Für alle unter neun Jahren - Neue Spielform des Kinderfußballs wird in Berlin vorzeitig verpflichtend

Mo 01.05.23 | 09:38 Uhr | Von Eddie Neupert
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Symbolbild:Kinder spielen in bunten Trikots Fussball auf einem Rasenfeld.(Quelle:dpa/S.White)
Bild: dpa/S.White

Kleinere Teams und Felder, viele Tore sollen fallen. Ab 2023/24 wird in Berlin der sogenannte Kinderfußball im U9-Bereich verpflichtend - noch bevor die Regelung deutschlandweit greift. Die Zustimmung ist breit, aber es gibt auch Kritik. Von Eddie Neupert

Noch schnell das etwas zu große Trikot in die Hose gestopft, die langen Ärmel hochgekrempelt und die Trinkflasche geschnappt. Schon kann es rausgehen zum Spieltag der G-Jugend. Doch beim Blick auf das Spielfeld kann es für Unwissende schnell verwirrend werden. Denn statt einem Spielfeld mit Kleinfeldtoren sind acht Minifelder mit jeweils vier Toren aufgebaut. Das Feld ist dabei in drei Zonen aufgeteilt. Einer neutralen Mittelfeldzone, sowie zwei Schusszonen. Erst in diesen dürfen Tore erzielt werden, wodurch das Zusammenspiel der Kinder gefördert werden soll.

Seit zwei Jahren ist dieser Aufbau - der sogenannte Kinderfußball - Standard im Berliner G-Jugendfußball (U7). Ab der kommenden Saison 2023/24 wird er auch auf den F-Jugend-Plätzen der Hauptstadt verpflichtend eingeführt. Die aktuelle Saison bildet einen Übergang. Kinderfußball und der klassische Ligaspielbetrieb finden nebeneinander statt. "Die freiwilligen Meldungen für die neue Spielform überwogen dabei bereits deutlich", konstatierte der Berliner Fußball-Verband [berliner-fussball.de]. Das "große Interesse am Kinderfußball" auf der einen und der "unverhältnismäßig hohe Aufwand für die Organisation eines hybriden Spielbetriebs" auf der anderen Seite führten zu dem Entschluss, ab Sommer komplett auf die neue Spielform zu setzen.

Der Blick nach Brandenburg

Weniger Druck, mehr individuelle Förderung

Die ersten Schritte der Entwicklung fanden noch vor der Einführung in der G-Jugend vor zwei Jahren statt. "Da haben sich einige Vereine zusammengeschlossen, um eine kindgerechte Spielform zu finden", erzählt Stephan Löprich, Mitglied im Team Kinderfußball des Berliner Fußball-Verbandes (BFV) und ehemaliger Jugendtrainer.

Kindgerecht heißt, dass es keinen Leistungsdruck gibt und die individuelle Förderung im Mittelpunkt steht. Es stehen sich auch nicht mehr Sieben gegen Sieben auf dem Feld gegenüber, sondern nur Drei gegen Drei plus zwei Rotationsspieler. "Wir sagen bewusst Rotationsspieler, weil nach einer gewissen Zeit oder einem Tor immer der Reihe nach gewechselt wird, sodass der Schwächste nicht aufgrund des knappen Ergebnisses draußen sitzt", erklärt Löprich seine Formulierung.

Gespielt werden sechs oder sieben Spiele, die je nach Altersklasse zwischen sechs bis zehn Minuten dauern. Der Gewinner steigt jeweils ein Feld auf und der Verlier ein Feld ab. Somit stehen sich nach einiger Zeit leistungsähnliche Mannschaften gegenüber und die Kinder können sich mit "Gleichstarken" messen.

Aktuell spielen über 900 Teams Kinderfußball

In Berlin hat die Spielform bereits großen Anklang gefunden und in der aktuellen Spielzeit sind "über 900 Mannschaften im Spielbetrieb gemeldet", sagt Löprich. Daher sei es der logische Schritt für den BFV gewesen, das Ganze in der F-Jugend (U8/U9) weiterzuführen und ab Sommer 2023 verpflichtend zu machen.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) verfolgt die Entwicklung ebenfalls genau. Im März 2022 bestätigte der DFB-Bundestag die verpflichtende Umsetzung des Kinderfußballs für alle Landesverbände ab der Saison 2024/25. Ein weiteres Jahr mit diesem Schritt zu warten, sei jedoch keine Option gewesen, meint Löprich: "Wir wollten und mussten in Berlin halt ein bisschen schneller sein, weil das Interesse immer größer wurde."

Auch nach der F-Jugend soll die Entwicklung des Kinderfußballs weitergehen. Für die E-Jugend (U10/U11) gibt es bereits jetzt ein Nachfolgemodell: Fußball-Fünf heißt die Spielform hier. Das Spielfeld ist zwar größer hat aber weiterhin den gleichen Aufbau wie zuvor. Allerdings erhöht sich die Anzahl der Spieler auf fünf pro Team und es werden ab dieser Altersklasse nur noch Kleinfeldtore verwendet, wodurch erstmals ein fester Torwart aufgestellt wird.

Nicht nur Begeisterung

Ein komplett neues System, welches es auch für die Trainer, Betreuer und Eltern der Kinder zu verstehen und zu verinnerlichen gilt. "Der Trainer übernimmt eigentlich nur noch die Rolle des Spielbegleiters. Das heißt, dass nicht mehr gecoacht werden soll. Die Kinder sollen frei aufspielen und es geht nur darum, dass man die Felder wechselt, die Schuhe bindet und die Kinder ein- und auswechselt", erklärt Stephan Löprich die neue Funktion des Trainers.

Der Trainer übernimmt eigentlich nur noch die Rolle des Spielbegleiters. Das heißt, dass nicht mehr gecoacht werden soll.

Stephan Löprich, Mitglied im Team Kinderfußball des BFV

Nicht bei allen Trainern stößt dies auf Begeisterung. "Wir merken, dass gerade in dem Alter die Kinder noch gelenkt werden müssen und Anweisungen brauchen", sagt Jugendtrainerin Mandy Wartenberg von Fortuna Biesdorf. Einen weiteren Kritikpunkt sieht sie bei der Organisation der Spieltage: "Alleine die Vorbereitung. Spielfelder ausmessen, Tore aufstellen, Materialien zusammensuchen. Das ist schon eine Herausforderung und bedarf viel Zeit und viele Helfer."

Christian Zientek, Jugendkoordinator des SV Bau-Union, steht hingegen hinter dem Konzept: "Das Drei gegen Drei ist die beste Lösung im Kinderfußball, weil jeder viele Ballkontakte hat, kaum Standzeit und auch das Flugzeuge-Beobachten ist deutlich weniger geworden."

Ähnlich durchmischt sind die Meinungen bei den Eltern. "Von 'das ist doch kein Fußball' bis hin zu 'ja, das ist doch eine tolle Sache' war alles dabei", erinnert sich Zientek an die ersten Reaktionen. Die Unterschiede zum vorherigen System machen sich dennoch deutlich merkbar, findet Löprich: "Jedes Kind schießt im Normalfall ein Tor. Das ist das, was bei den Kindern hängen bleibt. Die sind glücklich. Und wenn die Kinder glücklich sind, dann sind die Eltern glücklich."

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.05.2023, 12:15 Uhr

Beitrag von Eddie Neupert

28 Kommentare

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  1. 28.

    @ Björn, das sind widersprüchliche Aussagen.
    Wie viele der Kinder landen denn wirklich im Profisport?
    Ich glaube, die Entäuschung wird umso größer, je mehr man im Vorfeld auf den großen Erfolg hinarbeitet und dann Durchschnitt bleibt. Besonders wenn man die hohen Erwartungen von Eltern oder Trainern nicht erfüllt.
    Übrigens Frusttolleranz kann man sich u.a. von frusttolleranten Eltern abschauen. In allen Bereichen des Lebens wird man früher oder später Enttäuschungen erleben. Da kann man an seiner Tolleranz auch üben.
    Aber wahrscheinlich werden Sie das nicht verstehen können, da Sie aus einem ganz anderen Blickwinkel Sport betrachten.
    Es kommt immer auf die Motivation an. Und die sollte m.E. von innen geweckt werden.

  2. 27.

    @ Björn, nein, ich rede von Vereinssport.
    Übrigens selbst in der 1. Bundesliga besteht Training nicht nur aus sturem um die Stangen spielen. Soweit ich das bei den Vorbereitungen zur WM gesehen habe, werden auch gern andere Sportarten oder Trainingsübungen eingebaut.
    Auch da baut man also auf Spaß und Teamgeist.


  3. 26.

    "Übrigens wäre mir ein glückliches Kind lieber als ein gedrilltes. " Als Vater kann ich Sie da vollkommen verstehen. Das ist eine sehr schöne Vorstellung. Allerdings leben wir in einer Leistungsgesellschaft, in der im Endeffekt nur die Leistung für das Weiterkommen entscheidet und nicht, ob jemand dabei glücklich ist. Muß man in dem Alter noch nicht so hart formulieren, sollte aber schrittweise vermittelt werden, damit nicht später eine große Enttäuschung folgt und keine Frusttolleranz vorhanden ist.

  4. 25.

    "Sie reden von Erfolg, ich rede von Sport. " Ja, ich rede von einem Mannschaftssport in einer Clubmannschaft, welche gegen andere Teams bestehen muß und auch ihren Nachwuchs für höhere Spielklassen gewinnen muß - in dem Sinne ist Sport immmer etwas Leistungssport. Was Sie meinen ist das spontane Fußballspiel auf dem Dorfanger oder Bolzplatz, wo nicht der Sport als solcher im Vordergrund steht, sondern das Spielen mit Gleichaltrigen - daß diese Kinderspiele auch Sport sind und damit für die Gesundheit und motorische Entwicklung sehr förderlich, sollte nicht im Vordergrund stehen, sondern der Spaß am Spielen.

  5. 24.

    @ Björn, was sind das für Vergleiche? Südostasien? Vielleicht sollten Sie ersteinmal die Schulsysteme vergleichen, ehe Sie die Leistungen der Schüler vergleichen. Übrigens wäre mir ein glückliches Kind lieber als ein gedrilltes.
    Wir reden hier von den Kleinsten der Kleinen. Sie reden von Profisport im Erwachsenenalter und das man sonst Spieler von irgendwoher einkaufen müsste. Sie reden von Erfolg, ich rede von Sport.
    Gerade dann, wenn man am Anfang zu ergeizig ist und Druck auf die Kleinen ausübt, kann man körperlich und seelisch eine Menge kaputtmachen. Ich bin auch für Leistung, aber ich rede von intrinsischer Motivation.

  6. 23.

    "Und Lernen sollte auch Spaß machen." Dann macht Lernen wohl in Südostasien besonders viel Spaß, da dort immer die besten Ergebnisse bei internationalen Vergleichen herkommen. "Gerade Sport sollte Kindern Spaß machen." Wir reden hier aber von Clubmanschaften und nicht vom Bolzplatz auf dem Dorfanger, wenn aus den Clubs kein Nachwuchs kommt, dann können die Bundesligavereine doch gar nicht anders, als sich im Ausland umzusehen.

  7. 22.

    @ Björn, nach Ihrer Denke muss man ja nur genug Druck machen und es sprudelt Höchstleistungen. Wenn man das konsequent zu Ende denkt, merkt man selbst, dass das Quatsch ist.
    Gerade Sport sollte Kindern Spaß machen. Und Lernen sollte auch Spaß machen. Das ist übrigens bereits wissenschaftlich erwiesen. Wenn heute von schlechter Schulbildung gesprochen wird, sollte man klar differenzieren und schauen, was schlecht ist. Stundenausfälle in Schulen sind genauso schlecht, wie Kinder, die viel vor dem Fernseher sitzen.
    Ich finde die Neugestaltung der Kinderförderung im Fußball gut, Sport fördert auch den Charakter, deswegen lieber Teamgeist und Fairness als Egoismus und Rücksichtslosigkeit. Aber das finden wahrscheinlich die Eltern der "zukünftigen Bundesligisten" nicht gut.

  8. 21.

    Volle Zustimmung, hätte ich nicht besser schreiben können. Wenn ich immer höre: „Du die Nummer 9 hat schon drei Tore geschossen, da müsst ihr mal die Bremse anziehen“, könnte ich die betreffenden Personen genauso in die Körperpartien treten, wie sie es von ihren Kindern verlangen. Mehr kann ich dazu nichts sagen.

  9. 20.

    Ich halte das System in G-Jugend und dem U8 Bereich für sehr sinnvoll, da mehr Ballkontakte stattfinden und das umschalten gefördert wird. Jedoch zeigen die Kids bereits mit 6 Jahren immer wieder mehr Interesse am Spiel auf die zwei richtigen Kleinfeldtore. Häufig wird gemurrt, wenn es heißt: “Wir spielen auf die Mini-Tore.” Die Jungs und Mädels suchen sich in diesem Alter Vorbilder. So lange Neymar und co. auf 2 Großfeldtore spielen wird sich das nicht ändern. Ich persönlich freue mich in der nächsten Saison wieder auf viele Diskussionen mit meinen Jungs darüber, warum sie mit 8-9 Jahren immer noch auf Bambino-Tore spielen müssen. Vom ausbleibenden Schusstraining aus dem Spiel heraus ganz zu schweigen. :/

  10. 19.

    Oh ja ,auch die kleinsten haben dies.
    Nicht alle so schnell, aber die üben daran .

    Meine Kinder lernen viel auf dem Feld,

  11. 17.

    Das ist doch exakt der Punkt: durch die neue Spielform lernen sie, dass es nichts bringt, wenn alle auf einem Haufen sind. Dass sie sich freilaufen müssen. Den Raum abdecken. Dass nicht der Größte mit dem härtesten Schuss automatisch die meisten Tore schießt. Der neue Kinderfußball vermittelt taktisches Verständnis spielerisch. Im Gegensatz zum „normalen“ Fußball. Ihr Kommentar verdeutlicht, warum das erforderlich ist.

  12. 16.

    Danke an Löpi!
    Damals mit Berolina Stralau sind wir schon vor der verpflichtenden Einführung dieser Spielform mit der damaligen G-Jugend im Jahrgang 2014 damit gestartet, haben es in der F-Jugend fortgeführt und werden auch in der E-Jugend kommende Saison dabei bleiben, weil wir auf allen Ebenen mit der fußballerischen Entwicklung der Kinder sehr zufrieden sind: Sie haben mehr Ballkontakte, mehr Torabschlüsse, mehr 1vs1 Situationen, mehr Spielzeit und damit auch am Ende mehr Lernzeit.
    Im Vergleich zu früheren Jahrgängen, die ich trainiert habe, sind die Kids durch dieses Spiel- und Wettkampfformen mittlerweile technisch viel weiter für das Alter. Oder wie es ein Trainerkollege mal ausdrückte: Wir werden vielleicht keine besseren aber völlig andere Spieler*innen ausbilden. Belgien, Spanien und andere Nationen haben es bereits vorgemacht.

  13. 15.

    Ich bin gespannt, ob sich das neue Spielsystem etablieren wird.
    Mir persönlich hätte ja als Mittel, um Druck bei allen Beteiligten rauszunehmen, ausgereicht, sämtliche Eltern aus den Kinderspielstadien zu verbannen. Das war zum Teil beschämend bis ekelhaft, was sich da beim Training und insbesondere bei den Spielen auf Seiten vieler Eltern (Väter wie Mütter nahmen sich da nichts) abgespielt hat und nicht wenige Kinder litten unter ihren Eltern.
    Und natürlich waren immer sämtliche anderen Schuld, wenn sich nicht schon früh die Geld- und Bundesligakarriere von diversen Söhnen abgezeichnet hat bzw. diese von den Vereinen nicht entsprechend gewürdigt und gefördert wurde.
    Die echten Kinder standen meist am Spielfeldrand und nicht auf dem Platz.
    So schön Kinderfußball eigentlich ist, so war ich dann doch froh, als diese Zeit bei meinem Sohn vorüber war.

    Der Straßenfußball findet heutzutage in den Fußball-Käfigen statt, er ist nicht völlig verschwunden.

  14. 13.

    Richtig!
    Nur keine anderen Meinungen respektieren, so geht Diskurs.
    Man ist ja Trainer und weiss es ohnehin besser.
    Unmöglich sowas.

  15. 12.

    Wenn ich die ganzen früher-war-alles-besser-Kommentare hier lese, wird mir speiübel.
    Ich trainiere die neue Spielform seit drei Jahren in einer G- und einer F-Jugend. Die Kinder haben viel mehr Freude und viel öfter den Ball. Das schult Technik und taktisches Verständnis. Der neue Kinderfußball aka Funinho ist eine tolle Weiterentwicklung.

  16. 11.

    Bei unserer großen in Team wurde neben verräumt in die Luft gucken auch gern mal vorwärtsrolle gemacht oder ein bisschen gequatscht. In dem Alter sind die schon drollig auf dem Platz.

  17. 10.

    Kenne ich auch so und finde ich als Freizeit viel besser. Wenn man in einem Club Fußball spielen will, sollte dann schon Leistung zählen und nicht nur Spaß. Wenn der DFB sich überall so weiterentwickelt, brauchen die Nationalteams gar nicht mehr erst zu internationalen Wettbewerben fahren - höchstens sie beziehen dann den gesamten Nachwuchs an hochmotivierten und leistungsfähigen Fußballern aus dem Straßenfußball im Ausland.

  18. 9.

    "Kindgerecht heißt, dass es keinen Leistungsdruck gibt und die individuelle Förderung im Mittelpunkt steht." Das paßt zur allgemeinen Strategie in den Schulen, deshalb werden die Leistungen in Deutschland immer schlechter und es muß immer mehr auf wirklich gut asugebildete, motivierte Fachleute aus dem Ausland zurückgegriffen werden, da kaum noch deutsche Bewerber aus dem Schul- und Hochschulsystem kommen, welche Leistung bringen.

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