2021 in Berlin eingerichtet - Neues Behindertenparlament tagt erstmals im Abgeordnetenhaus

Sa 03.12.22 | 14:53 Uhr
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Menschen mit Behinderungen sitzen während des Behindertenparlaments im Abgeordnetenhaus (Bild: dpa/Annette Riedl)
Video: rbb24 Abendschau | 03.12.2022 | Bild: dpa/Annette Riedl

Um Menschen mit Behinderung mehr Möglichkeiten zur Mitsprache zu geben, ist 2021 ein Behindertenparlament eingerichtet worden. Am Samstag traf es sich erstmals da, wo auch sonst regelmäßig politische Forderungen diskutiert werden.

Das Berliner Behindertenparlament (BBP) ist am Samstag zum ersten Mal im Abgeordnetenhaus zusammengekommen. Rund 100 Menschen mit Behinderungen waren anwesend. AGH-Präsident Dennis Buchner (SPD) sagte zum Auftakt, mit der ersten Sitzung im Plenarsaal des Hauses werde auch ein kleines Stück Geschichte geschrieben. "Für Berlin ist es ein tolles Zeichen, dass sich hier so viele Menschen füreinander und miteinander engagieren."

Nach Bremen ist das Berliner Behindertenparlament die zweite landesweite Versammlung von Menschen mit Behinderungen. Es war 2021 gestartet, die erste Parlamentssitzung war coronabedingt aber nur digital möglich.

"Für Berlin ist es ein tolles Zeichen"

Zuhören sei das Wichtigste, um den Wünschen von Menschen mit Behinderung gerecht zu werden, betonte Buchner zu Beginn der Sitzung. "Berlin ist die Stadt der Vielfalt und will für alle Berlinerinnen und Berliner eine lebenswerte Metropole sein", so Buchner. "Inklusion muss aus diesem Grund eine Selbstverständlichkeit werden. Deshalb ist es für uns als Parlamentarierinnen und Parlamentarier wichtig zu wissen, was Menschen mit Behinderung erwarten und fordern."

Dominik Peter aus dem Präsidium des Behindertenparlaments sagte, der Initiator der Idee, Christian Specht, sei anfangs belächelt worden, sei seinen Weg aber unbeirrt weitergegangen. Inzwischen ist Specht Präsident des Behindertenparlaments. Für ihn sei endlich ein Traum in Erfüllung gegangen, sagte Specht am Samstag.

Kritische Fragen beleuchtet

Bei der Sitzung am Samstag saß AGH-Präsident Dennis Buchner an seinem üblichen Platz im Landesparlament. Anders als sonst stand aber diesmal eine Gebärdendolmetscherin schräg vor ihm. In der ersten Reihe der Plätze im Plenarsaal waren gleich mehrere Mitglieder des Behindertenparlaments im Rollstuhl zu sehen.

Als Vertreter der Landesregierung waren Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke), Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) und Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) anwesend, aber auch eine Reihe weiterer Vertreter der Senatsverwaltungen. Die Senatsmitglieder stellten sich im Gremium den kritischen Fragen: etwa, ob es nicht mehr Unterstützung für Menschen mit Behinderung bei der Suche nach einem Arbeitsplatz geben könne oder wie sich sicherstellen lasse, dass bei der Einführung des 49-Euro-Tickets im nächsten Frühjahr Busse und Bahnen nicht so voll werden, dass Behinderte keinen Platz mehr haben.

Es ging auch um Details wie den Eigenanteil bei den Kosten für die Nutzung von Inklusionstaxis, oder um große Themen wie ein Mobilitätskonzept, das den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen gerecht wird. Die Senatsmitglieder standen Rede und Antwort, äußerten meist Verständnis für solche Anliegen und verwiesen - wie sonst auch - häufig darauf, dass die Umsetzung auch guter Ideen oft viel Zeit brauche.

Das Berliner Behindertenparlament vertritt die Interessen von Menschen mit Behinderungen gegenüber der Politik und Behörden. Sogenannte Fokusgruppen erarbeiten Anträge zu wichtigen behindertenpolitischen Anliegen. Sie werden einmal im Jahr im Behindertenparlament diskutiert und abgestimmt. Die beschlossenen Anträge werden dann an die Senatsverwaltungen übergeben - mit der Forderung, sie umzusetzen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 03.12.2022, 19:30 Uhr

30 Kommentare

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  1. 30.

    "Vielleicht sind wir tatsächlich rücksichtsloser und egoistischer geworden und wollen mit Randgruppen nicht in Berührung kommen."

    Dieses Gefühl habe ich auch. Und es sind nicht wirklich nur die einschlägigen Marktliberalen, die zwischen ´voll Verwendbaren´ und ´teilweise Nicht-Verwendbaren´ unterscheiden, sondern wie es scheint auch junge Menschen, die sich völlig verdutzt die Augen reiben, dass jemand ihr Weltbild einer perfekt zu funktionierenden Gesellschaft grundsätzlich infragestellt. So, als hätten sich Stalinisten und Nationalsozialisten bei allen Unterschieden nicht genau in diesem Punkt getroffen.

  2. 29.

    Abfälliger gehts ja wohl nicht mehr. Wie würden sie es z.B. empfinden, wenn ihnen jemand vorschläge ihre Wohnung/Haus mit Gummi zu tapezieren?

  3. 28.

    Und auch hier liest man tatsächlich Diskriminierung in den Kommentaren. Relativierer erkennt man immer daran, dass es in ihren Augen immer etwas Wichtigeres gibt, als Gleichbehandlung und Gleichberechtigung der anderen, denn Ihre Interessen wiegen für Sie mehr.
    Gehen Sie mal mit einem Behinderungsgrad von 50% zum Amt und fragen Sie nach einem Arbeitsplatz, da erklärt man sie für verrückt und sagt ihnen ganz frech, dass das kein Arbeitgeber möchte, man wird sie ja nicht wieder los, sie hätten dann ja Rechte, die man beachten müsste. Vielleicht sind wir tatsächlich rücksichtsloser und egoistischer geworden und wollen mit Randgruppen nicht in Berührung kommen. Wie früher, als Menschen mit Einschränkungen unsichtbar wurden, weil sie nicht in die Gesellschaft passten. Behinderungen sind in diesem reichen Land fast immer mit Armut verbunden.

  4. 27.

    Menschen mit Behinderungen die Barrieren zu nehmen sollte die Pflicht einer Gesellschaft sein. Menschen mit geistigen Behinderungen sind eigentlich darauf angewiesen, dass sie sich dort befinden, wo man es gut mit ihnen meint. Diese sind eher weniger selbstbestimmt und stehen einem Verwaltungswahnsinn (BTHG) gegenüber.

  5. 26.

    Treffender als ziemlich verächtlich von "Senatierenden" zu reden, wäre es, die so bezeichnete "harte Abfertigung" in den Fokus zu nehmen. Damit ist jene Zugabfertigung gemeint, die ohne Rücksicht und ohne Umsicht die Warnsignale ertönen und Warnleuchten aktiv werden lässt. Ob da ein alter Mensch noch mitten in der Tür ist oder ein Mensch im Rollstuhl sich einen halben Meter vor der Zugtür befindet: egal, die Tür schließen.

    Die Warnleuchten und -signale haben das vorherige Genuschel des "Zückbeim" abgelöst. Jetzt wissen nur die Sportlichen, wann es gilt, die Beine in die Hand zu nehmen, die anderen dagegen haben eben Pech gehabt.

    Ein verständlich eingeübtes "Zurückbleiben bitte" wäre geeignet, nach den Beförderungsfällen der 1960er Jahre und den Kunden der 1990er nicht wieder in alte Denkmuster der 1960er zurückzufallen.

    Auch die betriebliche Praxis hat Auswirkungen: die Kraft des Normativen.

  6. 25.

    Also, wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Ich habe geschrieben, der ÖPNV ist seinem Ziel NÄHER gekommen und das bezog sich auf das selbst gesetzte Ziel der BVG bis Ende 2022 Barrierefrei zu sein. Dass noch nicht alles perfekt ist, habe ich nicht behauptet. Die BVG hat vor allem mit den schwer funktionierenden Genehmigungen vom Bauressort der Verwaltungen zu tun. Zu den Einzelbeispielen nur soviel, als Nutzer eines E-Rolli gibt es auf jedem Bahnsteig eine entsprechende Rampe in des Zuganfangs. Die Züge selbst haben fast alle eigene Rampen, oder die DB hält Rampen vor. Meine letzten Fahrten nach Stuttgart und Warburg Westf. haben gezeigt, dass Barrierefreiheit möglich ist. Leider ist man in Deutschland durch 4 ! verschiedene Bahnsteighöhen der DB immer auf Hilfsmittel zur Barrierefreiheit angewiesen. Dabei hat die DB noch die wenigsten guten Ideen umgesetzt. Die BVG hat eine Musterhaltestelle mit erhöhtem Kassler Bord und 0 cm Bordsteinkante im Angebot.



  7. 24.

    Wie lauteten z.B. die Antworten der Senatierenden auf den Fragen zu den überfüllten Bussen und Bahnen? Kamen da nur unverständliches Gestammel und die üblichen Ausreden, so dass der RBB nicht im Detail berichten kann?

  8. 23.

    1.Gedanke: Warum ein separates "Extra-Parlament",- ist das nicht "außen vor" (eben extra)?-
    2.Gedanke: Hat dieses Behinderten-Parlament vielleicht eher eine "Alibi-Funktion",- wird es überhaupt ernst genommen ?-
    3.): Ja,- Berlin hat viele Grundfunktionen einer Stadt, die es erstmal bewältigen muß - "Schritt 1",-
    ABER dürfen die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen mit Behinderungen, - gleichberechtigt am alltäglichen
    Leben selbstständig teilnehmen zu können, - als "Schritt 2" gesehen werden ?-
    SIE GEHÖREN DOCH UNMITTELBAR ZU DEN GRUNDFUNKTIONEN DES LEBENS ÜBERALL, ALSO AUCH EINER STADT ! -
    Jeder, der das nicht versteht, stelle sich vor selber behindert zu sein, und sich z.B. nur mit einem Rollstuhl
    fortbewegen zu können,- oder blind zu sein - unterwegs mit einem Blindenstab,- oder gehörlos zu sein mitten im Großstadtverkehr.-
    Resümeé: Ein Behindertenparlament ist ein 1.Schritt zur richtigen Zeit !-
    Ggf. könnte ein 2.Schritt eine "Behinderten-Quote" im Senat sein ?!-

  9. 22.

    Wenn Teneriffa besser ist, niemand wir gezwungen, in Deutschland zu bleiben. Auf zu neuen Ufern...

  10. 21.

    Einschlägige Menschen, die mit dem Rad derartig fahren, verhalten sich, wenn sie mit dem Auto unterwegs sind, nicht anders. Es gibt Menschen, die sich Zeit nehmen und entspannt fahren, anderen geht es um jede Sekunde und jeden Meter Einsparung. Ich sehe da eine Geschiedenheit mehr nach Naturellen, als nach Verkehrsarten. Genannt werden muss das zweifellos, damit es nicht schlicht übergangen wird, deshalb nannte ich es auch in Bezug auf das Fahrrad.

    Und es sind die angerichteten Schäden, die sich deutlich nach Fahrrad und Auto unterscheiden.

  11. 20.

    Die Gesellschaft ist keine Maschinerie - als was Sie die Gesellschaft verstehen. Insofern braucht es dazu keines technischen Motors, nur eines geänderten Verständnisses im gesellschaftlichen Zusammenleben.

    Die andere, also Ihre Logik: Der besagte Vorbehalt wird so lange bleiben, wie der besagte Motor von irgendjemand Maßgeblichen noch als unzureichend begriffen wird. Diese Logik findet kein Ende, wenn Sie das wirklich mal durchdenken.

  12. 19.

    3. Beispiel, Flex, Gesundbrunnen, Einstieg 40-50 cm tiefer, T1 Schönefeld 40-50 cm höher, gelungen Behindertengerecht. ((-:

  13. 18.

    Habe mehrmals meinen Urlaub auf Teneriffa verbracht. Dort sind an jeder Ecke und jeder Einfahrt die Bordsteine abgesenkt. Rollstuhlfahrer haben immer Vorrang, Fußgänger nehmen Rücksicht. Alle Geschäfte können ebenerdig betreten werden.

  14. 17.

    Ah ha, der ÖPNV ist dem nachgekommen. Dann fahren Sie doch mal durch den Nordsüdtunnel oder mit der U-bahn. Ad 1, Schwellen über 10 cm eingebaut, ad 2 " beachten Sie den Spalt zwischen Zug und Bahnsteigkante" . Noch nie gesehen oder gehört? Kommen Sie im Leben an!

  15. 16.

    Stelle fest, dass einige noch nichts von der Behindertenrechtskonvention der UNO, die Deutschland vor 13 Jahren ratifiziert hat noch nichts gehört haben. Viel Papier würde beschrieben. Einzig der ÖPNV ist seinem Ziel der umfangreichen Barrirefreiheit näher gekommen. In der Stadt selbst ist man mit Barrierefreiheit noch nicht weit gekommen. In den USA hingegen 31 Jahre ADA und konsequente Umsetzung. Wer gegen die Regeln dort verstößt, wird konsequent zur Rechenschaft gezogen. Nicht in D !

  16. 15.

    Wenn es nach den Grünen in Berlin geht, dann sollten Sie in Mitte lieber aufs 4-Rad-Fahrrad umsteigen.

  17. 14.

    Es gibt zahlreiche Menschen, die nur langsam laufen können oder Probleme mit dem Gleichgewichtssinn haben.
    Diese werden teilweise von Radfahrern weggeklingelt oder angeschrien.
    Einige Radfahrer meinen wohl auch, an Zebrastreifen müssen nur die Autos anhalten.

  18. 13.

    Man, Helmut, du verstehst es nicht. Erst muss man die Grundlagen schaffen, wenn die schon nicht richtig rund laufen, dann sind die nächsten Schritte quatsch. Das ist wie, wenn Du Benzin kaufst, aber noch gar kein Auto oder auch keinen Kanister hast. Dann wird es schwierig vom Start A zum Ziel B zu kommen. Und so ist Berlin halt auch, macht Schritt 2 vor Schritt 1, kann da unter anderem dem Dieter nur zustimmen.

  19. 12.

    Die Entstehung von Wohlstand war maßgeblich daran beteiligt, dass viele Menschen überhaupt erst 40 oder mehr Jahre alt werden.
    Ebenso sind ohne Wohlstand lebensnotwendige Medikamente für viele Menschen nicht denkbar.
    Die häufigste Todesursache heute ist vor allem das Alter selbst. Dieses verkürzt sich durch Armut, unbehandelte Krankheiten oder Menschen mit harten Arbeitsbedingungen.
    Ich kenne noch die Luft aus Ostberlin.
    Heute empfinde ich die Luft als relativ sauber.
    Darf ich mal fragen, welche Lungenkrankheit Sie haben?

  20. 11.

    He Dieter, es reicht.
    Wer so schreibt, hat keine Behinderung und kann nicht ansatzweise verstehen, was dies bedeutet. Rollis, blinde, stark sehbehinderte und hörneh. Menschen haben das Kreuz in Berlin besonders. Tja und nun ein Parlament. Ist doch klasse, dass das erreicht wurde, um die Interessen dieser Personengruppe zu vertreten. Gratulation.

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