Fragen und Antworten - Volksentscheid versus Volksbefragung - wo ist der Unterschied?

Mo 06.03.23 | 18:54 Uhr
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Archivbild: Ein Teilnehmer der Demonstration von Fridays for Future hält ein Plakat mit der Aufschrift "26.03. Berlin 2030 klimaneutral. Ja zum Volksentscheid" hoch. (Quelle: dpa/M. Skolimowska)
Bild: dpa/M. Skolimowska

Momentan stimmen die Berliner über den Volksentscheid zu Klimaneutralität ab. Gleichzeitig bringt die CDU zwei Befragungen ins Spiel: zur A100 und zum Tempelhofer Feld. Klingt erstmal nach einem immer gleichen Mechanismus - tatsächlich gibt es aber große Unterschiede.

Wer kann bislang einen Volksentscheid initiieren?

Im Berliner Abstimmungsgesetz heißt es dazu: "Trägerin […] können eine natürliche Person, eine Mehrheit von Personen, eine Personenvereinigung oder eine Partei sein." Der Staat selbst - also Senat oder Abgeordnetenhauses - ist hier explizit nicht als Initiator einer Abstimmung vorgesehen.

Nur in einem Fall sieht die Berliner Landesverfassung den Staat als initiator einer Abstimmung vor: Wenn die Artikel 62 und 63 der Verfassung geändert werden sollen. In diesen beiden Artikel sind Volksbegehren und Volksentscheide selbst geregelt. Diese Artikel dürfen nur verändert werden, wenn auch eine Volksabstimmung darüber abgehalten wurde und sich eine Mehrheit für die Änderung ausgesprochen hat.

Was müsste sich ändern, damit auch eine "Volksbefragung von oben" möglich wäre?

Dafür müsste - siehe oben - das Abstimmungsgesetz geändert werden.

Wo ist der Unterschied zwischen einem "von oben" initiierten Volksentscheid und einem "regulären" Volksentscheid?

Ein Volksentscheid kommt nur im Rahmen eines dreistufigen Verfahrens zustande. Wenn eine Initiative ein Gesetz oder eine politische Forderung zur Abstimmung stellen will, muss es zunächst Unterschriften für einen Antrag auf ein Volksbegehren sammeln. Im nächsten Schritt werden Unterschriften für das eigentliche Volksbegehren gesammelt. Erst wenn das erfolgreich ist, kann es zum Volksentscheid kommen – wenn das Abgeordnetenhaus nicht vorher entscheidet, den zur Abstimmung gestellten Gesetzentwurf oder die aufgestellte Forderung selbst zu übernehmen.

Bei einer "Abstimmung von oben" gäbe es nur eine Stufe. Es müssten keine Unterschriften gesammelt werden, es kommt direkt zur Abstimmung.

Kann ein Gesetz, dass durch einen Volksentscheid zustande gekommen ist, wieder geändert werden?

Ja. Ein Gesetz, das durch einen Volksentscheid zustande gekommen ist, kann genauso wie jedes andere Gesetz vom Parlament jederzeit mit einfacher Mehrheit geändert werden. Rein rechtlich braucht es keine zweite Abstimmung durch die Bürger.

Im Raum steht aber die Idee, dass ein Gesetz, dass durch einen Volksentscheid zustande gekommen ist, nur geändert werden kann, wenn sich dafür bei einer Volksabstimmung eine Mehrheit findet - nach einer Frist von beispielsweise fünf Jahren (analog zu einer Wahlperiode).

Inwieweit wäre das Ergebnis einer "Volksbefragung von oben" anschließend bindend?

Das müsste gesetzlich geregelt werden. Aber: Wenn eine solche Art der Befragung gesetzlich verankert würde, dann ergäbe sie auch nur Sinn, wenn das Ergebnis auch am Ende auch rechtlich bindend ist.

Hat die CDU das Thema Volksentscheide neu für sich entdeckt?

Nein, das Thema kommt immer wieder aufs Parkett. 2014 entschieden die Berlinerinnen und Berliner per Volksentscheid, dass das Tempelhofer Feld nicht angetastet werden darf - dies wird durch den Volksentscheid gesetzlich verankert. Aber schon ab 2016 schlug der Senat unter dem Regierenden Michael Müller (SPD) vor, das Gesetz ändern, um neben dem Flughafenvorfeld Flüchtlinge unterbringen zu können. Das sorgte für breiten Protest. CDU und FDP sprachen sich dafür aus, dass Gesetze, die per Volksentscheid zustande kamen, nur nach einer zweiten Volksabstimmung geändert werden dürfen. Inzwischen ist auch die SPD auf diese Linie eingeschwenkt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.03.23, 15:05 Uhr

23 Kommentare

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  1. 23.

    In meinem Kommentaren sprach ich NUR von der Aufhebung eines Volksentscheids durch das Volk nach einer angemessenen Schonzeit, welche das Parlament initiieren kann.
    Nicht etwa über eine vom Parlament initiierte neue Volksabstimmung.
    Das Volksbegehren sollte selbstverständlich IMMER vom Volke selbst ausgehen (Orthogonalität) und das macht Volksentscheide unabhängiger von etwaigen parlamentarischen Interessen, wie es #18@Wossi bereits anmerkte.

  2. 22.

    "Trägerin […] können eine natürliche Person, eine Mehrheit von Personen, eine Personenvereinigung oder eine Partei sein."
    Also die Partei CDU kann den Volksentscheid herbeiführen, wenn sie sich auf die Straße stellt Unterschriften sammelt und den Prozess des Volksentscheides wie vorgesehen durchführt. Die Senatsfraktion der CDU darf das Nicht. Das Partei und Fraktion zwei unterschiedliche rechtliche Konstrukte sind lernt man ja schon über die FDP.
    Warum macht die CDU es nicht über die Partei, sondern über die Fraktion? Könnte es sein, dass sie nicht genügend Unterschriften zusammenbekommen und deswegen die Demokratie aushöhlen müssen?
    Weiterhin ist abzusehen, dass die Fraktion mit fehlerhaften Informationen werben wird und über den Senat eine weit größere Werbefläche erhält als das Volk mit seinen Anstrebungen (Werbung aus der Landeskasse oder selbstfinanziert macht den Unterschied).
    Das sind antidemokratische Bestrebungen im demokratischen Gewand. Und das finden Menschen gut.

  3. 21.

    Da gebe ich Ihnen Recht.
    Da müsste die Politik handeln, warum das so ist?
    Der Nachteil nämlich wenn die Aufzüge ausfallen müssen diese Leute die oben wohnen ganz schön laufen.
    Aber nochmals die Begründung für den der das baut ,wenn er statt 500 Wohnungeinheiten baut bekommt er für dasselbe Grundstück halt Miete für 500 Wohneinheiten so nun baut er doppelt soviel bekommt er das doppelte.
    Das sollte in Erwägung gezogen werden.
    Wo sollen denn alle hin?

  4. 20.

    Hochhäuser sind die Lösung.

    Je höher eine Wohnung gelegen ist, desto teurer wird sie für einen Erwerber.

    Wo ist also das Problem ?

    Dann sollte doch auch der Sozialmieter glücklich sein, wenn er hoch in den Wolken leben kann ?

    In New York ist das nach oben hin auch immer teurer.

    Was gibt es von links daran jetzt wieder zu meckern ? Wird die Luft oben dünner ? :-)))

  5. 19.

    Abgesehen von diesem Vorhaben gibt es in der Stadt genug Immobilien die verkommen oder es schon sind ,wäre sinnvoll erstmal diese abzureißen und dort richtige Hochhäuser zu bauen.

  6. 18.

    "Die Befragungen müssen in der Fragestellung (!)fair sein, weil diese eine lenkende Wirkung haben kann, die die Befragten so nicht wollten: "

    Man merkt, viel Grips billigen Sie den Berlinern nicht zu.

  7. 17.

    Richtig weniger Grundstücke deshalb effizient bauen nämlich wie in Singapur oder anderen Metropolen hoch, höher dann wird auf wenig Bauflächen viele Wohnungen entstehen.
    Das sage ich schon seit Jahren.

  8. 16.

    Die Befragungen müssen in der Fragestellung (!)fair sein, weil diese eine lenkende Wirkung haben kann, die die Befragten so nicht wollten:
    Randbebauung JA/Nein oder Randbebauung maximal 5 geschossig mit Abstand von...?
    T.Limit Ja/Nein oder T.limit auf Autobahnen 90/100/120/130 ?
    Enteignungen JA/Nein oder Enteignungen von Spekulanten die Mietwirksam sind?

  9. 15.

    Kann man so nicht sagen, Heute ist die Wohnungsnot wesentlich größer und es werden halt Grundstücke gebraucht um Wohnungen zu bauen.

  10. 14.

    „Es sollte zudem der Grundsatz gelten, was das Volk entschieden hat, kann auch nur vom Volke aufgehoben werden.“

    Ja, so einfach ist das.

    Dinge ändern sich halt, Ansichten auch.

    Deswegen ist die Volksbefragung ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel und wird juristisch laut Staatsrechtler, Professor Dr. Battis (so hatte ich ihn gestern verstanden) nicht zu beanstanden sein.

  11. 13.

    Ach nee, na da sind Sie ja „richtig gut“ informiert. Mann Mann Mann

  12. 12.

    Also ich bin dafür das wir dagegen sind und mit ne votieren

  13. 11.

    Das ist ein durchschaubarer Versuch Beliebtheit zu bewahren während man Investoren-Interessen durchsetzt.
    Es gibt mehr als genug andere Optionen zum Bauen. Das Volk hat bereits entschieden.

  14. 10.

    Aber bisher steht ja das Parlament sowieso über dem Volksentscheid. Das Parlament kann zu jeder Zeit mit einfacher Mehrheit Gesetze verabschieden wie es will.
    Deswegen wäre es unabhängig von Tempelhof mal wichtig grundsätzlich über die Stärkung direkter demokratischer Elemente nachzudenken. Denn sonst sind die mit hohen Hürden verbundenen Volksentscheide das Papier nicht wert auf dem sie stehen.

  15. 9.

    Beilage gelesen, gelacht - unrealistisch, populistisch, nicht finanzierbar - schade um das Papier

  16. 8.

    Ja, das kennt man von der cDU, scheindemokratisch bis zum Gehtnichtmehr. Wenn ich morgen in Berlin (!) darüber abstimmen lasse ob das nächste Atommüllendlager entweder in Berlin oder bei ihnen vor der Haustür gebaut wird weiß ich jetzt schon wie die Abstimmung ausgeht, wetten?

    Eine "Volksabstimmung" von oben ist verfassungswidrig, dazu bedarf es eine Zweidrittelmehrheit um das zu ändern.

    Aber so kennt man die Berliner cDU, erst macht man mit blankem Rassismus Wahlkampf, verspricht alles und jedes, wohlwissend um seine Nichtumsetzung und anschließend setzt man dieser Posse noch die Krone auf.

    So fördert man Politikverdrossenheit.

  17. 7.

    Ich fände einen erneuten Volksentscheid zum Tempelhofer Feld super, die Lage am Wohnungsmarkt hat sich seit damals komplett verändert. Auch fände ich dirch Senat oder AGH initiierte Volksentscheide eine Stärkung der direkten Demokratie.

  18. 6.

    Volksentscheide besitzen selbst sehr hohe Hürden für die Inkraftsetzung.
    Deren Aufhebung sollte daher auch sehr hohe Hürden besitzen und erst nach einer Mindestlaufzeit möglich sein.
    Es sollte zudem der Grundsatz gelten, was das Volk entschieden hat, kann auch nur vom Volke aufgehoben werden. Allerdings muss das Parlament dann ermächtigt werden, die Neuentscheidung auch initiieren zu dürfen.
    Will man die Gewalt beim Parlament belassen, bedarf die Aufhebung eines Volksentscheides wenigstens einer qualifizierten Mehrheit.

  19. 5.

    Der Begriff ist mir so egal. Auf jeden Fall mit nein stimmen.

  20. 4.

    Deswegen finde ich die Idee auch gut, das Gesetze die per Volksendscheit zustanden gekommen sind, auch nur durch einen ebensolchen wieder geändert werden können. Nur muss hier das Landesgesetz gleich in zwei Teilen geändert werden.
    A) Das mit der Änderung
    B) Das der Senat Volksentscheide zur Änderung "veranstalten" darf

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