Diskussion nach Pro-Palästina-Demo - Wann Ausweisungen und Abschiebungen möglich sind

Mo 16.10.23 | 19:21 Uhr | Von Christoph Reinhardt
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Polizisten (links) sind am 15.10.2023 bei einer verbotenen Pro-Palästina-Demonstratin am Potsdamer Platz in Berlin im Einsatz. (Quelle: Picture Alliance/Paul Zinken)
Audio: rbb24 Inforadio | 16.10.2023 | Christoph Reinhardt | Bild: Picture Alliance/Paul Zinken

Bundesinnenministerin Faeser und Innensenatorin Spranger befürworten die Ausweisung von Hamas-Unterstützern aus Deutschland. Abschiebungen sind allerdings keine Strafen, sondern Instrumente des Ausländerrechts. Und das ist kompliziert. Von Christoph Reinhardt

Nach der verbotenen und eskalierten pro-palästinensischen Demonstration am Potsdamer Platz am Sonntag hat die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) angekündigt, Straftäter und ausreisepflichtige Personen konsequent auszuweisen - wenn das möglich sei. Die rechtlichen Grenzen für Abschiebungen sind allerdings eng.

Ausweisungen und Abschiebungen sind keine Strafen, sondern Instrumente des Ausländerrechts. Für deutsche Staatsangehörige kommen sie nicht in Frage, auch nicht bei einer doppelten Staatsangehörigkeit. Wenn ein Ausländer eine "Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" ist, so sieht es das Aufenthaltsgesetz vor, kann ausgewiesen werden. Das gilt vor allem für Straftäter - wenn sie rechtskräftig verurteilt sind. Die Taten müssen aber ein bestimmtes Gewicht haben.

Gewalt auf Demos könnte Grund darstellen

Gewalt auf einer Demonstration, wie am Wochenende bei der pro-palästinensischen und israel-kritischen in Berlin, kann dazugehören. Schwere Straftaten gegen das Leben, Körperverletzung, auch Angriffe auf Polizeibeamte wiegen besonders schwer. Einfach nur an einer verbotenen Demonstration teilzunehmen, reicht nicht aus.

Eine andere Sache ist es, einer terroristischen Organisation anzugehören oder sie aktiv zu unterstützen. Wenn die Behörde sich bei einer Ausweisung darauf beruft, muss sie allerdings konkrete Tatsachen vorlegen, die gegebenenfalls der Überprüfung durch ein Gericht standhalten. Auch der Aufruf zu Hass und Gewalt kann ein Ausweisungsgrund sein, und wer für Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Terroranschläge wirbt oder sie billigt, muss ebenfalls damit rechnen.

Problematische Voraussetzungen in Krisenregionen

Jede Ausweisung muss aber im Einzelfall abgewogen werden. Wer seit langer Zeit in Deutschland lebt oder hier geboren ist, eine Familie hat und Kinder betreut, kann nicht so leicht ausgewiesen werden. Eine Abschiebung ist dann das letzte Mittel, wenn die Betroffenen nicht von selbst ausreisen. Und wenn die Voraussetzungen vorliegen, die aber gerade bei Abschiebungen in Krisenregionen problematisch sind.

Wenn sich das Herkunftsland weigert, die abgeschobene Person aufzunehmen, etwa weil Papiere fehlen, die Identität umstritten ist oder wenn ihr dort Gefahr für Leib und Leben drohen, kann eine Abschiebung nicht durchgeführt werden.

In Berlin lag die Zahl der Ausreisepflichtigen zum 30. Juni nach Auskunft der Innenverwaltung bei 17.436 Personen, davon verfügten allerdings 15.261 über eine behördliche Duldung, 2.175 Fälle waren offen. Aus Berlin zwangsweise abgeschoben wurden in diesem Jahr bis einschließlich Juli 762 Personen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 16.10.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Christoph Reinhardt

52 Kommentare

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  1. 52.

    Ja, deshalb müssen Gesetze geändert werden und das Mögliche auch jetzt endlich getan. Menschen müssen mit Auslaufen des Fluchtgrundes auch wieder gehen, Wohnung und Arbeit hin oder her. Mit der erworbenen Bildung können sie das Herfunftsland zu einem NIcht-mehr-Wegwollen-Land machen.
    Wenn das nicht geschieht, ist – wie jetzt – kein Platz für neue Flüchtlinge (und auch nicht für Migranten, auch keine mit Visum, denn auch die bekommen keinen Kitaplatz, keine Wohnung) und "Deutsch"land ist in Kürze ein Multikulti-"Hafen".
    Wie das funktioniert, sehen wir jetzt hier, sehen wir in der Geschichte: Balkan, Armenien, Spanien, überall …

  2. 51.

    Verstehe die Argumentation Israels so, dass die Hamasleute as dem Gazastreifen kamen, nun (mit Geiseln, nach übelstem Mordterror) wieder dort sind, nicht zu unterscheiden von den sonstigen Bewohnern.
    Erste Hilfslieferungen haben sie sich abgezweigt, statt zunächst die Bevölkerung zu versorgen, für die sie vorgeben, tätig zu sein.
    Wie kann also eine Lösung aussehen, gibt es eine?

  3. 50.

    Sie versuchen moralisch ein Dilemma zu lösen, was sich nicht lösen lässt. Ich hoffe sie erkennen den Unterschied selbst, in der Lokalisierbarkeit in Raum und Zeit.
    Aber glücklicherweise moderieren ja die USA diese Krise, wie erwartet, vernünftig, indem eine Bodenoffensive erst dann das amerikanische „go“ bekommt, wenn die Zivilisten hinreichend umgesiedelt und versorgt sind.
    Und selbst dann werden die Israelis nicht einfach alles umnieten was sich bewegt, sondern gezielt versuchen die Tunnelsysteme zu zerstören.
    Wer noch mehr Moral will, muss selbst nach Gaza und Hand anlegen.

  4. 49.

    Der Beitrag suggeriert Abschiebungen. Die Praxis sieht anders aus. Wenn abgeschoben sind es gut integrierte mit eigenem Wohnraum und einer festen Arbeit. Warum?
    Weil man sie greifen kann, sie sind bekannt.

    Wir doktorn wie immer an den Auswirkungen rum ohne die Ursachen zu ändern.
    Vor zwei Jahren, als die Migranten an die Grenze zu Polen geflogen wurden, schrieb ich bereits, dass der Weg ins "gelobte Land" nicht verbaut wird, solange das Märchen von den goldenen Türklinken im eigenen Palast kursiert.
    Gegenwärtig ist es so, dass diejenigen, die hier ankommen, es geschafft haben. Die kriegt man nicht mehr raus und das wissen die, die sich noch auf den Weg machen werden, auch. Das ist das Problem.

  5. 48.

    Was für ein blödsinniger Kommentar. Aber gut, auch wir sind schuld daran mit einer unfähigen Ampel bestraft zu sein.

  6. 47.

    Bei dieser Regierung warscheinlich gar nicht.
    Ich weiß wirklich nicht warum die Damen und Herren nicht merken das die Menschen hier in Deutschland mit Verlaub gesagt, die Schnau-e voll haben von der Ampel.

  7. 46.

    "integrierbare Subjekte ausgeschafft werden können!"
    Dieser Teil Ihres Kommentares klingt in etwa so, wie der vordere Teil des Ortes, aus dem Sie kommen.

  8. 45.

    "Meinungsfreiheit und -äußerung muss immer erlaubt sein in einem freien Land! " Der gesetzliche Rahmen ist mit/ohne Wunschdenken: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_8.html

  9. 44.

    Palästina gibt es als Nation nicht, diese Gebiete gibt es in Jordanien. Dort ist ihre Heimat und dafür gibt es kein Recht auf Terror auf Nachbarländer. Wer sich mit Hamas verbündet muss sich über Konsequenzen nicht wundern

  10. 43.

    Als damals der Terror in Paris über hundert Opfer brachte, wurden die Täter gesucht, ausgeschaltet usw. Dabei erschoss oder bombardierte man keine unschuldigen Pariser Einwohner bei der Suche.
    Israel hat bisher mehr Zivilisten getötet in Gaza als die Hamas Unschuldige in Israel, dabei aber die eigentlichen Terroristen kaum erwischt. Was macht das mit den Menschen die sehen was in Gaza passiert? Ein offenes Gefängnis das keine Flucht bietet, aber Tod

  11. 42.

    Eben. Nie wieder!!! Daher ist es unerträglich, dass die Ursachen des Hasses auf diese "Gruppe" von MENSCHEN nicht analysiert wird. Auch Kritik an einer Religion, die etwas suggeriert, ist etwas entschieden anderes, als Menschen zu pauschalisieren. Aber die Gesellschaft scheint mir kaum in der Lage oder interessiert, die Ursachen zu entziffern, damit keinesfalls(!) sich Hass und Massenmorde wiederholen! Jedes menschliche Leben ist unendlich viel Wert! Symptombekämpfung oder jahrzehntelange Verurteilen der Hamas und anderer Terrorgruppen in Nahost wird nichts ändern. Genauso wenig, wie ewig herumwundern, dass das Klima nächstes Jahr die 1,5 °C knacken wird!

  12. 41.

    Es müssen endlich die rechtlichen Voraussetzungen für REMIGRATION geschaffen werden, damit endlich nicht in unsere Demokratie und Kultur integrierbare Subjekte ausgeschafft werden können!

  13. 40.

    "Orthodoxe Juden vermeiden Frauen die Hand zu geben." Was für ein unsäglicher Whataboutism, um die Sympathisanten des Hamas-Terrors zu verharmlosen. Precht und Lanz hätten eine Freude an Ihnen.

  14. 39.

    Einfach nur an einer verbotenen Demo teilzunehmen, reicht mit Sicherheit für eine Abschiebung nicht aus. Lesen Sie dazu mal den Abschnitt "Gewalt auf Demos könnte Grund darstellen" in
    https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2023/10/berlin-hamas-unterstuetzer-abschiebung-ausweisung-auslaender-strafe-bedingungen.html

  15. 38.

    Laut Medienberichten entlassen manche Staaten (Naher Osten) ihre Bürger generell nicht, ob diese es wollen oder nicht. Das heißt, sie bleiben ein Leben lang mit 1. Staatsbürgerschaft Angehörige des Herkunftslandes.

    Sich eine Staatsbürgerschaft "aussuchen", hm.

    Einen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt in einem anderen Land, für eine Weile, vielleicht. Aber nicht ohne Zustimmung dieses Landes, der Menschen dort.

  16. 37.

    Warum nicht eine Weltbürgerschaft einführen? Für jede/n ohne sicheren Herkunftsnachweis und jede/n, der eine Staatsbürgerschaft abgeben will (das gibts auch).

    Bei den Welt-Oberen-Treffen (z. B. UN) wird dann ausgehandelt, was der Status im Einzelnen mit sich bringt und wohin man ggf. ausgewiesen werden darf, wenn z. B. Staaten ihre Kriminellen nicht zurücknehmen "wollen".

    Wenn einige Staaten ein Territorium für Menschen mit Status Weltbürgerschaft abtreten/vorhalten würden, die zusammengenommen ein ausreichend großes Areal ergeben, hätte man auch einen Abschiebeort. Das ist wohl besser, als die kriminellen als nicht-abschiebbar zu unterhalten oder frei laufen und mal machen zu lassen.

  17. 36.

    Frauen nicht abzuwerten, genau wie Männer, ist DNA in unserer Kultur. Migranten bringen ihre eigene mit, müssen sie hier aber im Privaten ausleben. Hier müssen sie sich anpassen, die Kultur achten neben den Gesetzen.

    Besonders, wenn sie hier kein Visum haben, sondern Schutz finden, den wir freiwillig geben, an Menschen aus Ländern, die das meist nicht anbieten.

    Auch hier gab es Unterdrückung, Ungleichheit, Diskriminierung. Wir haben das selbst beendet, das Heute erstritten, wovon so viele aus aller Welt angezogen werden. Die Menschen in aller Welt müssen diesen Weg der Veränderung auch gehen, selbst für sich erstreiten, und nicht meinen, Sie hätten ein Anrecht auf Staatsbürgerschaft in einem anderen Land, und das auch noch lebenslang, egla, wie sie sich verhalten.

  18. 35.

    Weil 2.000 Menschen in einer 4.000.000 Stadt bleiben wollen treiben Politik und Medien fast täglich eine Sau durchs Dorf um Stimmung für Deportationen zu machen. Hatten wir das nicht erst vor kurzem in der Geschichte...?

  19. 34.

    Liebe Morena, ich stimme Ihren Ansichten im gewissen Rahmen zu - aber ich habe eine ernst gemeinte Frage: welchen Vorschlag hätten Sie in bezug auf den Umgang mit ausländischen Straftätern?
    Ich meine, Sie sind offensichtlich eine Gegnerin von Abschiebungen (kann ich nachvollziehen!), aber das einzige was man von Abschiebungsgegnern hört ist immer nur -"das geht nicht!". Also konkret und ernsthaft gefragt, was soll man machen? Warum soll sich der Gastgeber das unmögliche Verhalten seines Gastes gefallen lassen? Sie würden doch sicherlich jemanden, der sich in Ihrer Wohnung als Gast daneben benimmt, doch auch rauswerfen und nie wieder einladen?!
    Bitte nicht falsch verstehen, dies ist eine wirklich ernstgemeinte Frage, weil ich keine Antwort habe - haben Sie eine (ebenso ernstgemeinte) Antwort?
    Vielen Dank!

  20. 33.

    Momentmal, eine ausreisepflichtige Person dürfte eigentlich gar nicht auf Demonstrationen vor Ort sein, weil ausreisepflichtig. Ist man denn erst ein anerkannter Ausreisepflichtiger wenn man eine "Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" ist und Straftaten begeht? Irgendwie kommt die Menschheit so nicht weiter.

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