Klage von Umweltverbänden - Berlin-Brandenburger Gericht verpflichtet Bund zu mehr Klimaschutz

Do 30.11.23 | 21:12 Uhr
  129
Abgase von einem Auto zeichnen sich ab vor der untergehenden Sonne in Berlin. (Foto: Florian Gaertner/photothek.de)
Audio: rbb24 Inforadio | 30.11.2023 | Bild: Florian Gaertner/photothek.de

Deutschland hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt, aber mit der Umsetzung hapert es vor allem im Verkehr und bei Gebäuden. Die Bundesregierung muss einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg zufolge sofort gegensteuern.

  • Umweltverbände setzen sich vor OVG durch
  • Bundesregierung muss mit zusätzlichen Maßnahmen Klimaziele besser verfolgen
  • im Fokus vor allem Gebäude- und Verkehrssektor
  • Kläger fordern erneut Tempolimit auf Autobahnen
  • Bundesregierung will Urteil anfechten

Neuer Rückschlag vor Gericht für die Ampel: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat die Bundesregierung verurteilt, Sofortprogramme für mehr Klimaschutz im Verkehr und bei Gebäuden aufzulegen. Der 11. Senat gab am Donnerstag Klagen der Deutschen Umwelthilfe und des Umweltverbands BUND statt.

Die Kläger begrüßten das Urteil und forderten sofortiges Handeln - etwa mit einem Tempolimit. Die Bundesregierung will juristisch gegen das Klimaschutz-Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vorgehen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat das dem ARD-Hauptstadtstudio bestätigt. Die Regierung kann Revision einlegen und die Wirkung des Urteils damit aufschieben.

Um Klimaziele bis 2030 zuerreichen, braucht es zusätzliche Maßnahmen

Es geht um das Klimaschutzgesetz, das derzeit für jeden Sektor jährliche Ziele zur Senkung der schädlichen Treibhausgase vorschreibt. Werden diese in einzelnen Sektoren verfehlt, muss laut Paragraf 8 des Gesetzes das jeweils zuständige Ministerium mit einem Sofortprogramm gegensteuern. 2022 wurden die Ziele für Verkehr und Gebäude gerissen. Die Lage ist aber kompliziert, weil die Ampel bereits verabredet hat, genau die jetzt vor Gericht umstrittenen Klauseln zu ändern.

Das Gericht stellte nun fest, dass die Bundesregierung mit zusätzlichen Maßnahmen gegensteuern muss, um die Klimaziele für die Jahre 2024 bis 2030 sicher zu erreichen. Die Vorsitzende Richterin Ariane Holle legte in der mündlichen Begründung dar, dass die Regierung zwar im Oktober 2023 als Reaktion auf die zu hohen Emissionswerte ihr Klimaschutzprogramm ergänzt habe. Das sei aber ein eher mittel- bis langfristiges Instrument. Das im Gesetz geforderte Sofortprogramm sei etwas anderes.

"Bei Sofortprogramm und Klimaschutzprogramm handelt es sich um zwei unterschiedliche Instrumente", sagte Holle. Das Sofortprogramm sei als konkrete Reaktion auf eine Zielverfehlung vorgesehen, um die Erfüllung der Ziele in den folgenden Jahren sicherzustellen, begründete die Vorsitzende Richterin das Urteil. Das Argument der Bundesregierung, die Klage sei gar nicht zulässig, wies das Gericht zurück.

Reform noch nicht beschlossen

Die Koalition will mit der verabredeten Änderung der jetzt vor Gericht umstrittenen Klauseln sicherstellen, dass nicht mehr für jeden Sektor verpflichtende Jahresziele umzusetzen sind, sondern dies nur noch für die Einhaltung der Gesamtziele beim Klimaschutz gilt. Diese Reform ist aber noch nicht beschlossen und sehr umstritten. Bei den Klimazielen selbst soll es bleiben: Gesetzlich festgelegt ist, dass die Treibhausgase bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken müssen. Erreicht waren im vergangenen Jahr gut 40 Prozent Minderung.

DUH: Entscheidung kommt genau zum Auftakt der Weltklimakonferenz

Für die Deutsche Umwelthilfe sagte Geschäftsführer Jürgen Resch der Deutschen Presse-Agentur: "Wir freuen uns sehr, weil wir lange auf dieses Urteil gewartet haben. Jetzt kommt es genau zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Dubai. Das ist kein Zufall." Die Bundesregierung habe attestiert bekommen, dass sie ihre eigenen Klimaziele nicht einhalte.

"Das ist eine ganz eindeutige Aufforderung, jetzt nicht mit weiteren Taschenspielertricks um Maßnahmen herumzukommen", meinte Resch. Jetzt müssten alle Maßnahmen ergriffen werden, die zumutbar seien und nichts kosteten oder sogar Geld einbrächten.

Resch nannte ein Tempolimit auf Autobahnen und ein sofortiges Sanierungsprogramm für öffentliche Gebäude wie Schulen oder Kitas sowie den Abbau klimaschädlicher Subventionen, der seiner Ansicht nach das nötige Geld in die öffentlichen Kassen bringen könnte. Er erwarte, dass die Reform des Klimaschutzgesetzes nicht komme und dass die Bundesregierung auch nicht in Revision gehe. "Nein, Deutschland muss jetzt ein Zeichen setzen", sagte der Verbandsvertreter.

Revision zum Bundesverwaltungsgericht aber noch möglich

Der Klägeranwalt Remo Klinger räumte allerdings ein, dass eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht die Wirkung des Berliner Urteils zunächst aufschieben würde. "Ich rechne erstmal damit, dass die Revision eingelegt wird durch die Bundesregierung", sagte Klinger. Er erwarte aber auch vor dem Bundesverwaltungsgericht einen Erfolg.

Die Bundesregierung prüft nach Angaben von Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) einen entsprechenden Schritt. "Das Gericht hat die Revision ausdrücklich zugelassen. Die Bundesregierung wird die Urteile und ihre Begründungen, sobald diese schriftlich vorliegen, im Einzelnen genau auswerten und das weitere Vorgehen prüfen."

Sendung: rbb24 Inforadio, 12:30

129 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 129.

    Ok, die Erklärung ist nun aber ziemlich offensichtlich.
    Daher ist Ihre Frage zur Verantwortung eines grünen Wirtschaftsministers an dem Anstieg schon allein fragwürdig.
    Glauben Sie der hat das gern genehmigen lassen, dass die alten Kohlekraftwerke nochmal ran dürfen nur weil Putin den Gasmarkt manipuliert hat.
    Warten Sie mal ruhig 2023 ab. Auch wenn es hier immer wieder gern anders behauptet wird aber 2023 wird ganz sicher eines der, wenn nicht sogar das schwächste Kohlejahr in Deutschland. Da kann der Dezember nicht mehr viel dran drehen.
    Importierter Strom ist mit größter Sicherheit CO2 ärmer als unser eigener, weil nur bei zu wenig Wind und Sonne importiert wird.

  2. 128.

    Diese komischen Organisationen sollten erstmal bei sich selber anfangen...
    Keine Autos, keine Reisen keine Technik... Dann können Sie Vorschläge machen

  3. 127.

    Genau, aber für die gute Sache wird er dann verdrängt .
    Und auf welche Kosten geht dann jetzt die Energiewende auf Kosten der Länder die daran mitverdienen wollen , denen Umweltschutz ein Fremdwort ist und zB Unternehmen wie Tesla sich daran dumm und dämlich verdienen.

  4. 126.

    Kennen Sie den Straftatbestand des Vorwurfes im Unfallfalle?
    „Ist es nicht egoistischer, wenn man nicht mehr schneller fahren kann, weil „Ausscherer“ das so wollen?"

    NEIN!

  5. 125.

    Ich wollte es einfach halten, da ja um v zu erreichen wenigstens die Bewegungsenergie zugeführt werden musste. Natürlich muss zusätzlich Rotations-, Reibungs- und Hubarbeit verrichtet werden.
    Da sie beim Verbrenner keine Energie rekuperieren, reicht v^2.

  6. 124.

    Ich brauche kein großes Vermögen. Ich habe Einkünfte für den täglichen Bedarf, Ersparnisse für größere Ausgaben, bin versichert und hab für das Alter vorgesorgt. Niemand braucht mehr. Vermögen, welches man niemals ausgeben kann, fehlt an anderer Stelle.
    Eine Klimavermögenssteuer würde die Gesellschaft auch nicht ärmer machen, sondern die eingezogenen Gelder während der Transformation in Form von Gehältern und Gewinnen wieder zurückfließen lassen.

  7. 123.

    "je schneller das Sit, desto eher das Bumm - hat Otto schon in den 70igern anschaulich dargestellt.
    Egal, wünschenswert wäre mir wenn ein Immanuel mal intensiver/konkreter auf den/die Beiträge kommentiert,
    und nicht gefühlt nur auf Kommentare.
    Übrigens würde ICH mich nie "Wünschen" der DUH, dem BUND und so unterwerfen, solange ich auch bisherige Möglichkeiten noch weiter nutzen kann.
    Und wenn meine Kids und Enkel daherkommen und sagen: denkst du gar nicht an unsere Zukunft? sage ich: ihr existiert wegen meiner Zukunft!!!

  8. 122.

    Jahrzehntelang hat der Raubbau an der Natur nicht interessiert, wenn es um die Energiewende geht, ganz plötzlich aber schon.

  9. 121.

    Ja das ist immer eine Gewissensfrage. Raubbau an der Natur, um an die Rohstoffe für neue Technologien heranzukommen, ist ein Teil dieser Gewissensfrage. Da brauchen wir nicht erst bis in Hungerländer zu schauen. Portugal ist in Europa mit allen Arbeitnehmerrechten. Dort ist der Raubbau an der Natur durch den Abbau von Lithium ein landesweites Umweltthema. Es bleibt insgesamt die Erkenntnis, dass man das eine nicht ohne das andere haben kann. Welche Interessen in der Schlussrechnung über Jahrzehnte überwiegen, ist dann eine gesellschaftliche Entscheidung. Eine schnelle Grundsatzentscheidung als Konsenz tut Not. Sonst werden wir weiterhin noch diese Diskussionen haben z.B. über FÜR Solar und Akkuspeicher und WIDER dem Zerstören der Natur und Arbeitnehmerrechten durch den Abbau wichtiger Rohstoffe.

  10. 120.

    Sie können nicht verhindern, dass Menschen das schnelle Reisen nicht nur schön finden, es kann auch zeitliche Vorteile haben. Auf der Langstrecke. Neulich bin ich mit über 300 an einem Porsche vorbeigefahren. Das hatte was. Zwischen Köln und Frankfurt/Main.
    Parallel zur Autobahn mit dem ICE. Schön das es kein T.limit da gab. Für die Bahn.
    Wollen Sie verstehen, dass das Reisen weniger an Einsparungen, bis sogar gar keine, produziert? Einfach weil die Menschen reisen wollen. Es wird sogar mehr. Deshalb haben Limits (Differenzgeschwindigkeiten) keine Klimabedeutung. Weder bei der Bahn, noch im Flugzeug, noch im Auto. Und das (Kreuzfahrt-) Schiff? Ha, da habe ich mich selbst überführt. Da würde es doch was bringen. Sie sehen, ich schaue genau hin , selbstkritisch... aber sachlich.

  11. 119.

    erge58:
    "Und wie die Eisnparung durch Tempolimit errechnet wird, hat mir auch noch keiner erklärt."

    Sie haben bloß noch nicht danach gesucht! Denn hier in den Kommentaren stehen die Antworten!
    Tempolimit bedeutet weniger Energieaufwand und damit weniger Energieverbrauch und infolgedessen weniger CO2-Ausstoß!

    erge58:
    "Aber was nutzen Fakten, wenn man viel Meinung hat"

    Oh, Selbstkritk!

    P.S.
    Selbst wenn der Effekt eines Tempolimits gering ist:
    1. Viele kleine Sachen mit geringen Effekten können in der Summe einen großen Effekt bewirken!
    2. Tempolimit ist die Maßnahme, die die wenigsten Kosten, also genau (fast) keine Kosten verursacht! Manb muss nur das Gesetz erlassen und publik machen, mehr nicht! Das gilt dann sofort - ohne neue Schilder! Man braucht keine neuen Schilder! Man muss nur vielleicht an einigen Stellen die Schilder anpassen.
    Vom Kosten-Nutzen-Verhältnis ist das Tempolimit unschlagbar gut, selbst dann, wenn der Effekt gering ist!

  12. 118.

    erge58:
    "Es nutzt auch nix, wenn ich hier eine Wärmepumpe installiere, die mit Strom aus Jänschwalde betrieben wird."

    Doch! Denn es ist besser, aus jeder kWh Strom mehr herauszuholen. Beim Heizen mit Strom holen Sie aus jeder kWh Strom genau eine kWh Heizarbeit heraus. Mit einer Wärmepumpe holen Sie aber aus jeder kWh Strom 3 oder mehr kWh Heizarbeit heraus und sparen damit Strom!

  13. 117.

    Es ist überhaupt kein Nebeneffekt sondern eine sichere Größe wegen v^2, wir erinnern uns kurz, eine einfach zu realisierende Maßnahme gegen Treibhausgasemissionen. Die stand bereits im Wahlkampfprogramm der Grünen und wurde auch als ersten Schritt von sämtlichen Umweltorganisationen gefordert.

  14. 116.

    Ein ähnliches Problem existiert ja auch im Amazonasgebiet, wobei in Brasilien Präsident Lula jetzt wenigstens versucht, etwas gegenzusteuern, aber er übernimmt halt auch das "Erbe" von Bolsonaro.

  15. 115.

    Wossi:
    "Antwort auf [Turtle] vom 30.11.2023 um 17:48
    Ist es nicht egoistischer, wenn man nicht mehr schneller fahren kann, weil „Ausscherer“ das so wollen?"

    NEIN!

    Wossi:
    "Und Argumente finden, die unhaltbar sind (wenn man nachrechnet oder nachmisst)?"

    Welche Argumente sind denn "unhaltbar"?

    Wossi:
    "Es gibt doch gute Gründe dafür, dass Regeln der Skipiste nicht im Straßenverkehr taugen."

    Hat das irgendetwas mit dem Thema hier zu tun? NEIN!

  16. 114.

    Sie können nicht verhindern, dass Menschen das schnelle Reisen nicht nur schön finden, es kann auch zeitliche Vorteile haben. Auf der Langstrecke. Neulich bin ich mit über 300 an einem Porsche vorbeigefahren. Das hatte was. Zwischen Köln und Frankfurt/Main.
    Parallel zur Autobahn mit dem ICE. Schön das es kein T.limit da gab. Für die Bahn.
    Wollen Sie verstehen, dass das Reisen weniger an Einsparungen, bis sogar gar keine, produziert? Einfach weil die Menschen reisen wollen. Es wird sogar mehr. Deshalb haben Limits (Differenzgeschwindigkeiten) keine Klimabedeutung. Weder bei der Bahn, noch im Flugzeug, noch im Auto. Und das (Kreuzfahrt-) Schiff? Ha, da habe ich mich selbst überführt. Da würde es doch was bringen. Sie sehen, ich schaue genau hin , selbstkritisch... aber sachlich.

  17. 113.

    Björn:
    "Antwort auf [Thomas] vom 30.11.2023 um 17:44
    "Warum ist das bei E = 0,5*m*v^2 Unsinn??" Es ist Unsinn, weil es nicht der wichtigste Effekt eines Tempolimits ist und nicht ein willkommener Nebeneffekt als primäre Begründung herangezogen werden sollte."

    Was ist eine "primäre Begründung"?
    Wo steht, dass dies "als primäre Begründung herangezogen" wird?

    Das ist ein Grund neben anderen Gründen, die alle für sich genommen schon ausreichen, erst recht aber in der Summe ausreichen.

    Wo ist da ihr Problem???

  18. 112.

    Dann arbeiten Sie doch etwas schneller und länger, damit Sie Ihr eigenes Vermögen erarbeiten, statt sich über das anderer Leute Gedanken bezüglich Besteuerung und Umverteilung zu machen. Falls Sie es noch nicht wissen, es gibt einen Sparerfreibetrag, alles was an Zinsen darüber liegt, wird versteuert.
    Wenn es anders läuft, fragen Sie Frau Lagarde von der EZB, die kennt sich aus.

  19. 111.

    Richtig wir reden hier vom Klima, Klimaschutz, Umweltschutz, E-Autos,Solar und und und. Schon mal darüber nachgedacht wo kommen die Rohstoffe für das alles her? Chile, Kongo, Indonesien alles Länder die geplündert werden, dort der Umweltschutz mit Füßen getreten wird, Urwälder gerodet werden, die Einwohner von ihrem Land vertrieben werden ,damit wir hier unsere grünen Träume verwirklichen. Das scheint aber niemanden zu interessieren ist ja schön weit weg und wenn dann doch mal einer aufmuckt schiebt Deutschland mal paar hundert Millionen für ein Ausgleichszahlung rüber. Indonesien zB werden die indigenen Völker vertrieben weil dort eine der größten Nickel Mienen entstehen soll + Rodung großer Teile des Regenwaldes.
    Auch Elon Musk hat dort großes Intressen angemeldet.
    Aber was geht uns schon Indonesien an, nach uns die Sinnflut ,Hauptsache DE ist klimaneutral.

  20. 110.

    Brauchen Sie ein Tortendiagramm zu CO2 Emissionen der Sektoren? Was Sie behaupten stimmt schlicht nicht. Verkehr 23% (22% allein der Straßenverkehr), Industrie 20%. Und im Verkehr ist mit Elektrifizierung eine Reduktion viel leichter möglich.

Nächster Artikel