13-jähriges Tischtennis-Talent Josi Neumann - Die Erwartungen der Anderen

Sa 24.06.23 | 19:47 Uhr | Von Ilja Behnisch
Josi Neumann (imago images/Patrick Wichmann)
Bild: imago images/Patrick Wichmann

Sie ist die jüngste Bundesliga-Spielerin aller Zeiten und führt die Weltrangliste ihrer Altersklasse an. Dabei ist es für Josi Neumann in Duellen gegen Ältere oft einfacher. Der Erfolg ist nach Ansicht ihres Vaters vor allem einem Umstand geschuldet. Von Ilja Behnisch

Tischtennis spielt man mit dem Kopf. Könnte man zumindest meinen, nachdem man mit Josephina Neumann gesprochen hat. Die 13-Jährige ist in der Bundesliga für den TTC Eastside Berlin unterwegs und dort in der abgelaufenen Saison zur jüngsten Bundesliga-Spielerin aller Zeiten geworden. Und auffällig häufig spricht sie von "Drucksituationen".

Zum Beispiel dann, wenn es um ihr Abschneiden bei der U13-Europameisterschaft in Kroatien geht, die am 18. Juni ihr Ende fanden und bei der Neumann die Bronze-Medaille gewinnen konnte. Was nach einem tollen Erfolg klingt, auch wenn Josi, wie sie nur genannt wird, in ihrer Altersklasse auf Weltranglistenplatz eins liegt und als Favoritin auch auf den EM-Titel galt. Doch: "Ich konnte nicht ansatzweise das abrufen, was ich normalerweise spielen kann. Allein weil ich so Angst hatte vorm verlieren. Das ist eine riesige Drucksituation für mich gewesen."

"Ich will die Beste werden"

In der Bundesliga hingegen hätte sie vor der Saison eigentlich nicht gedacht, "dass ich überhaupt ein Spiel gewinne." Es wurden drei Siege im Einzel, dazu war sie auch im Doppel erfolgreich. Es hätten noch mehr sein können, es hätte noch "zwei, drei andere Spiele" gegeben, in denen sie schon hoch führte. Dann kam der Kopf in die Quere.

Dabei klingt Neumann nicht wie eine Grüblerin. Eher selbstsicher, im besten Sinn. Vielleicht wirkt sie reifer als andere in ihrem Alter, allein weil mehr auf sie eingeprasselt ist. Der Hessische Rundfunk hat einen Film über sie gedreht, Zeitungen berichten über sie, für und mit Tischtennis bereist sie die Welt. Sie habe sich daran gewöhnt, dass bei "Google direkt mein Name kommt, wenn man auch nur Josi eingibt", oder dass es bei Youtube viele Videos ihrer Spiel zu sehen gibt. Neumann sagt: "Mir macht der Sport mega viel Spaß, sonst würde ich nicht spielen." Aber auch: "Ich will die Beste werden, dafür mache ich das."

Für ihren Vater Sven Neumann führt der Weg zu diesem Ziel nur über: Arbeit. "Ein Wunder ist das, was Josi da macht, nicht. Sondern einfach Arbeit." Immer wieder wird seine Tochter als Wunderkind bezeichnet. Gefallen findet er daran aus guten Gründen eher nicht: "Wunderkind-Status ist ein bisschen viel und auch nicht wirklich hilfreich. Das was sie gemacht hat bisher, hat sie super toll gemacht. Aber natürlich ist die Erwartungshaltung schon fast gar nicht mehr zu erfüllen."

Die Erwartungshaltung, von der Papa Neumann redet, spricht niemand aus, und doch ist klar, was er meint: Wenn Josi schon mit 13 so gut ist, dass sie in der Bundesliga spielen und gewinnen kann, wenn sie die Weltrangliste anführen kann in ihrer Altersgruppe, dann wird sie das doch wohl in ein paar Jahren auch bei den Erwachsenen schaffen, oder?

Kein Anspruch auf Fortsetzung

Doch auf dem Weg dahin lauern unzählige Stolpersteine. Die Pubertät kommt, Niederlagen-Serien können kommen. Denn auch die gleichaltrige Konkurrenz kann spielen. "Da kann man auch mal verlieren", sagt Sven Neumann, und: "Dann braucht man noch Glück, ganz viel Gesundheit. Dann kann es was werden." Der Papa findet gut, wie seine Tochter bisher alles gemeistert hat. Einen Anspruch auf Fortsetzung will er daraus allerdings keinesfalls ableiten. Zu denken, dass Josi "50 Prozent besser ist als alle anderen - das ist natürlich nicht so."

Sollte es nicht klappen mit der ganz großen Karriere, dann habe seine Tochter "schon so viel über den Zusammenhang von Leistung und Erfolg gelernt, dass sie trotzdem ihren Weg gehen wird", ist sich Sven Neumann sicher. Welcher Weg genau das sein könnte, darüber hat sich Tochter Josi noch keine Gedanken gemacht. Für Zeit nach der aktiven Karriere hingegen stünde der Plan zumindest vorläufig fest: Trainerin. Bleibt zu hoffen, dass Josi Neumann dann vor allem eines gut vermitteln kann: Wie man mit Drucksituationen umgeht. Und Tischtennis mit dem Kopf spielt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.06.2023, 19:15 Uhr

Beitrag von Ilja Behnisch

Nächster Artikel