Inflationsanstieg - Indexmietverträge können plötzlich zu einer schweren Belastung werden

So 07.08.22 | 08:16 Uhr
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Symbolbild: Ein Mann hängt einen Schlüsselbund an einen Haken am Schlüsselbrett an. (Quelle: dpa/K. Hoffmann)
Audio: rbb24 Inforadio | 08.08.2022 | Ann Kristin Schenten | Bild: dpa/K. Hoffmann

Das Modell Indexmiete war lange Zeit nur wenig beachtet bei Wohnungsmietverträgen. Wegen der hohen Inflation droht vielen Mieterinnen und Mietern zum ersten Mal seit Jahrzehnten ein großer Preissprung.

Hannah wusste, worauf sie sich einlässt, als sie und ihr Freund vor zwei Jahren den Mietvertrag unterzeichneten. "Das war schon ein Thema, mein Freund hat das damals angesprochen mit der Indexmiete und gefragt, um wie viel Prozentpunkte das normalerweise pro Jahr steigt", sagt sie. Antwort des Maklers: Ungefähr zwei Prozent.

"Da dachten wir: Okay." Obwohl ein Bekannter von dem Mietvertrag abriet, unterzeichneten Hannah und ihr Freund den Indexmietvertrag - es fehlten schlicht die Alternativen. Hannah war schwanger, und die beiden wollten zusammen in eine neue Wohnung ziehen, weil ihre alten Wohnungen nicht groß genug für eine kleine Familie waren. Also nahmen sie die Klausel im Mietvertrag in Kauf. Auf rund zwei Prozent Mietsteigerung pro Jahr waren sie eingestellt. Im April kam die erste Erhöhung: Um mehr als sieben Prozent.

Verbraucher-preisindex

Ist ein Maßstab für die Preisveränderungen in Deutschland. Der Verbraucherpreisindex wird anhand eines fiktiven "Warenkorbs" berechnet, der alle Güter und Dienstleistungen enthält, die ein Durchschnitshaushalt verbraucht. Dazu gehören Lebensmittel und Kleidung aber auch Dinge wie Möbel und Dienstleistungen wie Friseure und Versicherungen. Die Zusammensetzung wird regelmäßig überarbeitet, weil sich die Lebensgewohnheiten der Menschen ändern.

Verbraucherpreisindex steigt so rasant wie noch nie in den letzten 30 Jahren

"Das sind 85 Euro pro Monat mehr, ein Wocheneinkauf für unsere kleine Familie", sagt Hannah. Und da geht es nur um die Kaltmiete, auf erhöhte Nebenkosten stellt sie sich ebenso ein - wie die meisten Menschen in Deutschland aufgrund der gestiegenen Energiekosten.

Bei einer Indexmiete einigen sich Vermieter und Mieter auf die jährliche Möglichkeit der Mieterhöhung nach dem Verbraucherpreisindex. Automatisch ist diese allerdings nicht - anders als zum Beispiel bei einer Staffelmiete, bei der von Anfang an feste Erhöhungen im Mietvertrag vereinbart sind. Vermieter müssen bei der Indexmiete aktiv die Erhöhung ankündigen und darlegen, anhand welcher Verbraucherindexwerte sich diese berechnet. Erhöht werden darf maximal einmal pro Jahr.

Mit der gleichen Risikoabwägung wie Hannah und ihr Freund haben sich einige Menschen auf Indexmietverträge eingelassen. Denn in den letzten 20 Jahren stieg der Verbraucherpreisindex nur vier Mal um zwei Prozentpunkte oder mehr, häufig waren es sogar nur zwischen ein und anderthalb Prozent. Steigerungen wie im Moment gab es in den letzten 30 Jahren noch gar nicht.

Lange Zeit nicht attraktiv für Vermieter - das könnte sich ändern

Auch Maria hat sich auf einen Indexmietvertrag eingelassen. Sie wohnt in Mitte mit ihrem Mann und ihrem kleinen Kind, schon seit etwa vier Jahren. Seitdem hat der private Vermieter noch nie eine Mieterhöhung eingefordert. Bis zu diesem Jahr. Hier kam das Schreiben mit der Ankündigung zur Mieterhöhung erst im Juli. Da waren es schon fast elf Prozent Erhöhung im Vergleich zum Vorjahr - das sind rund 150 Euro mehr pro Monat bei Marias Wohnung.

Dass Vermieter in den letzten Jahren häufig auf die mögliche Mieterhöhung in Indexmietverträgen verzichtet haben, sei nichts Ungewöhnliches, glauben die Experten von "Haus und Grund", einem Verband für Haus- und Wohnungseigentümer. "In den meisten Fällen ist davon auszugehen, dass von der Möglichkeit, die Miete zu erhöhen, nicht Gebrauch gemacht wurde, weil die Schritte zu klein erschienen", sagt der Vorsitzende des Verbandes, Carsten Brückner. Er findet deshalb sogar, dass die Indexmiete gesehen auf die letzten zwanzig Jahre eher von Vorteil für Mieter gewesen sei, nicht für Vermieter.

Bei Mietwohnungen ist die Indexmiete vielleicht auch deshalb ein recht neuer Trend. In ihrer heutigen Form ist sie überhaupt erst seit 2001 erlaubt. Auch der Berliner Mieterverein geht davon aus, dass bei länger bestehenden Mietverträgen die Indexmiete noch eine Randerscheinung ist, in den letzten Jahren habe das aber zugenommen, sagt die stellvertretende Geschäftsführerin Wibke Werner.

"Auch bei uns ist irgendwann die Obergrenze erreicht"

Zumindest gefühlt, anhand der Fälle, die beim Verein zur Überprüfung landen. Wirklich belastbare Zahlen gibt es nicht. Der Berliner Mieterverein geht auf Basis eigener Schätzung davon aus, dass mindestens 300.000 solcher Mietverhältnisse in Berlin existieren könnten - das wären ein Drittel der von privaten Unternehmen und Vermietern unterhaltenen Wohnungen. Für die städtischen Wohnungsunternehmen schließt Wibke Werner Indexmietverträge aus.

Sie geht außerdem davon aus, dass die Zahl der Indexmietverträge in den nächsten Monaten zunehmen wird: "Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, weil jetzt der Verbraucherpreisindex steigt und dadurch kurzfristig Mietpreiserhöhungen möglich sind, die so nach Mietspiegel nicht möglich wären", sagt Werner.

Genau das beunruhigt auch Maria und Hannah, denn auch wenn sie sich beide ihre erste heftige Mieterhöhung noch leisten können, wissen sie nicht, was ist, wenn in den nächsten ein oder zwei Jahren weitere Erhöhungen in der gleichen Größenordnung folgen. Maria beschreibt sich und ihren Mann als "Gutverdiener", beide haben akademische Berufe. Aber: "Auch bei uns ist dann irgendwann die Obergrenze erreicht", sagt sie.

Klagen ist meist nicht möglich

Das Problem auf angespannten Wohnungsmärkten wie in Berlin ist, dass häufig die Alternativen fehlen. Maria hat sich nach der angekündigten Mieterhöhung um 150 Euro umgeschaut auf dem Wohnungsmarkt. Das Ergebnis: Es gibt trotzdem keine vergleichbare Wohnung, die für die kleine Familie in Frage käme - zumindest nicht in zumutbarer Entfernung zur Kita des Kindes. "Es gab genau zwei Wohnungen, die von der Lage und Größe in Frage gekommen wären und die kosteten etwa das Doppelte - rund 3.000 Euro kalt für etwas über 100 Quadratmeter", sagt Maria.

Gegen die Indexmieterhöhung klagen geht meistens nicht, denn sie ist ja vertraglich geregelt. Der Mieterverein rät aber zumindest dazu, zu prüfen, ob die formellen Kriterien bei der Mieterhöhung eingehalten wurden: Wurde sie schriftlich eingefordert? Wurden der Ausgleichsindex-Wert von der letzten Erhöhung und der aktuelle Index angegeben? Und ist die letzte Mieterhöhung mindestens 12 Monate her? Falls nicht, könnten sich Mieter gegen eine Indexmieterhöhung wehren.

Bei Maria und Hannah ist all das aber erfüllt, gegen die Mieterhöhung können sie nicht klagen.

Manchmal gibt es nur die Wahl, nach welchem Modell die Mieter erhöht wird, nicht ob überhaupt

Maria allerdings hätte eine Chance: Denn die Ursprungsmiete ihrer Wohnung liegt bereits über dem ortsüblichen Mietspiegel. Das könnte sie rügen oder sogar dagegen klagen. Ein erstes Schreiben an die Hausverwaltung blieb allerdings unbeantwortet, und da ihre Wohnung einem privaten Vermieter gehört, fürchtet sie, eine juristische Auseinandersetzung könnte zu einer anschließenden Anmeldung von Eigenbedarf führen. Dann müsste sie möglicherweise aus ihrer Wohnung ausziehen und Alternativen auf dem Wohnungsmarkt - das hat sie ja schon geprüft - gibt es derzeit nicht.

Also verzichtet Maria wahrscheinlich auf eine Klage. Weil sie das aber noch nicht sicher weiß, wollte sie nur anonym darüber sprechen. Maria ist also nicht ihr echter Name.

Situationen wie ihre verdeutlichen das Problem in Städten wie Berlin: Vermieter sitzen hier am längeren Hebel. Wohnungen ohne bereits im Vertrag fixiertes Modell zur Mieterhöhung sind selten geworden. Wer in den letzten Jahren eine Wohnung suchte, sah sich angesichts des Angebots teilweise vor die Wahl gestellt, zwischen einem Indexmietvertrag oder einem anderen Modell, wie einer Staffelmiete. In diesem Vergleich sah die Indexmiete lange attraktiver aus - bis jetzt.

 

Sendung: rbb24 Inforado, 08.08.2022, 10.30 Uhr

49 Kommentare

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  1. 49.

    Also über 60 inseriert Wohnungen allein in Frankfurt(Oder) mit super Regio-Anbindung allein bei ImmoScout. Also da ist noch genug Platz, aber auch in Richtung Spandau und Falkensee sowie sogar in Berli Marzqhn-Hellersdor gibt es noch freie (bezahlbare) Wohnungen. Zugegeben, in Berlins Mitte wird es schwierig!

  2. 48.

    Wie weit entfernt von Berlin-Mitte (beispielsweise) ist denn bei Ihnen "ein bisschen"? Ich denke, Finowfurt, Eberswalde so in etwas muss es dann schon sein, Biesenthal vielleicht noch, wenn es denn dort noch freie Wohnungen gibt. Bernau wird schon schwierig. Aber auch diese Gemeinde platzt mittlerweile fast aus den Nähten. Ich bringe übrigens den Nordosten als Beispiel, weil ich den besser kenne. Mir reichen die zwei Stunden tägliches Pendeln mit der S-Bahn + den 8 Stunden Arbeitszeit von Panketal aus. Und auch hier ist mittlerweile schon längst Ende im Gelände mit günstig wohnen.

    Gruß
    Navan

  3. 47.

    Verklagt nur schön euren Geschäftspartner, den Vermieter, dann ist das Klima für die Zukunft bestimmt super gut. Da wird dann mittelfristig wohl eine Wohnung frei werden. Mieterverein und Co. sind echt nicht so clever und nicht am Mieterwohl orientiert, erlebe ich immer wieder. Unglaublich.

  4. 46.

    Also doch lieber ins Ausland umziehen. Dänemark und Schweden haben gutes Internet und ein besseres Bildungssystem.

  5. 45.

    >"Aber remote work und homeoffice kann man doch überall machen"
    Ha! Leider nicht überall, erst Recht nicht überall in Brandenburg. Da muss man schon vorher genau recherchieren, welche Internetgeschwindigkeiten an konkret diesem Wunschort möglich sind! ;-)

  6. 44.

    Ja, ich hoffe auch immer, dass alle privaten Vermieter auf einmal das Vermieten an den Nagel hängen und an Selbstnutzer verkaufen. Viel Spaß dann mit den übrig gebliebenen Wohnungen der Landeseigenen und den großen Playern. Wird bestimmt besser dann für Mieter. ;-)

  7. 43.

    Nicht nur, dass ein Mieterwechsel Geld kostet. Dieser birgt auch stets die Gefahr an einen schlechten Vertragspartner zu geraden, z.B. Mietnomade. Also wir sind auch eher an langfristigen guten Beziehungen auf Augenhöhe interessiert. Eine generelle Befristung von Mietverträge für Wohnraum wäre sehr schön, weil man sich von "schlechten" Mietern leider auch nur sehr schwer wieder trennen kann.

  8. 42.

    Aber remote work und homeoffice kann man doch überall machen. Vielleicht sollten Sie sich ein Haus im Rand Brandenburgs für im Schnitt gerade mal 200.000 Euro kaufen. Kinder wachsen doch auf dem Land auch viel behütet auf.

  9. 41.

    Die Idee finde ich gut. Schließlich handelt es sich um Mietverträge, nicht um Eigentum. Eine Flexibilisierung für beide Geschäftsparteien muss her. Vielleicht würde es sogar noch deutlicher, wenn man bei Gesellschaften und Firmen mit mehreren Wohnungen, sogar lieber Mitgliedsbeiträge schließt mit Kategorien wie "economy", "medium" und "luxury". Dann könnten die Mitglieder auch einfach einmal innerhalb der Kategorie die Wohnungsgrößen flexibler wechseln, als Single eine kleinere Wohnung, als Familie dann mehr Platz und wenn die Kinder wieder aus dem Haus sind eine kleinere Wohnung. Dieses krampfhaft Festhalten als Mieter am Eigentum anderer passt so gar nicht in die heutige Zeit.

  10. 39.

    Unter Geschäftspartnern, also hier Mieter und Vermieter, sollte es auch nur um Fakten gehen: Die Kosten für Vermieter steigen, folglich steigt auch die Miete. Ganz einfach.

  11. 38.

    Ja, die Ursache zu bekämpfen ist aber schwieriger als das hier in Mode gekommene Vermieterbashing. Auch könnte man mal darüber nachdenken, warum in Berlin die Wohneigentumsquote nicht weiter gesteigert wird. Schließlich ist Eigentum in dem Fall auf Dauer attraktiver als Mieten.

  12. 37.

    Der Artikel nennt keine Rahmendaten zu der Wohnung der beiden, also qm, Zimmer, vorherige Kaltmiete etc. Somit kann man sagen, dass wenn in den letzten 20 Jahren der Verbraucherpreisindex nur vier Mal um zwei Prozentpunkte oder mehr, häufig waren es sogar nur zwischen ein und anderthalb Prozent angestiegen ist, die beiden im Schnitt doch immer noch günstig wohnen!
    Vermieter und Mieter kannten das Risiko dieser Vereinbarung, wäre es anders herum gekommen, hätte auch Niemand den Vermieter bedauert.
    Also Wohnfläche verkleinern, anderen Bezirk suchen, somit kann man die Kosten wieder in den Griff bekommen und dann Eigenkapital anstarren, um dem Mieterhamsterrad bald den Rücken zu kehren.

  13. 36.

    Genauso kann man argumentieren das man mit Mietern kein Mitleid haben muss da die sich auch eine günstigere Wohnung suchen können wie jeder normale Mensch.
    Sie sollten eigentlich froh sein das es Menschen und Unternehmen gibt die ihr Eigentum zur Verfügung stellen damit Sie ein Dach über dem Kopf haben. Stellen Sie sich vor wie Berlin wäre wenn jeder seine Wohnung oder das Haus selber kaufen müsste. Dann würden Sie vielleicht auch verstehen was die "Arbeit" ist die hier für Sie erbracht wurde.

  14. 35.

    Ja, das stimmt. Leider hat sich nur über die letzten 10-20 Jahre hier eine Mieterklientel in Berlin entwickelt, die völlig realitätsfern denkt, jeder hat das Recht auf Wohnraum mit 100 qm zu 500 Euro Miete am Ku'damm. Und nun tut das Ankommen in der Realität weh, weil man selbst in der Vergangenheit die falschen Entscheidungen getroffen hat. Dabei hätte man nur mal schauen müssen, was andernorts bereits vor Jahren geschehen ist und hätte andere Entscheidungen für sich selbst treffen müssen.

  15. 34.

    Es ist immer mal wieder interessant zu beobachten wie die "Schlaumeier" als es von Vorteil war, hier auf Indexmietverträge gedrängt haben und nun, weil der Bumerang in Zeiten hoher Inflationsrate zurück kommt, plötzlich sich verwundert die Augen reiben und nach dem Staat rufen. Alles im Leben hat doch immer 2 Seiten bzw. Licht und Schatten...

  16. 33.

    Habe kein Mitleid mit Vermietern. Niemand zwingt sie dazu Vermieter zu sein, sie könnten sich auch einen normalen Job suchen wie alle anderen.

  17. 32.

    Für Wohnungseigentümer mit Hypotheken bei der Bank werden durch die höheren Zinsen die Abzahlungen ja schließlich auch wesentlich teurer!

  18. 31.

    NEIN - ist es nicht.

    Es scheint nur so zu sein, dass Sie mit den einfachsten Dingen nicht umgehen können.

    Ausziehen und woanders, wo es denn günstiger ist, hinziehen. Ganz einfach - oder?

    Wer sagt denn, dass man Ihnen eine günstigere Wohnung hinterhertragen muss. Geht's noch....

  19. 30.

    Es gibt so viele Alternativen wie Spandau, Adlershof aber auch Tegel. Wenn man einfach den Anspruch fallen lässt im Berliner S-Bahn-Ring wohnen zu wollen findet man auch etwas für das Budget. Daher stimmt Ihre aussage nicht.

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