land
Beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) Ost macht man sich bundesweit Sorgen über die Finanzierung des Deutschlandtickets. In einem offenen Brief unter anderem auch an den Brandenburger Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) mahnen sie, das Deutschlandticket sei nicht vollständig ausfinanziert. "Die Länder selbst haben gesagt: Wir brauchen 4,1 Milliarden Euro im Jahr 2023", rechnet Werner Faber vom VDV Ost vor. "Und drei Milliarden sind jetzt klar: 1,5 Milliarden Euro vom Bund und 1,5 Milliarden von den Ländern. Fehlt gut eine Milliarde. Das bedeutet zum Beispiel für das Land Brandenburg, dass das rein rechnerisch etwa 50 Millionen Euro zu wenig sind." Die Länder hätten mit dem Bund schlichtweg zu schlecht verhandelt, klagt Werner Faber. Das aber müsse dringend geklärt werden, bevor das Deutschlandticket komme.
Dass die Landkreise befürchtete Defizite der Verkehrsunternehmen ausgleichen können, glaubt Faber nicht. Das Land sei hier in der Pflicht. "Wenn wir das 49-Euro-Ticket haben wollen, müssen die Verkehrsunternehmen die entsprechenden Ausgleiche bekommen. Der Ausgleich ist nun zu gering verhandelt worden zwischen Bund und Ländern. Also brauchen wir das Land, das einspringt als Garantie und sagt: Wir gleichen in jedem Fall das Risiko, das die Verkehrsunternehmen haben, aus."
Der Ball wird weitergespielt an den Bund
Das Land Brandenburg aber will sich so leicht die Kosten nicht überhelfen lassen und spielt den Ball weiter an den Bund. "Das ist ein Projekt, das vor allem vom Bund aus angeschoben wurde. Und der Bund ist hier in der Finanzierungsverantwortung", moniert Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU).
Das Deutschlandticket selbst begrüßt Beermann, höhere Mehrkosten als vereinbart allerdings will er dafür nicht tragen. Das Land fördere den ÖPNV deutlich, betont Beermann. Allein zum Fahrplanwechsel im Dezember werde das Nahverkehrs-Angebot auf der Schiene um 30 Prozent ausgeweitet - eine enorme Kraftanstrengung des Landes. Das alles koste schon für sich Geld, mehr sei nicht zu stemmen.
So hofft Beermann noch auf eine Verhandlungslösung. Beim Nahverkehr gehe es um Grundsätzliches, sagt er. "Der Öffentliche Personennahverkehr gehört zur Daseinsfürsorge und ist hier ein wichtiger Bestandteil, der aufrechterhalten werden muss, um die Mobilität der Menschen in Brandenburg zu gewährleisten."
Bund bleibt derzeit hart
Der Bund aber will sich derzeit nicht auf höhere Zuschüsse aus der Bundeskasse einlassen. Die Einigung mit den Ministerpräsidenten, dass der Bund wie die Länder insgesamt jeweils 1,5 Milliarden Euro zuschießen, war ja gerade erst ausgehandelt worden.
Dennoch es ist nur schwer vorstellbar, dass das Deutschlandticket auf der Ziellinie noch scheitern könnte. Die nächste Chance für eine Lösung gibt es Ende November. Dann treffen sich die Verkehrsministerinnen und -minister der Länder erneut, um mit dem Bund zu verhandeln.
Sendung: rbb24 Inforadio, 15.11.2022, 17:30 Uhr