Bildungspolitik - Debatte um Digitalisierung an Brandenburger Grundschulen

Do 29.02.24 | 10:56 Uhr | Von Amelie Ernst
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Schulcampus Lehnin, Deutschunterricht Klasse 4b.(Quelle:rbb/A.Ernst)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 28.02.2024 | Ismahan Alboga | Bild: rbb/A.Ernst

Bisher ging es in der Debatte um die Digitalisierung an deutschen Schulen meist um das langsame Tempo. Die Brandenburger AfD fordert nun, in Grundschulen komplett auf digitale Medien zu verzichten. Der Bildungsminister weist das zurück. Von Amelie Ernst

Deutschunterricht in der Klasse 4b am Schulcampus Lehnin (Potsdam-Mittelmark). Die Schülerinnen und Schüler haben die Wahl, ob sie die Abschreibeaufgabe mit Stift und Heft oder digital erledigen. Bruno und die meisten anderen greifen sofort zum Tablet. "Es macht Spaß. Es ist cool – besser als das Schreiben mit dem Stift", sagt er. Denn auch zu Hause mache er viel am Tablet – das gehe schneller.

Tablets als Ergänzung

Am Schulcampus in Lehnin werden auch in den unteren Grundschulklassen schon digitale Medien wie Tablets und Laptops im Unterricht eingesetzt, wie Primarstufenleiterin Kerstin Gude erläutert. Aber alles sehr dosiert. Man arbeite auch noch viel analog, mit Büchern und Heften.

Aber die digitalen Programme seien eine gute Ergänzung, sagt Gude weiter. "Hier bekommen wir auch die Kinder, die vielleicht nicht so gerne schreiben und nicht so gerne im Rechenheft rechnen. Es ist wirklich ergänzend."

Es gehe bei der Digitalisierung um das richtige Maß, betont Schulleiter Dirk Lenius. Tablets und Laptops seien gut, um bestimmte Inhalte nochmal anschaulich zu machen und zu vertiefen. Spielerische Ansätze seien sinnvoll und motivierten viele Schülerinnen und Schüler. Das werde aber nicht dazu führen, dass man am Schulcampus in absehbarer Zeit nur noch digital unterrichte.

Die AfD im Brandenburger Landtag plädiert trotzdem dafür, alle Tablets und Laptops aus den Grundschulen zu verbannen – nicht für Lehrkräfte, aber für die Schülerinnen und Schüler. Nur so könnten diese wieder richtig und erfolgreich lernen, sagt AfD-Bildungspolitiker Dennis Hohloch: "In einer Grundschule haben digitale Lehrmaterialien nichts zu suchen".

Hohloch verweist auf die Debatte in Schweden, wo man jetzt nach einer Komplettumstellung auf digitales Lernen in einigen Bereichen wieder zurückkehrt zum Analogen. Und er verweist auf Studien, die zeigten, dass Medienkompetenz ohnehin erst Kindern ab einem Alter von 13 Jahren erfolgreich vermittelt werde könne. Für ihn ein weiteres Argument, um Grundschülerinnen und Grundschüler von Tablets und Laptops fernzuhalten.

Schulcampus Lehnin, Deutschunterricht Klasse 4b mit Hilfe eines Whiteboards.(Quelle:rbb/A.Ernst).(Q
Deutschunterricht der Klasse 4b am Schulcampus Lehnin an einem digitalen Whiteboard. | Bild: rbb/A.Ernst

Sinnvollen Umgang mit Medien lernen

Das sieht Katharina Scheiter anders. Sie ist Professorin für Digitale Bildung an der Uni Potsdam und forscht zu diesem Thema. Den Verweis auf Schweden hält sie für problematisch – denn anders als in Schweden habe man in Deutschland nie auf die komplette Digitalisierung der Schulen gesetzt.

Ein Verbot digitaler Medien in der Primarstufe hält Scheiter für falsch, wie sie sagt. "Wir müssen uns fragen: Was passiert dann eigentlich? Die Kinder nutzen das Internet in der Freizeit schon sehr früh. Wenn man digitale Medien aus der Grundschule verbannt, lernen Kinder auch nicht, wie man sinnvoll damit umgeht."

Der Brandenburger Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) argumentiert ähnlich: Nach wie vor spielten Bücher und Stifte eine entscheidende Rolle im Unterricht, gerade in der Grundschule. Aber man dürfe die Lebenswirklichkeit der Kinder nicht aus der Schule aussperren. Und seiner Erfahrung nach ließe sich Medienkompetnez durchaus auch schon Grundschülerinnen und Grundschülern vermitteln.

Die Debatte, die die AfD versuche zu erzeugen, spiele an auf Ängste und Befürchtungen und sei völlig aus dem Kontext gerissen, sagt Freiberg. "Das hat nichts mit der pädagogischen Realität in Brandenburg zu tun."

"Warten war hilfreich"

Vielleicht könnte es sich sogar als Vorteil erweisen, dass die Digitalisierung der Schulen auch in Brandenburg nur Schritt für Schritt vorankommt, sagt Bildungsforscherin Katharina Scheiter. "Vielleicht war das Warten hilfreich". Am Beispiel Schweden könne man sehen, welche Fehler eine zu schnelle Digitalisierung möglicherweise mit sich bringe. Das könne man jetzt nutzen, um es in Brandenburg besser zu machen.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 28.02.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Amelie Ernst

11 Kommentare

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  1. 11.

    Danke für den Lacher, obwohl einem da das Lachen eigentlich vergehen sollte. Das Problem heute sind tatsächlich die fehlenden Grundlagen und die können eben nicht so einfach wieder aufgeholt werden. Aber die Experimente im Bildungsbereich gehen unvermindert weiter. Aufstiegsländer wie China oder andere asiatische Staaten leisten sich derlei Experimente nicht. Da wird nach altbewährten, hierzulande dagegen verpönten Methoden gelehrt, nicht mit Spielereien.

  2. 10.

    Da ist was dran. Wenn der Hochschulabsolvent sich wundert, dass auf einem Hektar das Zehnfache geerntet wurde und sein Hektar 1000m² groß ist, genügen demnächst auch 2 Spieler für eine Fußballmannschaft. Genial!

  3. 9.

    Wenn jeder Vierte in den Grundschulen nicht schreiben und lesen kann, was soll denn da die Digitalisierung ausrichten und bewirken ? Mit dem Rechnen wird es auch nicht sehr viel besser sein. Man sollte den Schülern die Basics beibringen und nicht wie man Knöpfchen drückt. Das kann auch später noch erlernt werden. Die nicht vorhandenen Kenntnisse bei einem Großteil der Schüler sind erschreckend. Allein die Frage, wieviel Millimeter ein Meter hat, lässt einem schon das Grausen kommen. So wird das nie etwas mit Deutschlands Fachkräften !

  4. 7.

    Es reicht nicht aus, wenn die Verwaltung ihre Kernaufgabe bei der Schuldigitalisierung darin sieht „Du darfst, Du darfst nicht... das und das tun“. Es fehlt das digitale Gesamtkonzept des Bildungsministeriums. Es fehlt der daraus folgende zentrale Einkauf von Hard und Software. Es fehlen die digitalen Lehrinhalte und das Verhandeln mit den Verlagen. Es fehlt das Planen von Administratorengrundlagen. Ohne das Lehrer „basteln“ und das Kaufen bei den Verlagen und ohne die privaten Geräte würde gar nichts laufen. Schlimmer noch, das Ministerium sammelt ein, was die Schulen einzeln machen und verkauft dies als eigenen Digitalpakt 2.0. So wie jetzt gehändelt erscheint er als reiner Verzeihungspakt.

  5. 6.

    In anderen Ländern hat man inzwischen erkannt, dass eine frühe Digitalisierung in der Schule mehr Nach- als Vorteile bringt und rudert längst wieder zurück. Aber Deutschland ist ja nicht in der Lage, von Anderen zu lernen und muss sämtliche Fehler erst mal selbst machen und ist danach nicht mehr in der Lage, die Änderungen rückabzuwickeln. Man hat dann schließlich jede Menge Geld investiert.
    Dabei ist inzwischen erwiesen, dass die Handschrift bei Grundschülern ein wesentlicher Bestandteil des Lernens und vor allem des Einprägens von Lernstoff ist und dieser Effekt ausbleibt, wenn die Buchstaben oder Zahlen nicht händisch geschrieben sondern nur eingetippt werden. Dabei ist es unerheblich, ob das Tippen auf einem Bildschirm oder einer Tastatur erfolgt. Es ist nach neuesten wissenschaftlichen Studien die Handbewegung, die dieses Lernen fördert. In der Grundschule werden die Grundlagen für das weiterführende Lernen gelegt. Digital ist später noch früh genug.

  6. 5.

    Das der sinnvolle Umgang mit den Medien an unseren Schulen fehlt merke ich daran, das viele Schüler eine saumäßige Handschrift haben. Man hat Mühe Buchstaben und Zahlen überhaupt zu erkennen, geschweige zu lesen. Schönschrift ist heutzutage verpönt, hat aber meiner Generation gutgetan. Noch heute bin ich stolz auf meine Handschrift.

  7. 4.

    Digitales Lehrmaterial hat an Grundschulen nichts zu suchen? Ist nur begrenzt richtig, wenn man sieht das kleine Kinder schon mit dem Handy der Eltern in der Hand rumlaufen. Hätte man früher nie gemacht.Früher war auch nicht alles besser. Aber gerade ältere Kinder könnten dann zb. Im "Homeoffice" lernen. Wozu gibt es Zoom.zb.Wenn jetzt alles online gemacht werden soll, muß das dazugehörige Wissen auch vermittelt werden.Ich überleg bei Word zum Teil immer noch, wie ich das zurückstellen kann, wenn ich auf den falschen Knopf komme.

  8. 3.

    Wenn die Grundschüler das richtige Schreiben, Lesen und Rechnen gelernt haben, steht der Digitalisierung in der Grundschule Nichts im Weg. Aber das müsste erstmal jedes Kind können.

  9. 2.

    Warum muß man alle Fehler in Deutschland nochmal machen?
    https://www.deutschlandfunkkultur.de/digitalisierung-schule-100.html

  10. 1.

    Es reicht nicht aus, wenn die Verwaltung ihre Kernaufgabe bei der Schuldigitalisierung darin sieht „Du darfst, Du darfst nicht... das und das tun“. Es fehlt das digitale Gesamtkonzept des Bildungsministeriums. Es fehlt der daraus folgende zentrale Einkauf von Hard und Software. Es fehlen die digitalen Lehrinhalte und das Verhandeln mit den Verlagen. Es fehlt das Planen von Administratorengrundlagen. Ohne das Lehrer „basteln“ und das Kaufen bei den Verlagen und ohne die ürivaten Geräte würde gar nichts laufen. Schlimmer noch, das Ministerium sammelt ein, was die Schulen einzeln machen und verkauft dies als eigenes Digitalpakt 2.0.

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