Retrospektive von Núria Quevedo - "Ich finde meine Bilder nicht dunkel, sondern sehr farbig"

Mi 21.12.22 | 14:25 Uhr
Nuria Quevedo
Audio: Inforadio | 20.12.2022 | Wolf Siebert | Bild: Juan F. Alvarez Moreno/rbb

Núria Quevedo floh vor 70 Jahren aus Spanien nach Ost-Berlin und schaffte in der DDR ihren Durchbruch als Malerin. Eine Ausstellung in Frankfurt (Oder) zeigt nun ihre Werke. Von Juan F. Alvarez Moreno

Das Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst (BLMK) zeigt in einer großen Retrospektive Bilder der spanischen Malerin Núria Quevedo. Es ist die erste große Ausstellung der 84-jährigen Künstlerin seit Jahren, die noch bis zum 12. Februar in der Rathaushalle in Frankfurt (Oder) zu sehen ist. Gezeigt werden Malereien, Grafiken, Zeichnungen und Buchkunst von sechs Jahrzehnten künstlerischen Schaffens.

Unter dem dem Titel "Der Weg entsteht beim Gehen" werden mehrere Kopf-Hand-Figuren ausgestellt – ein Typus, den Quevedo seit den Achtzigerjahren entwickelt hat und für den sie heute bekannt ist. Ihre in Grautönen gemalten Werke zeigen einsame Gestalten, die aussehen, als würden sie auf etwas warten. Oft sind ihre Blicke leer.

Nuria Quevedo Ausstellung FFO
Núria Quevedo - Retrospektive in Frankfurter Rathaushalle. | Bild: Juan F. Alvarez Moreno/rbb

Melancholische, leicht depressive Bilder

Die Bilder von Núria Quevedo werden von vielen Menschen als melancholisch beschrieben. "Es haben ja sogar Psychologen gesagt, dass meine Bilder Werke eines depressiven Menschen sind. Ich kann das nicht einsehen. Ich finde meine Bilder auch nicht dunkel, sondern sehr farbig", widerspricht Quevedo im Gespräch mit dem rbb.

Dass ihre Bilder so aussehen, hat auch mit ihrer Biografie zu tun: Als Tochter von einem exilierten Republikaner floh Quevedo 1952 mit Mutter und Schwester vor der Franco-Diktatur aus ihrer Heimatstadt Barcelona nach Ost-Berlin – wo der Familienvater auf sie wartete. Das sei eine sehr harte Veränderung für sie gewesen, sagt Quevedo, "und dann die Ankunft in einem Berlin, das immer noch Nachkriegsberlin war". Sie erinnert sich vor allem an die Kälte und wie sie in der Wohnung des Vaters gefroren habe.

Die Spanierin wollte in Berlin heimisch werden: Sie lernte Deutsch, las viele Bücher in der Buchhandlung des Vaters, machte ihr Abitur und studierte Grafik. Ihre Liebe zur Literatur konnte sie in den Sechzigern in zahlreichen Buchillustrationen ausdrücken.

Von der Illustratorin zur Malerin

1967 bekam sie als Künstlerin zum ersten Mal starken Gegenwind, nachdem sie das Gesamtwerk von Michail Scholochow illustriert hatte. Man warf ihr vor, dass der Stil der Bilder antisowjetisch sei, eine "Beschimpfung der Sowjetunion", sagt sie. "Dadurch hörten alle Verlage auf, mir Arbeit anzubieten. Ich war praktisch zwei, drei Jahre arbeitslos."

Doch Quevedo gab nicht auf: Sie wurde Meisterschülerin in der Akademie der Künste bei dem Grafiker Werner Klemke und zog daraus eine Chance. Aus der Illustratorin wird in dieser Zeit eine Malerin. "Ich hatte ein großartiges Atelier und großartige Möglichkeiten. Und ich habe vielleicht das wichtigste Bild meines Werkes gemalt", sagt Quevedo.

"Als Künstlerin habe ich gemacht, was ich wollte"

Gemeint ist ihr Werk "30 Jahre Exil", ein Porträt spanischer Exilanten. 1972 wird das Bild in zwei großen Ausstellungen gezeigt und kontrovers diskutiert. Die Figuren stehen starr und ernst vor einem schwarzen Hintergrund - sozialistisches Glück sieht anders aus. Trotz allem bekam Quevedo viel Anerkennung und wurde 1979 mit dem DDR-Kunstpreis ausgezeichnet.

"Als Künstlerin habe ich gemacht, was ich wollte. Das hat jeder so akzeptiert. Sie haben immer gesagt: 'Sie ist anders, sie sieht die Welt anders'", sagt Quevedo über diese Zeit. Eine Fremde zu sein, das ermöglichte Quevedo eine Freiheit, die andere Künstler in der DDR nicht hatten. Ihr Schicksal als "ererbte Exilantin" sei für sie eigentlich eine Chance gewesen, sagt Quevedo.

Ehrung mit Kunstpreis 2023

Diese Chance hat sie genutzt: Die Vielfalt der Bilder in der Frankfurter Rathaushalle ist trotz Quevedos begrenzter Farbenauswahl sehr groß. In vielen Werken erkennt man die Verbindung mit der deutschen und spanischen Literatur. So wird beispielsweise die von Quevedo illustrierte Ausgabe von Christa Wolfs "Kassandra" gezeigt, aber auch mehrere Malereien, für die sich die Künstlerin von der literarischen Figur des "Don Quijote" inspirieren ließ. Auf Quevedos Bildern wird die Einsamkeit des bekannten eingebildeten Ritters deutlich.

Die 84-Jährige scheint gerade eine neue Welle der Anerkennung zu genießen. Neben der großen Retrospektive in Frankfurt (Oder) gab es vor kurzem weitere gute Nachrichten für die Quevedo: 2023 soll die Spanierin den Kunstpreis zu Ehren von Karl Schmidt-Rottluff Chemnitz erhalten. "In ihren Bildern spiegeln sich auf beeindruckende, atemberaubende Weise die großen europäischen Themen des vergangenen Jahrhunderts“, sagte der Juryvorsitzender, Volker Zschäckel, über die Entscheidung.

Sendung: Inforadio, 10.12.2022, 14:10 Uhr

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