Großprojekt in Cottbus - Hunderte Kleingärtner werden wegen neuem Bahnwerk umgesiedelt

Do 20.07.23 | 13:22 Uhr | Von A. Anders-Lepsch und Florian Ludwig
  8
Blick in die Kleingartensparte "An der Werkstatt" (Bild: rbb/Anders-Lepsch)
Audio: rbb24 Inforadio | 20.07.2023 | Aline Lepsch | Bild: rbb/Anders-Lepsch

Für das neue Bahnwerk in Cottbus werden über 100 Kleingärten dem Erdboden gleich gemacht. Die Gärtner werden allerdings entschädigt und umgesiedelt. Nun warten frisch herausgeputzte Parzellen auf sie. Von A. Anders-Lepsch und Florian Ludwig

Um Henry Fischer wird es bald einsam. Der Cottbuser betreibt das Gartenlokal "An der Werkstatt". Die gleichnamige Kleingartensparte direkt nebenan wird vollständig plattgemacht. Die Gärten müssen dem neuen Bahnwerk in Cottbus weichen. Bis 2026 sollen insgesamt zwei große Werkhallen stehen, eine ist fast fertig.

Das Großprojekt braucht Platz, die Kleingartensparte muss weg. Der zu erwartende empörte Aufschrei unter den Kleingärtnern ist allerdings ausgeblieben - erstmals bei einem solchen Großprojekt in Berlin und Brandenburg sorgt die Bahn für Wiedergutmachung. Die Gärtner erhalten nicht nur Entschädigungen, sondern auch, sofern gewünscht, vollständig neu hergerichtete Parzellen - inklusive Laube.

Kneiper will bleiben - alle Gärtner gehen

Henry Fischer will bleiben, das Grundstück, auf dem seine Kneipe steht, gehört ihm. Verkaufen wollte er nicht, "weil ich der größte grüne Fleck dort hinten bin, den es dann noch gibt", wie er sagt. Ein bisschen hofft er aber auch darauf, dass seine Kneipe zum Stammlokal der Werkarbeiter wird.

Seine Kneipe und einige Garagen, insgesamt etwa 2.000 Quadratmeter, bleiben unangetastet. Die Kleingärten müssen hingegen weg.

Die Bahn setzte bei dem Projekt von Anfang an auf Transparenz, der Umgang mit den Gartenfreunden sei gut gewesen, heißt es vom Verein. Ende des vergangenen Jahres war ihnen das Angebot der Bahn vorgestellt worden.

Einvernehmliche Lösung

An einer "einvernehmlichen Lösung" sei gearbeitet worden, hieß es damals von der Bahn. Neben einer Entschädigung für alle Pächter war auch die Bereitstellung einer Ersatzfläche vorgesehen. In den letzten Monaten ist die, einige hundert Meter von der ursprünglichen Anlage entfernt, vorbereitet worden.

Neue Parzellen wurden abgesteckt, neue Gartenlauben gebaut - ausgestattet mit Solaranlagen. Die Kleingärtner hatten vor der Umsiedlung allerdings auch Bedingungen, wie Meinert Klemm, Geschäftsführer des Vereins "Bahn-Landwirtschaft" damals sagte. Die neue Anlage sollte sich in der Nähe der alten befinden und auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein.

Die Bedingungen wurden erfüllt, der Umzug abgesegnet. Es sein ein Novum, dass die Bahn in einem solchen Fall eine Ersatzfläche bereitstelle, so Klemm. "Darüber freuen wir uns sehr", teilte er nach der Einigung mit.

Überwiegend Freude und ein bisschen Wehmut

Nicht alle Kleingärtner freuen sich uneingeschränkt, doch die Ausgleichsangebote der Bahn haben sie schließlich überzeugt. Für Jürgen Voigt ist es - nach 25 Jahren - der letzte Sommer in seinem Garten. "Man hat schöne Zeiten erlebt, es war angenehm", sagt der Rentner.

"Die Leute, die Geld investiert haben und noch nicht so lange in der Gartenanlage sind, die sind natürlich enttäuscht", sagt Wirt Henry Fischer wiederum. In seinem Lokal bekomme er das mit, wie er sagt. Die 3.000 Euro Entschädigung würden nicht alles wieder gut machen. Zudem, sagt Jürgen Voigt, würden nicht alle Kleingärtner umziehen. Die Kleingartenanlage sei alt, viele Pächter ebenso. Diese wollten sich den Umzug nicht mehr antun. Denn obwohl die neue Anlage hergerichtet wurde, wartet Arbeit. "Da ist ja nichts, kein Strauch, kein Baum, ein Neuanfang ist immer schwierig" so Voigt.

Er und seine Frau - beide fast 80 Jahre alt - freuen sich hingegen. "Man sieht ja die Notwendigkeit auch ein", so Voigt. "Wir kriegen ein neues Stück, mit einer neuen Laube, wir sind eigentlich sehr zufrieden", sagt er.

Sendung: Antenne Brandenburg, 20.07.2023, 16:10 Uhr

Beitrag von A. Anders-Lepsch und Florian Ludwig

8 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 7.
    Antwort auf [Lars] vom 20.07.2023 um 17:02

    Als Ergänzung dazu:
    Die Flächen der heutigen Bahn Landwirtschaft sind bahneigene Grundstücke aus historischen Zeiten der ehemaligen Länderbahnen und dann überführt mit der Vereinigung der Länderbahnen zur Deutschen Reichsbahn 1920. Nach dem 2. Weltkrieg blieben die dann Eigentum der Bundesbahn im Westen und Deutschen Reichsbahn in der DDR als Verwaltungsflächen. Richtige Eigentümer waren Bundesbahn und Reichsbahn nach dem 2. WK nicht. Das hing mit den Reparationsforderungen der Siegermächte zusammen. Komplizierte Geschichte... Sei es wie es sei: Diese Flächen gehören jetzt nach den Abkommen der Siegermächte zur Wiedervereinigung Deutschlands dem Bund in der Verwaltung der DB. Von da aus ist es sehr zivil und transparent, wenn die DB AG kein Eigenbedarf mit alles platt und weg anmeldete, sondern diese für alle doch gut einvernehmliche Lösung fand. Den Fördermitteln vom Land Brandenburg sei da mal auch Dank.

  2. 6.

    Was stimmt bei Ihnen nicht?
    Es gab mal nicht irgendwelche Klagen etc., sondern ne einvernehmliche und von Vielen sehr positiv gesehene Entscheidung. Passt Ihnen jetzt auch nicht?Warum?

  3. 5.

    Sehr gut, besser miteinander als gegeneinander.
    Hilft vielleicht eine künftige Wahlentscheidung zu überdenken...

  4. 4.

    Es ist beides sehr wichtig! Es ist eine schöne Anlage für alle dort hinter dem Bahnwerk wo viele Menschen ihr Leben verbracht und investiert haben! Es hat auch was mit der Anerkennung eines Lebens zu tun! Familiäre kenne ich den Werdegang dort und es ist eine gute Lösung die die Bahn gefunden hat, auch der Umgang war bei unserem Familienmitglied von Anfang an sehr offen und fair! Dazu kommt es ist eine Anlage wo viele alte Eisenbahner ihren Garten haben und ein anderes Verständnis haben. ;-)

  5. 3.

    Viele Kleingärtner verschweigen , dass die oft nur Zwischennutzer sind, weil im Flächennutzungsplan eigentlich seit teils Jahrzehnten eine andere Nutzung für das Grundstück vorgesehen ist. Wie war das hier in Cottbus? Wer war vor den Plänen der Bahn, dort ein neues Werk zu erreichten, der Eigentümer? Was stand im FNP?

  6. 2.

    Was ist wichtiger: Die Schaffung von Arbeitsplätzen in einem strukturschwachen Gebiet oder ein paar Schrebergärten?

  7. 1.

    Ach da schau an... es geht ja doch, wenn alle Seiten es wollen.

Nächster Artikel