Chance für Nachwuchs aus der Region - Was das Berliner WTA-Turnier für junge Tennisspielerinnen bedeutet

Mi 21.06.23 | 11:51 Uhr | Von Lisa Surkamp-Erler
Das WTA-Turnier in Berlin (Quelle: IMAGO/tennisphoto.de)
Video: rbb24 Abendschau | 24.06.2023 | Philipp Höppner | Bild: IMAGO/tennisphoto.de

In Berlin schlagen derzeit die besten Tennisspielerinnen der Welt beim WTA-Rasenturnier auf. Warum davon auch der Nachwuchs aus der Region profitiert und welches Talent in die Fußstapfen von Sabine Lisicki treten könnte. Von Lisa Surkamp-Erler

Auf der Tennis-Anlage des lttc Rot-Weiß im Westen Berlins, direkt neben dem Hundekehlesee, ist es für einen kurzen Moment ganz ruhig. Nur die Vögel zwitschern, als Sabine Lisicki konzentriert zum Ballwurf ansetzt. Mit einem kraftvollen und platzierten Aufschlag gelingt ihr ein Ass. Lauter Jubel kommt im Steffi-Graf-Stadion auf und übertönt die vorbeirauschende S-Bahn direkt hinter dem Platz.

Schon zum dritten Mal finden die "bett1Open", ein hochrangiges WTA-Turnier, in der Hauptstadt statt. Das Rasen-Event lockt kurz vor Wimbledon viele Top-Sportlerinnen auf die Anlage am Grunewald. Gleich acht der besten zehn Spielerinnen der Welt sind dabei. Lisicki ist mit einer Wildcard am Start, denn auch wenn sie verletzungsbedingt in den vergangenen Jahren keine große Rolle mehr auf der Tour spielte, ist sie noch immer das regionale Aushängeschild für die Veranstalter. Die 33-Jährige ist die letzte große Berliner Tennisspielerin, die den Durchbruch zu den Profis geschafft hat. Vor zehn Jahren erreichte sie sensationell das Finale von Wimbledon und unterlag dort der Französin Marion Bartoli.

Tennis-Nachwuchs: "Da sind wir sehr gut aufgestellt"

Doch ihre Karriere neigt sich dem Ende zu und die Frage drängt sich auf: Wie steht es aktuell um den Nachwuchs aus der Region? "Da sind wir eigentlich sehr gut aufgestellt", erklärt Bernd Süßbier. Er ist seit 1999 Landestrainer beim Tennis-Verband Berlin-Brandenburg und dort für den Leistungsbereich und die Sichtung der Talente verantwortlich. In diesem Jahr hat der vergleichsweise kleine Verband (mit rund 45.000 Mitgliedern Platz zehn von 17 Landesverbänden, Stand 2022) die U15-Meisterschaft der Landesverbände gewonnen, berichtet er nicht ohne Stolz.

Besonders im Fokus steht ein Mädchen von Blau-Gold Steglitz: die 15-jährige Sonja Zhenikhova. "Sonja ist grundsätzlich immer guter Laune", beschreibt Süßbier das Tennis-Talent, das mit fünf Jahren zum ersten Mal einen Schläger in der Hand hatte. "Sie ist sehr ehrgeizig, hört gut zu und hat eine professionelle Vision." Und die hat sie schon weit gebracht. Zhenikhova ist die Nummer zwei der deutschen U16-Rangliste und wurde im vergangenen Jahr sogar deutsche Vize-Meisterin bei den Erwachsenen. Die 15-Jährige stellt hohe Ansprüche an sich selbst, erledigt auch eigenständig ihre Aufgaben. "Das ist das, was später den Unterschied macht", weiß ihr Coach.

Süßbier hat in jungen Jahren auch Lisicki mittrainiert und erkennt Parallelen. "Sie war ähnlich wie Sonja sehr zielstrebig", erinnert er sich. Und genau deshalb traut er der 15-Jährigen auch zu, in ähnliche Sphären wie einst Lisicki vorzustoßen: "Wenn nichts dazwischenkommt, bin ich davon überzeugt, dass eine Top 100 Platzierung möglich ist."

Den Profis ganz nah

Den Spielerinnen, die dort längst angekommen sind, können sie und die anderen Berliner Talente in den Tagen des Turniers besonders nah kommen. "Es ist gut, weil man die Spielerinnen endlich auch mal live sieht und nicht nur im Fernsehen. Man kann sich viel mehr abgucken und merkt, welche Unterschiede es gibt, wie weit man entfernt ist und woran man arbeiten muss", sagt auch Zhenikhova, die erst seit fünf Jahren intensiv trainiert. Sie will sich vor allem das Warm-up ihrer Vorbilder anschauen. "Ich glaube, ich mache das noch nicht so professionell", sagt sie und lacht.

"Das finden die schon gut, so dicht dran zu sein", bestätigt auch der Coach, der seine Schützlinge ermutigt hat, sich das Training und Verhalten der Profis genau anzuschauen. Die Motivation, die sie daraus ziehen, spüre der 62-Jährige auch noch Wochen danach im Training.

Wildcard für Berlinerin Papadakis

Und das WTA-Turnier in Berlin bietet noch mehr Chancen für die Talente aus der Region. Mit Lena Papadakis hat eine Berlinerin, die für den lttc Rot-Weiß spielt, eine Wildcard für die Qualifikation bekommen. Dort ist die 24-Jährige zwar gescheitert, konnte aber wertvolle Erfahrungen sammeln. "Das ist toll, dass man den Spielerinnen sagen kann: Du kannst eine Wildcard haben und wir können dich ein bisschen unterstützen." Ein Erfolg einer Berliner Spielerin beim Turnier könnte das Interesse am Tennis in der Hauptstadt noch mehr steigern. Nach Lisickis Finaleinzug in Wimbledon 2013 sei trotz des riesigen medialen Interesses der große Boom ausgeblieben, denn "da gab es hier kein Damenturnier, sie war ja hier nicht zu sehen."

Um dennoch möglichst viele Talente für den Tennissport zu begeistern, wurden in den letzten Jahren Angebote zwischen Schulen und Vereinen intensiviert, die kostenloses Training anbieten. Auch Kinder aus sozial schwächeren Familien sollen so den Zugang zum Tennis bekommen. "Gerade der SCC Berlin hat zum Beispiel ganz viele Spieler aus den Schulprojekten bekommen, die dann dageblieben sind", so Süßbier, der mit seinem Verband auch regelmäßig Sichtungsturniere durchführt.

Übergang zu den Profis ist der Knackpunkt

Das Image der elitären Sportart sei dabei längst überholt. Vielmehr liege die Schwierigkeit darin, dass Tennis eine Individualsportart ist. Die Kinder müssten zu den Turnieren gefahren werden, Start- und Endzeiten seien oft nicht absehbar, die Turnierlandschaft in der Region dazu schwierig: "Das ist für viele Eltern natürlich schwer zu handhaben."

Wer das dennoch durchzieht, steht spätestens dann, wenn der Sprung zu den Profis bevorsteht, vor einer Herausforderung. Denn wer mit 18 Jahren nicht zur absoluten Spitze gehört, kann nicht mehr auf die große Förderung hoffen. "Die fallen dann schon ein bisschen in ein Loch. Da verlieren wir viele Spieler", erklärt der Landestrainer. Doch momentan werde beim Deutschen Tennis-Bund (DTB) schon daran gedacht, wie man die Lücke schließen könne, beispielsweise über eine Anschlussförderung.

Mit Blick auf seine Talente und die jüngsten Erfolge blickt Süßbier optimistisch in die Zukunft - insbesondere auch mit Sonja Zhenikhova. "Sie ist aus Berliner Sicht momentan das größte Talent mit den größten Perspektiven. Deswegen kann ich mir auch vorstellen, dass Sonja die Chance hat, hier mal relativ früh eine Wildcard zu bekommen." Vielleicht wird also schon bald wieder eine Berlinerin beim WTA-Turnier in der Hauptstadt aufschlagen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.06.2023, 21:32 Uhr

Beitrag von Lisa Surkamp-Erler

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