Tabellenletzter der Regionalliga Nordost - Der Berliner AK nach Han-Ausstieg zwischen Überleben und Emanzipation

Do 14.09.23 | 20:51 Uhr | Von Marc Schwitzky
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Die Spieler des Berliner AK bilden einen Mannschaftskreis.
Bild: IMAGO / Fotostand

Der Fußball-Regionalligist Berliner AK hat nach dem Ausstieg der Han-Familie existenzbedrohende Monate hinter sich. Nun will der BAK eine eigene Identität entwickeln – für die Jugend und den Moabiter Kiez. Von Marc Schwitzky

Zwei Unentschieden, vier Niederlagen, ein Torverhältnis von 1:16 und der letzte Tabellenplatz – die Bilanz des Berliner AK liest sich nach sechs Spieltagen der Fußball-Regionalliga-Nordost alarmierend. Und doch wirkt Burak Isikdaglioglu sehr gefasst. "Selbst die zwei Punkte, die wir bislang geholt haben, waren nicht einkalkuliert – wir hatten für die ersten Spiele mit einem Null-Punkte-Start gerechnet", sagt der 36-jährige Vereinsverantwortliche im Gespräch mit rbb|24. "Für uns beginnt – so hart wie es klingt – die Saison erst mit dem Spiel gegen Chemie Leipzig am Sonntag."

Der deutsch-türkisch geführte Berliner AK aus Moabit in Berlin-Mitte ist Gründungsmitglied der Regionalliga Nordost, zusammen mit Hertha BSC II am längsten in der Spielklasse vertreten und hat zudem die insgesamt meisten Punkten gesammelt. In den vergangenen Jahren spielte der Klub eigentlich immer um die oberen Tabellenplätze mit – und nun gegen den Abstieg? Der Absturz des Berliner Kiezklubs kommt so überraschend wie vorhersehbar und ist das Ergebnis einer langjährigen One-Man-Show, die im Sommer ihr Ende fand.

Ein beispielloser Aderlass

Über 20 Jahre lang waren der Berliner AK und die Familie Han unzertrennlich miteinander verbunden. Bauunternehmer Mehmet Ali Han stieg 2001 als Hauptsponsor beim Kiezklub ein, schlüpfte zudem in das Amt des Vereinspräsidenten, im September 2021 übernahm Sohn Ebubekir Han das Amt. Über zwei Jahrzehnte traf Familie Han die Entscheidungen beim BAK, der Klub wurde von ihr definiert – ein immenses Abhängigkeitsverhältnis entstand.

Im Sommer dieses Jahres dann der Knall: Familie Han zog sich aus dem Fußball zurück und kehrte dem BAK den Rücken. Der scheidende Präsident Han erklärte, er bräuchte eine Pause und wolle sich verstärkt auf sein Privatleben konzentrieren. Auch wenn es laut Isikdaglioglu nur eine Frage der Zeit gewesen wäre, bis Familie Han den Stecker zieht, habe es den Verein "sehr plötzlich und unerwartet" getroffen, "sodass wir keinerlei Zeit hatten, uns darauf vorzubereiten und mögliche neue Interessenten zu finden".

Mit dem Präsidenten und Hauptsponsor gingen auch der Cheftrainer und insgesamt 20 Spieler – ein nahezu beispielloser Aderlass. Isikdaglioglu ist eigentlich Nachwuchsleiter des Vereins, wurde im Sommer aber zum "Funktionär für alles", wie er sich nennt. Es ging um nicht weniger als die Rettung des BAK. "Ich wünsche keinem Funktionär die Situation, die wir im Juni und Juli hier hatten", so Isikdaglioglu. Die, die im Verein geblieben waren, standen vor dem Nichts und wussten kaum, wo sie anfangen sollen. Es wurde der Boden unter den Füßen weggezogen.

Burak Isikdaglioglu ist seit 2005 in vielen Positionen beim Berliner AK. (Quelle: imago / Funke Foto Services)Burak Isikdaglioglu ist eigentlich Nachwuchsleiter des Berliner AK, wurde zuletzt aber zum "Funktionär für alles". (Foto: imago / Funke Foto Services)

Ein gemeinsamer Kraftakt

Doch es hilft ja nichts: Es hieß, Ärmel hochkrempeln und los. Isikdaglioglu und weitere Vereinsverantwortliche taten alles dafür, den Verein am Leben zu halten. "Wir hatten viele Schreckensszenarien vor uns: dass wir uns ganz zurückziehen, dass wir in die Berlin-Liga gehen", erklärt er. "Wir haben uns dann dazu entschieden, mit den Ressourcen aus der Jugendabteilung die Arbeit fortzuführen. Alle Trainer und Sponsoren aus dem Jugendbereich haben sich dazu bereit erklärt, noch mehr Zeit, Engagement und Geld zu investieren, um den Verein in gesundes Fahrwasser zu führen." Ein gemeinsamer Kraftakt.

Durch zahlreiche kleinere Sponsoren und das Engagement aus dem Vereinsumfeld sei es gelungen, zumindest die laufende Regionalliga-Saison zu finanzieren. "Wir haben 350 Kinder im Verein, da gibt es viele Eltern, die das Netzwerk erweitern, Sponsoren finden oder uns am Personal sparen lassen, indem sie ehrenamtlich für den Verein arbeiten", erklärt er. "Es ist Wahnsinn. Wir tragen momentan die Früchte einer soliden, guten Jugendarbeit, die sich in der größten Krise dazu bereit erklärt hat, den Gesamtverein zu führen."

"Die Abhängigkeit darf es in dieser Form nicht mehr geben"

"Wir wissen bis heute nicht, wie wir aus der Krise herausgekommen sind, aber wir haben es geschafft", zeigt sich Isikdaglioglu sichtlich erlöst. Nachdem das Fortbestehen in der Regionalliga gesichert war, ging es darum, überhaupt eine Herrenmannschaft aufzubauen. 19 Neuzugänge präsentierte der BAK für die neue Saison, dazu kam mit Jeffrey Seitz ein neuer Trainer, der zuvor sechs Jahre für den SC Staaken in der Oberliga an der Seite stand. "Wir hatten keine optimale Vorbereitungszeit, es herrschte schon ein gewisses Chaos", gibt Isikdaglioglu zu. Die Mannschaft kenne sich bislang kaum und habe auch konditionelle Probleme.

Aber auch abseits des Platzes will sich der BAK deutlich professionalisieren und breiter aufstellen. So will der Verein zukünftig auf keinen Fall mehr von einem zentralen Sponsor abhängig sein. "Wir wollen den Regionalliga-Apparat des BAK auf mehreren Schultern verteilen, damit der Verein nicht wieder in solch eine Schieflage gerät und vor dem Aus steht. Die Abhängigkeit darf es in dieser Form nicht mehr geben", warnt Isikdaglioglu.

Damit das nicht passiert, wird beim BAK am kommenden Montag auf Basis der neuen Vereinssatzung nicht nur ein neuer Präsident gewählt – auch das Amt übernahm Isikdaglioglu interimsweise – sondern auch einen Wirtschaftsrat installiert. "Dieses Gremium soll die Finanzierung der ersten Mannschaft sichern." Dazu gibt es mittlerweile ein Vorstandsteam. Mehrere Schultern und so.

Wir möchten mit kleinen Tönen und Budgets versuchen, den Regionalliga-Fußball aufrechtzuerhalten. Es muss möglich sein, in Moabit auch ohne einen einzigen zentralen Hauptsponsor den Verein zu führen - das ist unser Ziel.

Interims-Präsident Burak Isikdaglioglu vom Berliner AK

Für die Kinder

Die Schultern von Isikdaglioglu, sie müssen nach den letzten Monaten tiefe Dellen haben. "Die Nächte werden immer kürzer, die Tage immer länger." Und doch habe sich für ihn eigentlich wenig verändert. "Ich bin immer noch der Funktionär, der versucht, alles nach vorne zu bringen. Ich bin immer noch der Burak, der auf der Anlage ist. Natürlich hat man mehr Verantwortung, mehr Arbeit und muss am Tag nochmal vier Stunden dazupacken." Dabei ist es genau diese One-Man-Show, gegen die er ankämpft: Zurück zum wir. Und er zurück in den Nachwuchs.

"Wir haben es für unsere Jugendabteilung gemacht, für nichts anderes", erklärt Isikdaglioglu, der seit 2005 in verschiedensten Positionen im Verein ist. "Sie ist sehr erfolgreich: Wir haben in der U19 das DFB-Pokal-Achtelfinale erreicht, haben historische Erfolge gesammelt – das alles führt dazu, dass man sich motiviert, solch eine schwere Aufgabe zu übernehmen und diesen Verein zu retten." Laut ihm müsse es möglich sein, sich mit dem Berliner AK – "hier im Kiez, mit dieser Jugendarbeit und mit dem sozialen, familiären Umfeld" – in der Regionalliga ohne Han zu etablieren. Dafür kämpfe der Verein. Aufgeben? Keine Option.

Eine bewegte Vereinsgeschichte

Ebenso sei es keine Option, den Verein erneut leichtfertig zu einem "Projekt" werden zu lassen. Der BAK hat eine bewegte Geschichte. Vom Versuch, den Klub als "AC Berlin" in rot-schwarzen Trikots auflaufen zu lassen, hin zum Ausbildungsverein für den türkischen Erstligisten Ankaraspor, um dann beinahe vom Vorstand des SV Yesilyurt Berlin übernommen und in die Insolvenz gestürzt zu werden. All diese Ereignisse detailliert zu schildern, hat einen eigenen Text verdient, doch sie alle verbindet eine Lehre: Der Verein muss über allem stehen. "Wenn man aus der Vergangenheit nicht lernt, dürfte man diese Arbeit nicht ausführen", sagt Isikdaglioglu deutlich.

So wäre es laut ihm ein Leichtes gewesen, den Verein erneut in finanzkräftige Hände zu legen. Doch zwei Verhandlungen mit Investoren hätten die Verantwortlichen abgebrochen, da man nicht dieselben Vorstellungen geteilt habe. "Unsere rote Linie ist die Jugendarbeit, die Seriosität und die gesellschaftspolitische Verantwortung dieses Vereins – das muss bleiben, egal, wer morgen als Partner beim BAK einsteigt", so Isikdaglioglu. "Wir möchten mit kleinen Tönen und Budgets versuchen, den Regionalliga-Fußball aufrechtzuerhalten. Es muss möglich sein, in Moabit auch ohne einen einzigen zentralen Hauptsponsor den Verein zu führen - das ist unser Ziel."

"Ich werde nicht in einer Hauruckaktion die Seele des Vereins verkaufen"

Die neue Identität nach der Han-Ära soll tief im sozialen Konstrukt des Moabiter Kiezes angelegt sein, um nachhaltig und demütig in der Regionalliga überleben zu können. "Ich werde nicht in einer Hauruckaktion die Seele des Vereins verkaufen. Natürlich braucht man Partner, nur mit kleineren Sponsoren kann man die Regionalliga nicht finanzieren, aber die Partner müssen Seriosität vorweisen und Bock auf den BAK haben. Wir haben hier alles: gute Infrastruktur, gute Jugendarbeit, wir haben Leben im Verein – das muss ein Sponsor mittragen."

Zu oft haben Vereine den hektischen Versuch unternommen, den ominösen dritten Platz in der Stadt – hinter Union Berlin und Hertha BSC – für sich zu beanspruchen. Zu oft sind jene Vereine gescheitert und in eine tiefe Schlucht gefallen. Der BAK hat keine Lust mehr auf solche Luftschlösser. Für den Klub aus Berlin-Mitte gebe es aktuell nur die Regionalliga. "Man darf sich die Regionalliga ohne den BAK nicht vorstellen. Wir sind zwar kein Traditionsverein, haben nicht so Fans wie etwa die Vereine aus dem Osten, aber trotzdem stehen wir für Dinge, die diese Liga bereichern, wie die Jugend- und gesellschaftspolitische Arbeit. Die Regionalliga ist daher das Nonplusultra für uns."

So lautet das Saisonziel ganz klar Klassenerhalt. "Wir hoffen, dass nur eine Mannschaft absteigt und wir nur eine hinter uns lassen müssen. Wenn wir jetzt die Tabelle betrachten, sind da aber Traditionsvereine wie Zwickau oder Chemnitz, mit denen wir eigentlich in keinen Belangen mithalten können", so Isikdaglioglu. Doch mit schier aussichtslosen Situationen kennt sich der Berliner AK ja bestens aus.

Sendung: rbb24, 14.09.2023, 21.45 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

2 Kommentare

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  1. 2.

    Ein klassischer Söldnerverein. Das selbe Spiel gab es schon mal mit Türkiyemspor, gibt es keinen Erfolg, wird einfach hingeschmissen.

  2. 1.

    Es klingt böse, aber ich habe kein Mitleid mit Vereinen, die sich von einem Sponsor abhängig machen, nur um höhere Ziele zu erreichen. Sie sollten sich wieder auf die Werte besinnen, für die der Verein einst gegründet wurde.

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