Studieren in der Inflation - "Es reicht definitiv nicht für ein entspanntes Studi-Leben"

Mi 27.07.22 | 17:42 Uhr | Von Naomi Donath
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Zwei Studentinnen essen in der Mensa. (Quelle: dpa/Sebastian Gollnow)
Bild: dpa/Sebastian Gollnow

Auch wenn sie Bafög bekommen, müssen viele Studierende neben dem Studium arbeiten, um über die Runden zu kommen. Nun wird das Bafög erhöht - doch die Inflation frisst die Steigerung auf. Von Naomi Donath

"Mit dem Bafög-Höchstsatz könnte ich nicht Medizin studieren, ohne einen Nebenjob zu haben", erzählt Dina Davidova. Die 22-Jährige ist ausgebildete Rettungssanitäterin und studiert Medizin an der Berliner Charité. Sie bekommt den Bafög-Höchstsatz für Studierende ohne Kind, die noch familienversichert sind: 752 Euro im Monat. Darin enthalten sind 325 Euro, die als Wohnkostenzuschuss für die Miete reichen sollen.

"Ich muss sagen, dass diese 325 Euro Wohnkostenpauschale definitiv nicht ausreichen", sagt Davidova. "Ich gebe mehr Geld für meine Wohnung aus. Würde ich mir nichts dazuverdienen, beziehungsweise vorm Studium dazuverdient haben, würde ich eigentlich gar nicht mit dem Bafög-Höchstsatz über die Runden kommen."

Dina Davidova studiert Medizin an der Charité in Berlin. (Bild: rbb/Naomi Donath)
Dina Davidova studiert Medizin an der Charité in Berlin. | Bild: rbb/Naomi Donath

Dina Davidova zahlt 550 Euro Miete für ihre Wohnung in Berlin. 200 Euro gibt sie im Monat für Lebensmittel aus. Damit ist das Bafög weg. "Es reicht definitiv nicht für ein entspanntes Studi-Leben", erzählt sie. Mal mit Freund:innen in die Bar, ins Restaurant oder ins Kino zu gehen, sei nicht drin. Und auch für die Semestergebühr und für Lehrbücher sei das Bafög zu knapp, sagt Davidova: "Ich kann mir leider nicht immer das allerneueste Lehrbuch kaufen, was manchmal doch wichtig wäre."

Nicht mehr als 450 Euro dazuverdienen

Josua Krügel bekommt knapp halb so viel Bafög - 366 Euro im Monat. Der 19-Jährige studiert Luftfahrttechnik an der Technischen Hochschule Wildau und wohnt in einem Studentenwohnheim in Wildau. "Die 366 Euro reichen gerade so für die Miete und für die Verpflegung. Dann ist aber wirklich Feierabend", sagt Krügel. Deswegen habe er sich einen Minijob gesucht, für den er zwischen 300 und 400 Euro im Monat bekommt.

Mehr als 450 Euro im Monat darf sich Krügel nicht dazuverdienen - dann würde sein Bafög gekürzt werden. "Wenn ich mehr als diese 450 Euro verdienen würde, zum Beispiel mit einem Job als Werksstudent, dann würde ich mein Bafög für das kommende Jahr riskieren - und damit die Lebenssicherheit, die ich noch habe", sagt Krügel. Mit der Bafög-Reform wird diese Zuverdienstgrenze nun von 450 auf 520 Euro erhöht.

Josua Krügel studiert Luftfahrttechnik an der Technischen Hochschule Wildau. (Bild: rbb/Naomi Donath)
Josua Krügel studiert Luftfahrttechnik an der Technischen Hochschule Wildau. | Bild: rbb/Naomi Donath

Jede:r dritte Studierende gilt als arm

Krügel und Davidova bekommen noch Kindergeld, das beträgt 219 Euro im Monat. Insgesamt stehen ihnen weniger als 1.000 Euro netto im Monat zur Verfügung. Damit gelten sie laut Paritätischem Wohlfahrtsverband als arm.

In Berlin liegt die Armutsschwelle für eine Person ohne Kinder bei 1.141 Euro netto, in Brandenburg bei 1.128 Euro netto. In der Gesamtbevölkerung gilt eine von sechs Personen als arm. Bei Studierenden sind es zwei von sechs, bei Bafög-beziehenden Studierenden drei von sechs. Das hat eine bundesweite Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbands ergeben [der-paritaetische.de].

Bafög wird erhöht

Zum Wintersemester 2022/2023 wird das Bafög nun erhöht. Der Höchstsatz für Studierende wie Dina Davidova steigt von 752 Euro auf 812 Euro. Also um 60 Euro - während gleichzeitig auch die Miete in allen Wohnheimen des Studierendenwerks Berlin um 60 Euro teurer wird, wegen der steigenden Energiekosten.

"Die Bafög-Erhöhung wird von der Inflation komplett aufgefressen", sagt Greta Schabram vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. "Das bedeutet, dass Studierende trotz jetziger Bafög-Erhöhung real weniger Geld im Monat zur Verfügung haben, als sie es vorher hatten." Studierende seien besonders von der Inflation betroffen, sagt Schabram. "Sie geben einen Großteil ihres Einkommens für Nahrung, Wohnung, Energie aus. Das sind die Preistreiber der Inflation."

Ich versuche, Geld zu sparen, damit ich im Winter nicht frieren muss. Aber rein vom Bafög ist es leider kaum möglich, Geld zurückzulegen.

Dina Davidova, Studentin

Sparen, um nicht zu frieren

Auch Dina Davidova macht sich Sorgen wegen der Inflation. "Ich habe Angst und Sorge, dass das Geld mir nicht reicht und dass ich Abstriche machen muss, beispielsweise bei den Lebensmitteln, oder komplett auf Freizeitaktivitäten verzichten muss", sagt Davidova. Ihre Wohnung wird mit Gas beheizt. "Deshalb versuche ich jetzt, Geld zu sparen, damit ich im Winter nicht frieren muss. Aber rein vom Bafög ist es leider kaum möglich, Geld zurückzulegen."

Sie sagt, um Geld zurückzulegen, wolle sie in den Semesterferien Vollzeit arbeiten. Unter der vielen Arbeit könne aber ihr Studium leiden. "Das Problem beim Bafög ist, dass man das Studium auch in Regelstudienzeit schaffen muss - was leider ganz viele gar nicht schaffen", sagt Davidova. In Berlin beispielsweise brauchen Medizinstudierende im Durchschnitt ein Semester länger, als die Regelstudienzeit beträgt. Außerhalb der Regelstudienzeit bekommen Studierende kein Bafög mehr.

Mehr Studierende könnten Bafög beantragen

In Berlin gibt es insgesamt rund 200.000 Studierende an staatlich anerkannten Hochschulen. Etwa jede:r sechste von ihnen bekommt Bafög. Das sind weniger, als eigentlich antragsberechtigt wären, sagt Jana Judisch vom Studierendenwerk Berlin. Wenn sie die Studierenden frage, warum sie keinen Antrag stellen, bekomme sie in der Regel zwei Antworten, sagt Judisch: "Eine Antwort ist: Ich möchte mich nicht verschulden. Aber weitaus häufiger kommt die Antwort, dass ihnen das alles viel zu kompliziert ist. Sie haben Angst vorm Bafög, weil das so komplex ist, dass sie es lieber doch nicht machen."

Deswegen geht dem Studierendenwerk die Bafög-Reform nicht weit genug: "Den Teil, den wir uns gewünscht hätten, nämlich das Bafög insgesamt einfacher zu machen, am allerliebsten elternunabhängig, das ist nicht erfolgt", sagt Judisch. Einen Antrag zu stellen sei genauso komplex wie vorher. "Wir fürchten also, dass die Reform gar nicht so viel bringen wird, weil der Faktor der Abschreckung noch da ist."

Sendung: rbb|24 explainer, 27.07.2022

Beitrag von Naomi Donath

49 Kommentare

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  1. 49.

    Das mit dem deutlich weniger Geld stimmt nur zum Teil, denn auf der letzten Ausbildungsmesse, die ich besucht habe, wurde vielfach mit vierstelligen Einstiegsvergütungen geworben. Dazu kommt, dass Azubis meist noch jünger sind und dementsprechend oft noch zuhause wohnen. Wohnkosten fallen dann weg. Eng wird es, wenn man als Azubi auswärts wohnt und eben kein hohes Lehrlingsentgeld hat. Dann kann es sein, dass die Miete (Randgebiet Berlin) sogar höher als das Lehrlingsentgeld ist.

  2. 48.

    Warum haben alle nur Anspruch auf Geld? Jeder hat nur zu fordern, statt etwas zu tun. Ich habe in den 90ern auch keine Ausbildung in Berlin gemacht. Wohnung hätte ich nicht bezahlen können und meinen Eltern hätte ich nicht aud der Tasche liegen wollen.
    Vielleicht tut es auch mal gut, wenn weniger studieren und mal wieder Berufsausbildung gefragt und gefördert ist.

  3. 47.

    Mir nicht.Jamnern auf hohem Niveau.Besondets die Jungs Früher war noch Armee angesagt

  4. 46.

    Ja,man muss doch auch Spass haben.Wirklich,die könnten einem wirklich leid tun,Sind jetzt schon überfordert und haben noch keine Minute im Leben gearbeitet.Hauptsache kluge Reden in den Bars der City halten.

  5. 45.

    Bildungsförderung für alle existiert in Berlin bereits seit vielen Jahren in Form von Kuschelnoten für das Kuschelabitur. Das grosse Erwachen kommt dann jedoch im ersten Semester.

  6. 44.

    Dass Studierende weniger Möglichkeiten als Andere haben, der Inflation und ihren Folgen aus dem Weg zu gehen, ist ein Fakt. Nichtsdestotweniger ist es eine unzutreffende Behauptung, ein Sechstel der Studierenden in BAföG-geförderten Studiengängen würde BAföG beziehen. Es sind aber nur rund zehn Prozent, die diese Förderung erhalten. Ebenso unzutreffend, ist die Behauptung, es würde sich von Förderberechtigten nicht bemüht - das sind anekdotische Behauptungen. Vielmehr enthält die getzliche BAföG-Regelung im SGB I sehr Aussschlusskriterien, die BAföG-Zahlungen des Staats verhindern.

    Auch wenn die sozio-ökonomische Situation der Betroffenen dann trotzdem oft Armutsgefährdung oder Armut bedeutet, ist es nach wie vor ein segregierendes Privileg, überhaupt studieren zu können. Es knüpft an den Missständen an, wenn Kinder Sekundarschulempfehlungen je nach Elternhaus erhalten. Das Bildungssystem muss via eigenem Sozialgesetzbuch reformiert werden, Bildungsförderung für alle inkl.

  7. 43.

    Die geilste Zeit war es nicht unbedingt, da hierfür das Geld fehlte und Leistungsdruck & Versagensängste saßen einem auch im Nacken. Aber es war die freieste Zeit, die im Leben nie wiederkommt.

  8. 42.

    Welches Hennigsdorf meinen sie genau? In Hennigsdorf/ Brandenburg gibt es aktuell bei ebay Kleinanzeigen genau drei Angebote, beginnend ab 900€ warm.

    https://www.ebay-kleinanzeigen.de/s-wohnung-mieten/hennigsdorf/c203l7898

  9. 41.

    Denkfehler. Studenten sind nicht leistungsberechtigt, da sie dem Arbeitsmarkt eben nicht zur Vergügung stehen, da Studenten.

  10. 40.

    Es gibt in D keinen Akademikermangel sondern ein Überangebot an Akademikern. Es mangelt an Facharbeiter, Fahrer, Handwerker. Ein Betriebswirt oder Infornatiker erneuert nicht ihr Bad, repariert nicht ihr Auto, fährt keine Ware von A nach B.

  11. 39.

    "Es reicht definitiv nicht für ein entspanntes Studi-Leben"

    Das Studium ist ja auch kein all-inclusive-Urlaub. Als Student war ich arm wie eine Kirchenmaus, trotz BaföG und Kindergeld. Aber da musste ich durch und später wusste ich mein gutes Einkommen demütig zu schätzen.

  12. 38.

    @ horst
    "Lieber mal für die laufenden Kosten einen Nebenkosten machen."
    Können Sie das mal erläutern?
    Hier wird manchmal ein Deutsch geschrieben, das einen verzweifeln lässt.

  13. 37.

    An Akademikern mangelt es hierzulande nicht, nur das Lehramt scheint nicht begehrt zu sein, wer will sich schon mit verwähnten und egoistischen "Plagen" herumplagen, und da zu auch noch mit deren Eltern.

  14. 35.

    Tja warum werden wohl so viele Auszubildende gesucht.. Nur weil es keinen Artikel darüber gibt,heißt das nicht,dass die keine Probleme haben.


    550 Euro für eine Wohnung als Student ist schon Luxus und wenn man nicht den vollen Bafög-Satz bekommt,müssen normalerweise die Eltern noch etwas dazu geben.

    Studienzeit ist nicht von einem hohen Einkommen geprägt und man lernt auch mit wenig auszukommen. Mit Kreativität kann man seine Freizeit auch so angenehm gestalten. Es ist ja auch Motivation das Studium erfolgreich abzuschließen und danach mehr Geld zur Verfügung zu haben.

    Das Problem ist,dass Studenten jetzt real weniger zur Verfügung haben. Genau wie alle anderen Geringverdiener sind sie es,die sich wirklich einschränken müssen.

  15. 34.

    Man studiert auch nicht, um Geld zurück zu legen! Ich war auch arm als Studi und bin arbeiten gegangen. Na und? Trotzdem habe ich die 32 Semesterwochenstunden und die tw. mehr als 10 Prüfungen im Semster bewältigt.
    Aber ich finde es dennoch absurd, wie die Mieten reinhauen, es kann doch nicht sein, dass alles Geld für die Miete drauf geht, sogar in WGs! Meine Tochter muss auch rechnen, aber es geht.

  16. 33.

    Soweit man hört, wohnen Studenten überwiegend in der Stadtmitte, also in den teuersten Gebieten. Kurze Wege zur Uni, ganz kurze Wege in die Kneipe um die Ecke, kurze Wege in die Szene.
    Könnte hier Geld (Euro) umgeschichtet werden, wenn die Annehmlichkeiten etwas nach hinten rücken, wenn Wege länger werden?

  17. 32.

    "Andere müssen daneben arbeiten." oder Ihre Ansprüche etwas runterschrauben (Wohnung für 500 Euro?)

  18. 31.

    "Allerdings ist der Bericht total einseitig!" Das fällt mir bei ganz vielen Berichten immer wieder auf. Es wird immer nur eine Seite berichtet - nämlich die Jammerseite. Deshalb ärgere ich mich oft über viele Berichte, weil sie das Gesamtbild einfach verzerren. Für 100 Jammernde gibt es immer auch 100, die nicht jammern. Aber das will wahrscheinlich niemand lesen, denn die Deutschen jammern ja alzu gerne und empören sich über alles "Ungerechte".

  19. 30.

    Ich glaube da ist schon etwas Spot und Häme bei vielen dabei! Und ja ich selber kann es nicht ganz nachvollziehen!1997 habe ich einen Handwerksberuf erlernt und habe 420 DM erhalten davon gingen 150 Mark fürs Wohnheim drauf. Und dann war der Monat noch recht lang! Lehrjahre sind keine Herrenjahre wurde mir immer gesagt und am Ende habe ich das auch geschafft mit einem kleinen Wochenendjob in einer Kneipe. Ich finde schon das da etwas hoch gejammert wird von den Studierenden sorry!

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