Forderungen nach striktem Rauchverbot - Berliner Raucherkneipen stehen nicht zur Debatte

Sa 01.04.23 | 12:50 Uhr | Von Philipp Rother
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Symbolbild:Kneipenbesucher trinken Bier und rauchen Zigaretten.(Quelle:imago images/S.Lambert)
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Video: rbb|24 | 31.03.2023 | Janek Kronsteiner | Bild: imago images/S.Lambert

Rauchen in der Kneipe? In Bayern undenkbar, in Berlin vielerorts möglich. Kritiker bemängeln den "Flickenteppich an Regelungen" und sehen den Nichtraucherschutz unterwandert. Der Senat will an den geltenden Gesetzen festhalten. Von Philipp Rother

Es ist muffig und schummerig, aber doch irgendwie gemütlich - Raucherkneipen versprühen ein ganz spezielles Flair. Viele haben eine lange Geschichte, teils sind sie seit Jahrzehnten in Betrieb. In Berlin gibt es Raucherkneipen quasi in jedem Teil der Stadt.

Auch das am 1. Januar 2008 erstmals in Kraft getretene Rauchverbot konnte daran nichts ändern. Es betraf die Innenräume öffentlicher Gebäude - darunter auch Restaurants, Bars, Clubs und Diskotheken. Ziel des Gesetzes war es, das Passivrauchen zu reduzieren und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.

Rund 200 Rauchergaststätten in Charlottenburg-Wilmersdorf

Fünf Jahre später wurde das Rauchverbot noch einmal verschärft. Bis heute gibt es aber Ausnahmen für Raucherclubs und für Einrichtungen, die sich als sogenanntes "Raucherlokal" zertifizieren lassen. Im Jahr 2011 gab es nach Berechnungen der B.Z. [bz-berlin.de] im Berliner Stadtgebiet rund 420 solcher Raucherkneipen, Anfang 2016 waren es dann schon mehr als 1.100.

Aktuelle Zahlen liegen nicht vor, einzelne Bezirke konnten auf Nachfrage aber konkrete Angaben machen: Das Bezirksamt zählt in Charlottenburg-Wilmersdorf rund 200 Rauchergaststätten. Ein Überblick über die zahlenmäßige Entwicklung liegt hier nicht vor, anders als in Berlin-Mitte, wo das Bezirksamt einen Anstieg verzeichnet: "2017 gab es 66 Raucherkneipen im Bezirk. Aktuell sind dem Bezirk 88 Raucherkneipen bekannt." Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg teilte mit, dass es dort derzeit insgesamt rund 75 bis 80 Rauchergaststätten, Gaststätten mit Raucherräumen und Shisha-Bars gibt.

Initiative fordert striktes, bundesweites Rauchverbot

In 13 Bundesländern - darunter auch Berlin und Brandenburg - sind Raucherkneipen erlaubt, wenn sie kleiner als 75 Quadratmeter sind und kein zubereitetes Essen anbieten. Personen unter 18 jahren haben keinen Zutritt. Nur in Bayern, Nordrhein-Westfalen und im Saarland ist der Nichtraucherschutz strenger. Dort sind Raucherkneipen verboten. Die Nichtraucher-Initiative Deutschland will diesen "Flickenteppich an Regelungen" beseitigen. Sie fordert ein striktes, bundesweites Rauchverbot für die Gastronomie. Die Regelungen zu rauchfreien Gaststätten in Bayern und Nordrhein-Westfalen hätten sich bewährt.

"Wenn es wirklich nur Raucher wären, die in Raucherkneipen gehen, wäre es etwas anderes", sagte Ernst-Günther Krause, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Initiative, dem rbb am Freitag. Aber es gebe einen gewissen Gruppenzwang oder Partnerzwang für Nichtraucherinnen und Nichtraucher, mit in Raucherkneipen zu kommen.

Der Schutz der Raucher werde über den Schutz der Nichtraucher gestellt, das sei inakzeptabel, so Krause weiter: "Alle müssen geschützt werden, der Gesundheitsschutz hat Vorrang." Es gehe nicht darum, jemandem das Rauchen zu verbieten - sie "sollen nur einen Schritt vor die Tür machen", erklärt Krause. Ein bundesweites striktes Rauchverbot wäre von Vorteil für Gäste und Personal, sagt er. Auch das Deutsche Krebsforschungszentrum fordert, dass die Bundesländer ihre Nichtraucherschutzgesetze überarbeiten und "eine vollständig rauchfreie Gastronomie" einführen.

Infobox

Laut Berliner Nichtraucherschutzgesetz darf in einer Lokalität geraucht werden, wenn:

_ die Gaststätte nicht über einen abgetrennten Nebenraum verfügt

_ die Grundfläche des Gastraumes weniger als 75 Quadratmeter beträgt

_ Personen unter 18 Jahren der Zutritt nicht gestattet wird

_ keine vor Ort zubereiteten Speisen verabreicht werden

_ die Gaststätte durch Schilder als Rauchergaststätte gekennzeichnet ist

_ der Betrieb der Rauchergaststätte der zuständigen Behörde angezeigt wurde

Berlin plant keine Anpassung der aktuell geltenden Gesetze

Die Gefahren des Rauchens sind seit langem bekannt: Jährlich sterben nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums in Deutschland rund 127.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Rauchen erhöht unter anderem das Risiko für Krebs und Infektionskrankheiten und schädigt das Herz-Kreislauf-System, Herzinfarkt und Schlaganfall können die Folge sein. Dabei ist nicht nur das aktive Rauchen schädlich, sondern auch das passive Einatmen, das sogenannte Passivrauchen. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin geht davon aus, dass Menschen, die sich in einem verrauchten Raum wie einer Kneipe aufhalten, pro Stunde genauso viele Schadstoffe einatmen, als hätten sie selber eine Zigarette geraucht.

In Berlin rauchen laut Studien des Senats aus den Jahren 2018 und 2019 etwa 20 Prozent der Bevölkerung. Eine Anpassung der aktuell geltenden Gesetze ist aber nicht in Planung: "Berlin hat sich für eine ausgeglichene Verbotslage entschieden", teilte die Gesundheitsverwaltung dem rbb auf Nachfrage mit: "Der Nichtraucherschutz steht im Vordergrund. Allerdings sollte es deshalb unter Abwägung widerstreitender Interessen bei der Ausnahme vom Rauchverbot für die getränkegestützte Kleingastronomie - wie seit Jahren praktiziert - bleiben."

Dennoch gab es zuletzt Bestrebungen, das Nichtraucherschutzgesetz [berlin.de] zu stärken: In der letzten Koalitionsvereinbarung des Berliner Senats sei eine Anpassung verabredet worden, "um den Schutz vor Passivrauchen im öffentlichen Bereich zu stärken", teilte die Gesundheitsverwaltung weiter mit. Demnach war geplant, Kontrolldefizite abzubauen und das Tabakwerbeverbot konsequent umzusetzen. Ob sich diese Vorhaben auch in der derzeit zu verhandelnden neuen Koalitionsvereinbarung wiederfinden werden, bleibt abzuwarten.

Berliner Modell hat sich laut Gesundheitsverwaltung bewährt

Der Branchenbundesverband Dehoga bezeichnet die Rauchverbote mit klar definierten Ausnahmen als guten Kompromiss. "Es gilt: Dort, wo gegessen wird, wird nicht geraucht." Das werde allgemein akzeptiert. "In Ländern wie NRW und Bayern mit einem strikten Rauchverbot sieht es leider anders aus. Hier sind die Umsätze in der getränkegeprägten Gastronomie eingebrochen, viele kleine Eckkneipen sind mit den Jahren auf der Strecke geblieben", heißt es von dem Bundesverband.

Das droht in Berlin vorerst nicht. Das Modell mit den Ausnahmen und den speziellen Lokalen für Raucherinnen und Raucher habe sich bewährt, so die Gesundheitsverwaltung. Zudem stünden Nichtrauchenden zahlreiche Gaststätten ohne Passivrauchbelastung zur Verfügung.

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Beitrag von Philipp Rother

53 Kommentare

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  1. 53.

    Schon bezeichnend, dass ausgerechnet die, die sich komplett intolerant verhalten von anderen aber Toleranz für ihre eigene Intoleranz einfordern.

  2. 52.

    Viel schlimmer sind rauchende und kiffende Nachbarn. Man kann ja nicht so einfach umziehen und ob dort dann jetzt oder später kein Raucer seine Nachbarn zuqualmt ist auch nicht sicher. Man kann ja nicht jedes mal umziehen wenn ein neuer rauchender Mieter in die Nachbarschaft zieht.
    Und zu Kommentar 51: lesen sie sich mal das Urteil des BVerfG durch. Da steht, dass Raucher mit ihrem Verhalten nicht anderen vorschreiben können, in welche öffentliche Räume sie sich begeben können. Dass Berlin das nicht rigoros durchsetzt ist eine grobe Missachtung geltenden Rechts.
    Auf jeder Packung kann man die Folgen des Rauchens sehen. Dass Raucher dies anderen Personen durch ihr unnötiges, ohne jeden Sinn, Nutzen und Vorteil ausgeübtes Privat Hobby zumuten ist inakzeptabel. Abgesehen von der Umweltverschmutzung. z.B. 1 Kippe verseucht 1000 L Wasser.

  3. 51.

    Ich schon. Sie können ja zahlen und gehen. Mit Toleranz isses bei Ihnen offensichtlich auch nicht weit her. Regen Sie sich auch auf, wenn am Nebentisch Fleisch gegessen und Wein oder Bier getrunken wird?

  4. 50.

    Das ist glaube ich ziemlicher Quatsch. Jeder Raucher weiß um die (möglichen) Folgen durch das Rauchen. Allerdings dürfte ich mit der Logik auch nicht mehr zu Fuß zur Arbeit. Ich könnte ja von einem Auto überfahren werden....

  5. 49.

    Wie man sich den Appetit mit Quarzen verderben kann oder den guten Geschmack nach dem Essen, werde ich nie verstehen. Hab ich als Raucher vor 20 Jahren schon nicht gemacht.
    Das Kippchen zum gepflegten Bier hat mir dagegen immer gut geschmeckt. Heute bin ich Clean und freue mich, dass die Jacke am nächsten Tag nicht stinkt und der Kopf nicht weh tut.
    Da ich keine Raucher mehr im Bekanntenkreis habe, ist es auch kein Problem in Gaststätten ohne Qualm.

  6. 48.

    Nikotin-Junkies sind genauso Süchtige wie Alkoholiker oder Heroinkonsumenten.

    Krankheitseinsicht fehlt lange Zeit.

  7. 47.

    Mich kriegt man nur noch horizontal aus meiner Wohnung raus ;-)
    Schon merkwürdig, die meisten Raucher/innen sind gelassen und nicht weniger unsympathisch als Nichtraucher/innen. Was mich stört sind diese fanatischen Nichtraucher, die sich auf die Stirn geschrieben haben: Raucher u.alles was stinkt geh mir ja aus den Weg. Am Gesichtszug erkenne ich sie schon. Da nützt auch kein höfliches zurücktreten draußen beim Rauchen nichts.

  8. 46.

    Sogar in der U-Bahn und im Bus durfte man rauchen.
    In der Hinsicht gab es für Nichtraucher zahlreiche Verbesserungen.
    Immer wieder schön, in den alten Derrick-Folgen der 70er diese vollgequalmten Rotlicht-Kneipen zu sehen.
    Es muss halt auch die Raucherkneipe geben.
    Wer kein Bock auf Raucherkneipen hat, geht halt einfach in eine Nichtraucherkneipe.
    Die Luft heute ist so sauber wie noch nie seit der Industrialisierung, aber das Gejammer hört irgendwie nie auf.

  9. 45.

    Davon lebt doch die Diskussion, dass jeder eine andere Meinung hat, oder sollen jetzt nur noch Nichtraucher ausgehen dürfen?

  10. 44.

    Na wenn Sie eh nicht rauchen wollen, wären doch die Restaurants optimal für Sie.
    Oder stört Sie dort dann der Geruch nach Essen?

  11. 42.

    Am und um den Boxi sind gaaaaaaaanz viele Bars;)
    Vielleicht ist das in Friedrichshain anders als in Charlottenburg, kann man nichts machen wa?

  12. 41.

    „Denn davon können Menschen auch krank werden.“
    Das gibt es zuweilen: Burnout, wenn man nicht mehr kann, weil......

    das Elternhaus versagt hat?

  13. 39.

    Warum? Weil es stinkt? Ist doch Frischluft? Aber Verbrennerauto fahren finden Sie gut?

  14. 38.

    3. Versuch: Warum müssen Nichtraucher unbedingt in Raucherkneippen gehen? Man geht als Veganer auch nicht in ein SteaKhaus und fordert dann penetrant veganes Essen! Oder bekomme ich in einem Veganer-Restaurant ein leckeres Hüftsteak? Jeder sollte so leben, lieben und genießen können wie er mag!

  15. 37.

    Ja die Klamotten stinken. :) Ich suche immer Bars wo ich Zigarre rauchen kann, finde fast keine. Sie behaupten genau das Gegenteil?

  16. 35.

    Bei Ihnen klemmt die Taste für Groß- und Kleinschreibung. Lassen Sie das doch mal checken!

  17. 34.

    Der Gesundheitsschutz darf in Kneipen nicht halt machen.... Gibt es noch mehr Ideen, die ähnliche Initiativen die andere unbedingt schützen müssen? Es muss ja nicht gleich die Protektorenpflicht für Kinder im Lastenrad sein.

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