Bund will sparen - Berlin und Brandenburg lehnen Wissing-Pläne für Deutschland-Ticket ab

Mo 04.09.23 | 21:34 Uhr | Von Thorsten Gabriel
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"Deutschland-Ticket" steht auf dem Display eines Nahverkehrszuges. (Quelle: dpa/Bernd von Jutrczenka)
Audio: rbb24 Inforadio | 04.09.2023 | Thorsten Gabriel | Bild: dpa/Bernd von Jutrczenka

Seit vier Monaten kann man für 49 Euro mit Bus und Bahn quer durch die Republik reisen. Bundesverkehrsminister Wissing hat mehr Geld vom Bund ausgeschlossen. Berlin und Brandenburg reagieren verärgert. Von Thorsten Gabriel

  • Wissing plant, dass allein die Länder künftige zusätzliche Kosten zur Finanzierung des 49-Euro-Tickets übernehmen
  • VBB-Geschäftsführerin Bonde zeigt sich erbost: "So verhält man sich nicht!"
  • Wissing sieht Einsparpotentiale bei Verkehrsverbünden
  • Berliner Verkehrssenatorin will aktuelles Finanzierungsmodell beibehalten

Den 1. Mai 2023 hat Ute Bonde noch in guter Erinnerung – nicht nur, weil sie an diesem Tag ihren neuen Job als Geschäftsführerin beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg antrat. Am 1. Mai brach in Deutschland auch ein neues Zeitalter im Nahverkehr an: Seitdem gilt das "Deutschland-Ticket".

Dass Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) jetzt ein Fragezeichen hinter die weitere Finanzierung des Tickets setzt, erbost die VBB-Chefin: "Herr Wissing, der Bundesverkehrsminister, war derjenige, der das Deutschland-Ticket für 49 Euro eingeführt hat, und die Länder haben dann gesagt: Okay, wir tragen die Hälfte der Kosten mit. Der Bund kann nicht eine Partnerschaft eingehen und sich nach vier Monaten aus dieser Partnerschaft wieder herausstehlen. Das geht nicht. So verhält man sich nicht."

Wissing sieht Einsparpotenzial bei den Verkehrsverbünden

Der FDP-Politiker hatte zwar nicht den kompletten Rückzug des Bundes aus dem Projekt verkündet, aber klar gemacht, dass alle weiteren Mehrkosten ab nächstem Jahr die Länder allein tragen sollten. Verabredet ist bislang, dass sich Bund und Länder die Kosten teilen: je 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Auch bei eventuellen Mehrkosten in diesem Jahr will man halbe-halbe machen. Für die Folgejahre sieht der Bundesverkehrsminister allerdings eher Einsparpotenzial bei den Verkehrsverbünden in den Ländern - und zwar von rund zwei Milliarden Euro. Was VBB-Chefin Bonde aufhorchen lässt: "Diese zwei Milliarden sind irgendwie sehr zufällig genau die Summe, die der Bund eigentlich beitragen müsste, um das Deutschland-Ticket für 49 Euro weiter anbieten zu können."

Manja Schreiner, am 13.09.2018 im Interview. (Quelle: Tagesspiegel/Kai-Uwe Heinrich)
Tagesspiegel/Kai-Uwe Heinrich

Verkehrssenatorin in der rbb24 Abendschau - Schreiner: Bund beim Deutschland-Ticket weiter in der Pflicht

Berlins Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) sieht bei der Finanzierung des Deutschland-Tickets den Bund weiter als verantwortlich an.

Schreiner sagte am Montag in der rbb24 Abendschau, dass mit den Ländern vereinbart worden sei, die Kosten zu teilen. Das Angebot werde sehr gut von der Bevölkerung angenommen. Von daher wäre es schade, wenn das Gemeinschaftsprojekt nun an den Mehrkosten scheitern würde. Sie hoffe aber noch auf eine gute Lösung, ohne dabei konkreter zu werden.

Bundesverkehrsminister: "Frau Bonde schwindelt"

Wissing wies die Kritik von VBB-Geschäftsführerin Bonde entschieden zurück. "Frau Bonde schwindelt", sagt er am Montag im rbb24 Inforadio. Es gebe eine Vereinbarung mit den Ministerpräsidenten und der Bundesregierung, was die Finanzierung für 2023 und 2024 angehe. Daher finde er es eine "etwas ungewöhnliche Vorgehensweise von der VBB solche Dinge in die Welt zu setzen", so der Bundesverkehrsminister weiter.

Zuvor sprach Wissing bereits von einem "Flickenteppich" mit Blick auf die zahlreichen Verkehrsverbünde in den Bundesländern. Für Berlin und Brandenburg weist die Politik diesen Vorwurf allerdings zurück. Hier sei man bereits seit Jahren effizient unterwegs. Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) teilt schriftlich mit: "Das Land Brandenburg und das Land Berlin bilden bereits einen gemeinsamen Verkehrsverbund über beide Länder und sind der flächengrößte Verkehrsverbund. Das wurde bereits 1996 umgesetzt."

Und auch sonst hält Beermann vom Vorstoß aus dem Bund nichts. "Es kann nicht sein, dass die Länder für eine Idee des Bundes künftig auf den Mehrkosten sitzen bleiben sollen." Um den ÖPNV attraktiv zu machen, brauche es in erster Linie ein gutes Angebot, so der Minister. Dafür müsse der Bund endlich die Mittel an die Länder erhöhen, damit die deutlich mehr Leistungen bei den Verkehrsunternehmen bestellen und mehr in die Infrastruktur investieren könnten.

Berlins Verkehrssenatorin kündigt Widerstand an

Für Berlin weist Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) die Kritik des Bundesverkehrsministers zurück. Auch sie fordert, die halbe-halbe-Finanzierung müsse weiterhin Grundlage sein: "Dafür werde ich mich einsetzen. Ich denke, da kann ich auch ganz klar davon ausgehen, dass meine Länderkollegen sich dafür einsetzen werden, weil natürlich muss auch jeder seinen Anteil an Mehrkosten, die immer automatisch durch Energie, Personalkosten etc. auftreten, weiterhin dann tragen."

Auch bei den Einsparmöglichkeiten sehe sie wenig Potenzial: Der VBB sei als Zweiländer-Verbund bereits sehr effizient aufgestellt, sagte Schreiner am Montag radioeins vom rbb.

Dass die Länder so Alarm schlagen, macht vor allem eines deutlich: Dass es das 49-Euro-Ticket dauerhaft geben wird, ist noch keineswegs ausgemacht.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 04.09.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Thorsten Gabriel

180 Kommentare

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  1. 180.

    Mir scheint, Sie wollen einfach nicht verstehen. Es geht nicht so weiter wie die letzten 50 oder 200 Jahre. Das Auto war ne Fehlentwicklung, was Ressourcen, fossile Rohstoffe und Treibhausgase betrifft. Woher kommt denn die Erderwärmung seit Beginn des Industriezeitalters?
    Und ja, genau die Freizeitmobilität ist die einzige Komponente, in mit der was verändert werden kann. Zwei und mehr Generationen vor uns konnten auch überleben ohne Automobilität. Und was die Wirtschaft verlangt, die hat noch nie auf irgend was Rücksicht genommen.
    Ist aber sinnlos, mit Ihnen weiterzudiskutieren, wenn Sie nur eine Seite betrachten und zum Weiterdenken leider nicht bereit sind.

  2. 179.

    In welcher Welt leben Sie denn bitte? In der aktuellen kann es nicht sein. Die heutige Gesellschaft und Wirtschaft verlangt Mobilität! Wie wollen Sie die denn reduzieren? Beim Freizeitverkehr? Das kann man sicher machen, könnte aber zu reichlich Unmut in der Bevölkerung führen. Wofür lebt man denn dann noch?
    Verkehrswende ist nicht die Reduzierung von Mobilität sondern eine bewusste und umweltbewusstere Mobilität.

  3. 178.

    PS: Was haben die Grünen damit zu tun? Sitzt von denen einer in der Geschäftsleitung, im Vorstand oder im Aufsichtsrat?

  4. 177.

    Da denkt keiner dran, weil die Verantwortlichen alle mit Auto fahren oder fliegen. Aber es gibt einen Gepäckservice bei der DB. Allerdings keinen Gepäckwagen wie vor fuffzich Jahren, sondern das Angebot, man könne sein Gepäck von Hermes per LKW für 3 € weniger als bei Hermes direkt transportieren lassen. Da kommen dann für ca. 25 kg nochmal rund 30 € zum Fahrpreis hinzu. Von irgendwas müssen die ja auch leben. schluchz

  5. 176.

    "Es müßte einen Gepäckservice bei der Bahn geben." Gibt es, habe ich auch schon für den Urlaub an der Ostsee genutzt und mußte keine Koffer schleppen.

  6. 174.

    Was immer vergessen wird: Es müßte einen Gepäckservice bei der Bahn geben. Mit größerem Koffer kann eine Bahn/Busfahrt schnell zum Problem werden. Da nutzt kein Billigangebot. Den Grünen fällt ja immer nur ihr Fahrrad ein, das man in Urlaubsgebieten auch mieten kann und nicht unbedingt mitnehmen muss.

  7. 173.

    Dieses hin und her mit dem 49 Ticket kann ich langsam nicht mehr hören. Bei Bürgergeld, Kindersicherung, Kindergeld für ausländische Bürger und natürlich da ein paar Millionen und da ein paar Million werden ganz schnell verabschiedet. Hinzu kommt die Rüstung für die Ukraine. Nur für das deutsche Volk! muss immer diskutiert werden. Ein 365€ Ticket für Berlin und Brandenburg und basta. Wer an die Ost oder Nordsee will muss dann das Bahn Ticket kaufen. Bisher gab es das 65 plus ging auch gut.

  8. 172.

    Benutzen Sie alle diese Möglichkeiten, wenn Sie dass so wollen. Wenn ich um vier auf Arbeit sein muss, werde ich weiterhin das Auto nehmen genauso wie zu Arztbesuchen oder Shoppingtouren...bringt mir im Leben meistens mehr Freizeit und keine überfüllten Busse und Bahnen. Das ist es mir wert.

  9. 171.

    Ich fahre so oft es geht mit den Öffis. In der Regel klappt es prima. Die Fahrpreise sind angemessen.Trotzdem werde ich immer mein Auto vorhalten. Wenn einzelne Bundesländer für ihre Bürger "Gratisfahrten" haben wollen, soll das auch ausschließlich aus dem Landeshaushalt beglichen werden. Die "Geiz ist Geil Mentalität" sollte endlich zurückgefahren werden. Bezahlen müssen es nämlich immer die anderen.

  10. 170.

    Ihre Argumente betreffen doch nur einen Bruchteil. Sonst hätten in Berlin nicht so viele privat ein Auto.
    Mir scheint mittlerweile, Sie legen das Konzept „Verkehrswende“ genau so falsch aus wie die Wirtschaft. Es geht aus ökologischer Sicht nicht um mehr Mobilität, sondern um weniger! Wo steht denn, dass jeder jederzeit uneingeschränkt mobil sein muss? Ja ja, Arztbesuche tralala - da kann ma sich ein Taxi nehmen, Krankentransport oder einen Nachbarn bitten.
    Und von ÖPNV-Sonderformen scheinen Sie wohl auch noch nichts gehört zu haben: Anrufbus, Bedarfsbus, Bus-auf-Knopfdruck, Anruflinienfahrt, Anruf-Sammel-Taxi, Linientaxi, Bürgerbus etc.
    Apropos „Ein Bus, der nur mit einem Fahrgast durch die Dörfer tingelt ist ökologisch und ökonomisch schlechter als diese Strecke individuell zurückzulegen.“ Nein, wenn Kleinbusse für 8 Personen eingesetzt werden, sind die nicht unökonomischer/-logischer als SUVs.
    Wer sich auf’m Dorf vorwärts bewegen will, kann immer noch det Fahrrad nehmen.

  11. 169.

    Meine Güte, Ihre Argumentationen werden ja immer kruder! Ob jemand ein Auto besitzt oder nicht, ist doch gar nicht von Belang für die Verkehrswende. Von Bedeutung ist, ob man den Großteil seiner Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln überhaupt zurücklegen kann. Das mag in den Ballungsräumen ja noch ganz gut funktionieren. Abseits davon sieht es aber ziemlich duster aus. Davon ab ist der eigene PKW überlegt genutzt sogar vorteilhaft, weil der ÖPNV gar nicht alle Mobilitätsszenarien abdecken kann und soll. Ein Bus, der nur mit einem Fahrgast durch die Dörfer tingelt ist ökologisch und ökonomisch schlechter als diese Strecke individuell zurückzulegen. Nur, wenn alle individuell mobil sein müssen, weil es gar keinen Bus gibt, dann hat der Staat bei der Verkehrswende versagt.

  12. 168.

    Es geht um die Kosten der Infrastruktur, und diese wird im Falle der Straße anders als bei der Schiene nach wie vor kostenlos bzw. steuerfinanziert zur Verfügung gestellt.

  13. 167.

    Der Unterschied aus meiner Sicht ist der folgende: Andere Länder schauen und handeln gemäß ihrer Anschauung., auch wenn es ggf. mal "unrund" läuft. In Deutschland wird auch geschaut, es werden zuweilen hochkarätige Konzepte erarbeitet und das Ganze scheitert dann daran, dass es nicht gelingt, 100 %ig den Eventualfall des Eventualfalles des negativen Eventualfalles auszuschließen, der sich irgendwann dabei sicher einstellt. 99 % Ausschluss eines Missbrauchs oder eines "Unrunden" reichen nicht aus. Damit hat sich nur eine SED zufriedengegeben.

    (Okay, das ist sarkastisch. Aber auch das muss manchmal sein. ;-)

  14. 166.

    Zahlen bitte ... Aufkommen ... Ausgaben ... natürlich gesamthaft (Investition, Erhaltung, externe Kosten). Vlt. ergibt sich daraus eine unbequeme Wahrheit ... nurnin welche Richtung?

  15. 165.

    Antwort auf "Marlies" vom Dienstag, 05.09.2023 | 00:39 Uhr
    "Zuviele sinnlosfahrten die Züge verstopfen und Pendler nerven." Was bitte sind denn "sinnlosfahrten"?? Alle, die nicht beruflicher Natur sind? Familien, die raus aus der Stadt oder in den Urlaub möchten? Das "Desaster" sind die Menschen, die glauben, dieses Ticket sei ausschließlich für sie, als rundum-sorglos-Paket mit Sitzplatzanspruch gemacht. Wenn alle gleichzeitig in die Ferien starten, ist überall Chaos, nicht nur bei der Bahn. Es ist doch logisch, dass ich mein Ticket, das hauptsächlich für den Arbeitsweg ist, auch in der Freizeit für "Spaßfahrten" nutze, die ich mir sonst vielleicht nicht leisten könnte - wollen Sie mir das verbieten? Jede:r muss das nach seinen individuellen Bedürfnissen entscheiden dürfen.

  16. 164.

    Vermutlich muss Nahverkehr sich in Österreich nicht so krass rechnen wie in der BRD. Db Netz muss ja z. B. Gewinnorientiert arbeiten.

    In Österreich wird vielleicht auch nicht davon ausgangen, dass jeder Dorfbewohner mindestens ein Auto besitzt.

    Der spnv wurde bis zum ursprünglich-geplanten Börsengang der DB AG teilweise ausgedünnt/eingestellt.

    Bahnfahrer haben halt keine lobby.

  17. 163.

    Jeder LKW, jedes Taxi, jedes über, jeder Bus muss auch Steuern zahlen und dürfen daher auch die subventionierte PKW-Infrastruktur nutzen.

    Ich finde dies einen guten Vergleich zum 49 Euro Ticket. Auch die Infrastruktur für den ÖPNV wurden aus staatsgeldern mitfinanziert.

  18. 162.

    Fakt ist, die Franzosen haben einen Narren an dieses 49 € Ticket gefressen und werden das auch einführen. Wir können uns darauf einstellen, dieses Ticket wird in ganz Europa zum Schlager, und endet für Deutschland wie der Transrapid. Wir haben gute Ideen, solange dann nicht Schwager, Trauzeugen und Vetter kommen um so viel Bürokratie mit einzubauen damit es sich im Hintergrund für ganz wichtige Leute auch finanziell richtig lohnt, oder? Daran scheitert doch alles in Deutschland. Wenn aus Brüssel was vorgeschrieben wird, dann setzen das alle um, nur der Deutsche, der muss dann noch richtig ein oben drauf hauen, damit es dann auch deutsch ist.

  19. 161.

    Mit Pöbeleien und Forderungen nach Verdopplung der Bahnticketpreise stellen Sie sich als Autofahrerin kein gutes Zeugnis aus. Das ist echt extrem.

    Was würden Sie sagen, wenn die Fahrt mit ihrem geliebten Auto plötzlich doppelt so teuer wird? Die Straßen in Deutschland verursachen jährlich Kosten in astronomischer Höhe. Denken Sie mal drüber nach. Seien Sie froh, dass Sie keine Maut zahlen müssen, bevor Sie umweltfreundliche Angebote wie das Deutschlandticket attackieren.

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