DDR-Garagen vor dem Abriss - Teures Ende für ein wenig Ost-Luxus

Fr 12.05.23 | 19:27 Uhr | Von Michael Schon
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Archiv: Ein Garagenkomplex im Osten der Stadt. In der DDR traf man sich in Garagen. Nun müssen die Besitzer jedoch um ihr Eigentum fürchten. (Foto: dpa)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 12.05.2023 | M. Woller | Bild: dpa

Wer in Brandenburg eine Garage besitzt, könnte bald unangenehme Post bekommen: Viele Städte suchen nach Bauland und haben dabei auch Grundstücke im Visier, die sie an Garagenbesitzer verpachtet haben. Von Michael Schon

Erhard Dolze öffnet das hellgraue Flügeltor seiner Garage: Auto, Fahrrad, Skiausrüstung - seit 35 Jahren stellt er hier alles ab, was nicht in Wohnung oder Keller passt, aber auch nicht auf der Straße stehen soll. Er kann heute noch genau erzählen, wie er 1988 zu seinem Unterstellplatz in einem Garagenkomplex in Cottbus Sandow kam: Abgekauft von einem, der ausgereist ist. Eine Garage kaufen? "Das war zu DDR-Zeiten nicht einfach", sagt der Mittsiebziger. "Weil andere, die irgendwo in bestimmten Bereichen saßen in der Stadt, natürlich auch ein Auge darauf hatten." Dolze wusste, welche Register er ziehen musste, um doch noch ordnungsgemäß an die Garage zu kommen.

Abreißen auf eigene Kosten

Was damals eine Art Luxusimmobilie war, kann auch heute noch einmal teuer werden. Denn das Grundstück, auf dem die Garage stand, blieb seinerzeit Volkseigentum. Heute gehört es der Stadt Cottbus – sie hat es an Erhard Dolze nur verpachtet. Sollte die Stadt hier eines Tages Wohnungen, eine Schule oder eine Kita bauen wollen, dann müsste Dolze die Garage abreißen. Auf eigene Kosten.

Freie Wähler wollen Thema auf Landtags-Agenda setzen

Die eigene Garage abreißen – und dann auch noch dafür bezahlen?

Cottbus wäre damit wohl im Recht. Denn Ende 2022 sind die letzten Übergangsfristen ausgelaufen, die Eigentümer wie Erhard Dolze vor dieser Härte schützen sollte. Die Stadt hat bereits ausgeschlossen, dass sie den Abriss der Garagen bezahlen würde. "Das gibt die Haushaltslage nicht her", sagt Jan Gloßmann, der Sprecher des Oberbürgermeisters.

Ungerecht, findet das Dolze, sagt aber: "Damit muss man sich abfinden." Genau das sieht die Landtagsfraktion von BVB / Freie Wähler (BVB/FW) anders und will das Thema auf die politische Agenda bringen. Die Fraktion fordert, dass zumindest rechtlich strittige Punkte zugunsten der Garagennutzer ausgelegt werden. So formuliert sie es in einem Antrag, den sie am Donnerstag in den Landtag einbrachte. Die Landesregierung solle Kommunen die juristischen Möglichkeiten dafür aufzeigen und darauf hinwirken, dass diese vorerst auf eine Kündigung der Grundstücks-Pachtverträge verzichten.

Und zwar so lange, bis höchstrichterlich geklärt sei, welche Kündigungsfristen tatsächlich gelten – und ob Eigentümer die Garagen wirklich abreißen müssen. Manche Juristen bezweifeln nämlich, dass die Grundstücke wirklich "besenrein" zurückzugeben sind, also ohne Garagen. Außerdem führen die Freien Wähler noch ein weiteres Argument an: Andere Kommunen wie Brandenburg an der Havel hätten bereits ausgeschlossen, Garageneigentümer zur Kasse zu bitten. Ein Moratorium bis mindestens Ende 2025 diene daher "dem sozialen Frieden", so der Landtagsabgeordnete von BVB/FW Matthias Stefke.

Linke sieht gesellschaftliche Dimension

Auch die Linke sieht eine gesellschaftliche Dimension beim Streit um die Garagen. Sie sollten sogar zum kulturellen Welterbe erklärt werden, forderte Linken-Fraktionschef Sebastian Walter am Donnerstag im Landtag – offenbar nur halb im Scherz. Die Garagenkomplexe seien bis heute ein sozialer und kultureller Raum, so Walter. Das so genannte Schuldrechtsanpassungsgesetz, das den Umgang mit Eigentum auf ehemaligen Pachtgrundstücken aus DDR-Zeiten regelt, habe keinen Rechtsfrieden geschaffen.

Regierungskoalition anderer Meinung

Dem widersprechen Vertreter der Koalitionsfraktionen von SPD, CDU und Bündnisgrünen. Andreas Noack (SPD) verweist auf die lange Übergangsfrist von 32 Jahren, die im vergangenen Dezember ausgelaufen sei. Das sei genug Zeit gewesen für alle Betroffenen, sich darauf einzustellen. André Schaller (CDU), weist auf ein anderes juristisches Detail hin: Alle Eigentümer, die ihre Garage erst nach der Wende auf einem Pachtgrundstück gekauft haben, seien im Ernstfall ohnehin schon längst zum Abriss verpflichtet – und das sei in neun von zehn Fällen die Lage. Innenminister Stübgen (CDU) spricht mit Blick auf das geforderte Moratorium von einer skurrilen juristischen Auseinandersetzung über unterschiedliche Rechtsauffassungen, in die sich die Landesregierung nicht einmischen werde. Im Klartext: Für ihn ist die Sache eindeutig – die Garagen müssen auf Kosten der Garagenbesitzer abgerissen werden, wenn der Verpächter andere Pläne mit seinem Grundstück hat.

Antrag im Landtag gescheitert

Der Antrag der Freien Wähler ist im Landtag gescheitert. Ob und wann die juristischen Feinheiten vor Gericht geklärt werden, ist offen. Auch wenn die Stadt Cottbus aktuell nicht plant, ihre Garagengrundstücke zu bebauen: Sollte dem Cottbuser Garagenbesitzer Erhard Dolze eines Tages doch die Aufforderung ins Haus flattern, seine Garage abzureißen, wird er wohl kaum darum herumkommen. Dolze sagt, er werde es dann sportlich sehen: "Das sind natürlich Kosten, die entstehen." Aber: Er habe die Garage ja auch lange genutzt.

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Beitrag von Michael Schon

35 Kommentare

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  1. 35.

    Ich hoffe, dass Sie bei Ihrer Einstellung kein Fahrzeug westlicher Produktion fahren, ebensowenig Produkte des Westens, des Klassenfeindes, im Privaten nutzen und auch nur in Länder des ehemaligen sozialistischen Auslands reisen sowie keinerlei Techniken des Kapitalismus nutzen. Sollten Sie dies tun, wie man an Ihrem Post in diesem Ost-West-Konglomerat, lesen muss, sind Sie eingeladen, zu überdenken, welchem Nonsens Sie abgelassen haben.

  2. 34.

    Ich gehe davon aus, dass das nur ironisch gemeint ist. Wenn einer überrollt und ausgeraubt wurde, dann doch der Westen. Massenflucht von Ost nach West und Ostrentner die auch nie nur eine inzige Mark in die westdeutsche Rntenkasse eingezahlt haben. Von der Sanierung ostdeutscher Ruinenstätte ganz zu Schweige. Ich bin trotzdem sehr froh, dass es so gekommen ist.

  3. 33.

    ja so etwas gab es tatsächlich, dann wurden wir überrollt und ausgeraubt,na wie das Sieger halt tun

  4. 32.

    Damit’s für sie nicht zu abstrakt wirkt was ich schreibe mal konkret.
    Man hätte als einfachste Lösung die Entschädigungsklausel des BKleingG für alle gleichgelagerten Rechtsformen übernehmen können. Das hätte praktisch dazu geführt, dass der Bodeneigentümer auf eigene Kosten beräumt.
    Na ja Günther Krause, was willst du von so jemand am Verhandlungstisch mit Wolfgang Schäuble auch erwarten.

  5. 31.

    Die Innenbreite der DDR-Standardgarage berägt 2,5m. Mein Vater kommt mit seinem Corolla von 96 problemlos rein rund raus, mein Schwager mit dem X5 kann mit angeklappten Spiegel gerade so rein, aber bekommt die Tür zum aussteigen nicht mehr auf.

  6. 30.

    >“ Volkseigentum ???? ,hab ich da was verpasst ??“
    Er / Sie / Es meint bestimmt Volkseigentum ins jetzt übertragen: Kommunales Eigentum oder Landeseigentum oder Bundeseigentum. ;-)

  7. 28.

    Antwort auf 23: Sie vergessen bei Ihrer Berechnung die Innenmaße der Garagen. ich hatte da immer ausreichend Platz und mein Zweierboxnachbar auch. BJ 60er Jahre. Logisch ??? Unsere Stadt hat übrigens beträchtliche Pachteinnahmen mit den Garagenhöfen in den zurückliegenden Jahren generiert. Leider wurden nicht nur die DDR-Garagenhöfe bei den Einigungsvertragsverhandlungen nicht einbezogen.

  8. 27.

    Abreisen geht gar nicht, eine Stadt wie Fürstenberg an der Havel würde ja Pleite gehen. Immer hin bekommen sie 5€ pro Monat und Pächter, geht doch nicht!!!

  9. 26.

    Das Kalendersprüchlein, das zu jedem Beitrag passt.
    Nur die Rentenpunkte fehlen. Schmerzlich.

  10. 25.

    Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass jeder, der Feuerlöscher auf Rettungskräfte werfen kann auch für Abrissarbeiten zu gebrauchen ist, die ohne schweres Gerät dann eben etwas länger dauern könnten.

    Eine/(zwei) beaufsichtigende Person (Sicherheitsaspekte) und da müsste Brandenburg nichtmal auf Berlin zurückgreifen.

    Die heutige Realität ? Wird wohl eher so aussehen, dass die genannten null anpacken werden, aber 1a - Kandidaten für die anstelle der Garagen fertiggestellten Neubauerstbezüge werden ohne irgendwas zu tun !

  11. 24.

    Der kenntnisreiche Wähler schaut genau hin. 34 Jahre nach der Grenzöffnung, die 28 Jahre lang zu war, besteht ein starkes Ungerechtigkeitsempfinden... Mit Konsequenzen.

    Herr Woidke: „Ich werde nicht zulassen...“
    Aber so hat er das nicht gemeint.

  12. 23.

    Der ID. 4 misst je nach Variante 4,582 m bis 4,584 m in der Länge und 1,852 m in der Breite ohne die Außenspiegel. Bis zu 2,108 m beträgt die Breite bei Berücksichtigung der Außenspiegel.
    Die Abmessungen der E-Klasse (W213) sind je nach Variante 4,935 m bis 4,984 m in der Länge und 1,852 m in der Breite ohne Berücksichtigung der Außenspiegel. Mit Außenspiegeln liegt die Breite bei bis zu 2,065 m.
    Versuchen Sie mal IN der Garage ein- oder auszusteigen - viel Spass.

  13. 22.

    Das ist ja auch richtig, da Sie den Boden mit ausgelaufenen Treib- und Schmierstoffen und diversen Reinigungsmitteln kontaminiert haben.

  14. 21.

    Völlig richtig. Das Problem ist nur die bisherige Rechtsform. Denn steht offenbar dem westdeutschen Eigentumsrecht im Wege. Wie gesagt, für sowas gabs den Einigungs- und Staatsvertrag.
    In dem hätte man auch andere Lösungsformen erarbeiten können, hat man aber seitens Ostdeutschland nicht.
    Und wir wissen doch alle wie der juristische Einigungsprozess insgesamt verlaufen ist und warum genau so!!
    Das ist ein eigenes bändefüllendes Thema und in einem anderen Artikel wurde gerade ein Buch beschrieben in dem die Autorin versucht der DDR ein entsprechende Identität zuzuordnen.

  15. 20.

    >“ Dann wird es langsam Zeit diese Straßenparker grundsätzlich zur Kasse zu bitten.“
    Das ist doch schon längst. Unsere 3 Wohnkomplexe hier gehören der Stadt und einer Wohnungsbaugenossenschaft. Die halten und möbeln nicht nur das Umfeld auf, sondern bewirtschaften auch die zu den Blocks gehörenden Parkfächen. Der Grund und Boden gehört denen auch. Wer einen eigenen Parkplatz am Block haben will, muss den mieten. Bei mir 20 Eur / Monat. Was so gesehen auch irgendwie nachvollziehbar ist. Der Besitz, das Pflastern und die Unterhaltung von Parkflächen verursacht ja auch Kosten für den Grundeigentümer.

  16. 19.

    Das ist wieder ein anderes Thema. Eigentumsrechtlich dürfen sie laut BKleingG eine Laube mit oder ohne Freisitz von 24qm Grundfläche errichten. Bestandsgeschützt sind die genehmigten Übergrößen bis 19…
    Das besondere ist hier in Verbindung des BKleingG weiterhin die Möglichkeit des Erwerbs von Eigentum auf gepachteten Grund und Boden.
    Mit der Inkraftsetzung des Schuldanpassungsgesetzes ist diese Art des Eigentumerwerbs ansonsten rechtlicher nicht mehr möglich.
    Es gilt nun überall die Grundregel, einem kann nur das gehören was auf eigenem Grund- und Boden steht.

  17. 18.

    Tja, bei Manchem fängt das Elend beim Versuch an.

  18. 17.

    Die Überschrift "Ost-Luxus" finde ich ja etwas unpassend. Was ist an einer eigentlich sehr genialen Lösung Luxus?
    In der DDR hat man den wohnungsnahen Parkraum eben begrenzt, einerseits durch wenig verfügbare Autos andererseits durch Garagenkomplexe.
    Heute nennt man sowas Anwohnerparkhäuser oder irgendein englisches Buzzword und verdient sich eine goldene Nase dabei. Soll eine bzw. die Lösung für die Entautomobilisierung der Innenstädte sein, die es vor einigen Jahrzehnten ja schon mal in einem kleinen deutschen Staat in quasi jeder Stadt und Gemeinde gab.
    Mein Vater ist jeden Morgen die 500m zur Garage gelaufen, um zur Arbeit zu fahren. Moped, Motorrad und meine ersten Autos standen da auch noch drin.
    Erst einige Jahre nach der Wende hat das Parken im Wohngebiet deutlich zugenommen.
    Aus 3 sind dann schnell 10 Parkplätze geworden.

  19. 16.

    Dann wird es langsam Zeit diese Straßenparker grundsätzlich zur Kasse zu bitten. Wieso sollen nur die Parkmöglichkeiten in Großstädten mit Kosten belegt werden? Wer keine Parkmöglichkeit auf seinem Grundstück vorweisen kann soll sich nicht an Allgemeineigentum gütlich tun dürfen...

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