Krebserregender Baustoff - Berlin kaufte 2022 rund 11.500 asbestverseuchte Wohnungen

Mo 17.04.23 | 14:36 Uhr
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Symbolbild: Schutzanzüge und Schutzmasken geben wirksame Sicherheit beim Abriß der Asbestplatten. (Quelle: dpa/T. Lehmann)
Audio: rbb24 Inforadio | 17.04.2023 | Sebastian Schöbel | Bild: dpa/T. Lehmann

Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in Berlin haben im vergangenen Jahr rund 11.500 asbestbelastete Wohnungen angekauft oder übernommen. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage der Grünen hervor, die dem rbb vorliegt.

Demnach hat die Howoge im vergangenen Jahr fast 7.000 asbestbelastete Wohnungen in ihren Bestand übernommen, mehr als jede andere landeseigene Gesellschaft. Bei der Berlinovo waren es rund 2.700 Wohnungen, bei der Degewo knapp 2.000. Zuerst hatte die "Berliner Morgenpost" berichtet.

55.000 asbestbelastete Wohnungen

Insgesamt haben die sechs Unternehmen etwa 55.000 Wohnungen in ihren Beständen, in denen der krebserregende Stoff Asbest verbaut ist. Betroffen sind vor allem die Bezirke Neukölln, Spandau und Tempelhof-Schöneberg. Knapp 4.800 Wohnungen wurden im vergangenen Jahr asbestsaniert.

Zur Asbestbelastung im privaten Wohnungsbestand habe man dagegen keine Informationen, teilte der Senat auf Anfrage der Grünen mit.

Grünen-Abgeordneter vermutet hohe Dunkelziffer

Andreas Otto, der baupolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, kritisierte das Informationsdefizit. Er rechne mit einer Dunkelziffer im sechsstelligen Bereich. "Berlin kann seinen Asbeststaub gegenüber den Bewohnerinnen nicht einfach verschweigen."

Seit Jahren wird in Berlin über eine Schadstoffbelastung von Wohnungen privater Immobilienkonzerne diskutiert, die das Land aufkauft. Die Sorge ist, dass Berlin vor allem sanierungsbedürftigen Wohnraum in das Portfolio seiner Unternehmen holt und die Kosten für deren Instandsetzung übernehmen muss. Dennoch wollen auch CDU und SPD weiter auf den Wohnungsankauf setzen: Laut Koalitionsvertrag soll der öffentliche Wohnungsbestand auf 500.000 erhöht werden, unter anderem durch "strategische Ankäufe".

Krebserregender Asbest seit 1993 verboten

Asbest wurde bis in die 1970er-Jahre in vielen Wohnungen in sogenannten Vinyl-Bodenbelägen verarbeitet. Längst werden die Beläge porös, brechen und setzen Asbestfasern frei. Seit 1993 ist die Verwendung von Asbest in Deutschland verboten.

Auch zahlreiche Schulen in Berlin sind mit schwach gebundenem Asbest belastet, der schon durch Alterung der Gebäude Fasern freisetzen kann. Die Asbestrichtlinie schreibt in solchen Fällen regelmäßige Prüfungen vor. Nicht alle Bezirke halten sich daran. Es sind mehr Schulen in den West-Bezirken der Stadt betroffen, als im Osten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 17.04.2023, 14 Uhr

31 Kommentare

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  1. 31.

    Plattenbau 2.0 mit Mindeststandards. Berlin ist Spitze im Wiederholen von Fehlern. Wenn er reproduzierbar ist, war es vielleicht wirklich einer.

  2. 30.

    "Sehr kurzfristig senkt Neubau die Mieten nicht. Das ist richtig. Mittelfristig jedoch schon. "

    Auch nicht. Wie soll das auch gehen?

  3. 29.

    Neoliberalismus ist kein Naturgesetz. Städte für Profiteure, wer hier (lange) lebt, aber den "Investoren" die "Objekte" nicht mehr finanzieren kann, muss weg?

  4. 28.

    "Zwar auch ein Menschenrecht..." Ist es, beschränkt sich aber nicht auf einen Anspruch in Berlin oder einer sonstigen Großstadt. Wenn unser Staat dieses Recht konsequent durchsetzen würde, wäre es vorbei mit der freien Wohnortwahl. Deshalb ist dieser Anspruch so gesetzlich nicht herleitbar.

  5. 27.

    Wohnen an sich ist bereits ein Luxusgut geworden.

    Zwar auch ein Menschenrecht, aber wen interessiert's, die "Privaten"?

  6. 26.

    Sorry, Jörg, selten so gelacht:

    "Außerdem gehe ich davon aus, das die Ankäufer bei Belastung den Kaufpreis MASSIV drücken. Wer kauft schon Wohnungen zum marktüblichen Preis wenn diese es nicht wert sind."

  7. 25.

    Würde und Schutz des Lebens, Grundsatz des Grundgesetzes und Anstand unter Bürgern. Unglaublicher Kommentar!

  8. 24.

    Gesetzesgrundlagen und -durchsetzungen müssen her. Sanierungen/Schutz vor Lungenkrebs nur für steuersanierte Wohnungen, Gewinnabschöpfung und beitragsfinanzierte Lungenkrebsbehandungen der Opfer für "private Eigentümer", die selbst entscheiden sollen, wer im Gift leben muss? Nicht Ihr Ernst, oder?

  9. 23.

    Ah, dahin gehen unsere Steuergelder. Dann vermutlich teils Sozialwohnungen draus gemacht, die nach Ablauf der Sozialbindung an Private verscherbelt werden.

  10. 22.

    "Die Sorge ist, dass Berlin vor allem sanierungsbedürftigen Wohnraum in das Portfolio seiner Unternehmen holt und die Kosten für deren Instandsetzung übernehmen muss." Wenn dem so ist, dann sind die Verantwortlichen der Wohnungsgesellschaften schlicht unfähig. Als Käufer einer Immobilie berücksichtigt man immer auch die Kosten für Sanierung und Modernisierung im Preisgebot. Alle Kosten, die für eine unvermeidliche Sanierung anfallen, wirken kaufpreissenkend. Wer trotzdem überteuert kauft, ist selber Schuld. Es gibt Gutachter, die man mit der Ermittlung von Zustand und Mängeln beauftragen kann.
    Zudem ist ein erheblicher Unterschied, wie und wo Asbest verbaut ist. Ein belasteter Bodenbelag stellt kein größeres Problem dar (außer Entfernung und Entsorgung sind aufwändiger). Ist das Asbest innerhalb von Wänden oder Decken, ist es gebunden und erst mal keine Gefahr, solange man nicht daran herummanipuliert.

  11. 20.

    Erlebnispark Heerstraße Nord: lt. Gewobag nicht dübeln, keine Boden- , alte Kunststoff-Wandfliesen, Tapeten oder Deckenverkleidungen abreissen, bei Ende der Wohnungsnutzung wird empfohlen Teppiche etc. liegen zu lassen. Also Möbel raus, einmal feucht durchwischen und Fensterputzen. Jede freiwerdende Wohnung wird von einer Fachfirma saniert und der "Schutt" landet in geschlossenen mobilen Systemen, der Rest in diesen berühmten geschlossenen weißen, staubdichten Big-Bags. Die ganze "Nummer" gärt schon seit 2018.

  12. 19.

    Neubau senkt keine Mieten ...
    Bitte wiederholen, bis es stimmt.

  13. 18.

    "Sanierung ist immer noch preiswerter und ökonomischer als Neubau." So ist es.

    Die Privaten würden eher abreißen und Luxuswohnungen bauen.

  14. 17.

    Sehr kurzfristig senkt Neubau die Mieten nicht. Das ist richtig. Mittelfristig jedoch schon.
    Aber SPD und Linke denken - wie auch CDU und FDP - immer nur bis zum nächsten Tag. Als ob es kein Übermorgen geben würde.

  15. 16.

    Sie meinen, dass der Bestand an Wohnungen wohl ausreicht um die Mieten zu senken? Ich habe das Gefühl, dass Sie noch in den alten Kategorien der DDR-Wohnungswirtschaft denken, wo die Miete subventioniert wurde. Um Mieten zu senken ist ein Neubauprogramm erforderlich, dass etwa 10.000! Wohnungen per Anno über die nächsten 10 Jahre schaffen würde um so im unteren und mittleren Preissegment die Mieten durch Erweiterung des Angebotes zu senken!

  16. 15.

    Der Austausch von asbesthaltigen Bodenbelägen, der bricht und Fasern freisetzt, ist grundsätzlich kein Problem. Entsprechende Technologien gibt es. Ist aus meiner Sicht kein großer Kostenaufwand. Jedenfalls günstiger, als Abriss und Neubau.

  17. 14.

    Neubau senkt, bzw. stabilisert aber keine Mieten, wie oft muß man ihnen das noch erklären?

  18. 13.

    Seit Jahren wird in Berlin über eine Schadstoffbelastung von "Wohnungen privater Immobilienkonzerne diskutiert, die das Land aufkauft. Die Sorge ist, dass Berlin vor allem sanierungsbedürftigen Wohnraum in das Portfolio seiner Unternehmen holt und die Kosten für deren Instandsetzung übernehmen muss. Dennoch wollen auch CDU und SPD weiter auf den Wohnungsankauf setzen: Laut Koalitionsvertrag soll der öffentliche Wohnungsbestand auf 500.000 erhöht werden, unter anderem durch "strategische Ankäufe"."

    Besser das als das belastete Wohnungen leer stehen oder den Mietern die Belastung verheimlicht wird.

    Außerdem gehe ich davon aus, das die Ankäufer bei Belastung den Kaufpreis MASSIV drücken. Wäre jedenfalls angemessen und richtig. Wer kauft schon Wohnungen zum marktüblichen Preis wenn diese es nicht wert sind.

  19. 12.

    Sanierung ist immer noch preiswerter und ökonomischer als Neubau. Das zeigt sich dann später auch bei den Mieten. Energetischer Neubau ist aufwändig und damit teuer. Der Bedarf an bezahlbaren Wohnraum ist dringlich und die Sanierung asbestbelasteter Miethäuser notwendig. Hier ist insbesondere der Soziale Wohnungsbau der 70er Jahre betroffen. Dort leben viele Mieter mit geringem Einkommen, die keine Ausweichmöglichkeit haben.

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