BTB und Vattenfall - Berliner Fernwärme-Anbieter wollen sich für die Versorgungskrise wappnen

Sa 13.08.22 | 07:49 Uhr | Von Martin Küper
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Das Heizkraftwerk auf Erdgasbasis Lichterfelde spiegelt sich am frühen Morgen im Teltowkanal. (Quelle: dpa/Kay Nietfeld)
Video: rbb24 Abendschau | 10.08.2022 | Martin Küper | Bild: dpa/Kay Nietfeld

Das Berliner Fernwärmesystem ist eines der größten in Westeuropa. Fernwärme gilt als besonders effizient und umweltschonend. Zwei Anbieter dominieren den Berliner Markt, Vattenfall und BTB. Wie kommen sie durch die Energiekrise? Von Martin Küper

Sie sind noch verpackt, die vier großen Motoren, die in einem Rohbau schon an ihrem Platz stehen. Um sie herum entsteht gerade ein weiterer Kraftwerksbau auf dem Gelände des Adlershofer Fernwärme-Anbieters BTB (Blockheizkraftwerk, Träger- und Betreibergesellschaft mbH). Vom nächsten Frühjahr an sollen sie beides liefern, Strom und Wärme.

Denn Fernwärme funktioniert als Kraft-Wärme-Kopplung: Die Abwärme aus der Stromerzeugung, die sonst an die Umgebungsluft oder in Flüsse abgeleitet wird, wird also auch zur Wärmeversorgung eingesetzt. Konkret heißt das: Jeder der vier Motoren liefert 4,5 Megawatt Strom pro Blockheizkraftwerk und 4,5 Megawatt thermische Leistung zusätzlich.

Die BTB: Hoher Anteil erneuerbarer Quellen

Die BTB, ein Teil des Essener Eon-Konzerns, wächst stetig. Und das mitten in einer der größten Energieversorgungskrisen der letzten Jahre. Mit ihren drei Kraftwerken und dem etwa 160 Kilometer langen Fernwärmenetz versorgt sie zahlreiche Betriebe in Berlins Südosten und etwa 100.000 Haushalte.

Immerhin 98 Prozent der eingesetzten Energieträger werden in den Kraftwerken nutzbar gemacht. Genau um diesen hohen Wirkungsgrad geht es auch am neuen Standort. BTB-Geschäftsführer David Weiblein betont die Nachhaltigkeit dieses Systems, verspricht für die Zukunft aber noch mehr: "Erst in Kombination mit einem innovativen Baustein, den Flusswasserwärmepumpen, die wir am Standort in Schöneweide für unser Fernwärmenetz errichten, wird es ein innovatives Kraft-Wärmekopplungssystem mit regenerativem Anteil."

Die BTB hat schon jetzt mit etwa 60 Prozent einen hohen Anteil erneuerbarer Quellen in ihrem Energiemix. Dieser besteht hauptsächlich aus Altholz, aber auch Photovoltaik und bald auch große Wärmepumpen-Systeme spielen eine Rolle. Dazu kommen zwanzig Prozent Erdgas, 15 Prozent Steinkohle und fünf Prozent Heizöl. "Perspektivisch", so Geschäftsführer Weibling, "ist für uns der Ausstieg aus der Steinkohle der nächste große Schritt. Der Kohle-Kraftwerksstandort in Schöneweide wird ab 2024 nach und nach in einer Erneuerbare-Energien-Park umgebaut."

Preise haben sich verdoppelt

Auch wenn der Gas- und Kohleanteil vergleichsweise gering ist bei der BTB, steigen auch hier die Preise deutlich. Die Inflation wirkt sich längst auch auf die anderen Energieträger aus. Entsprechend haben sich in den vergangenen zwei Jahren auch in Berlins Südosten die Preise für Fernwärme etwa verdoppelt.

Auch was die Zukunft betrifft, ist Geschäftsführer Weiblein eher pessimistisch: "Wir haben noch 15 Jahre Zeit für die Dekarbonisierung und das bedeutet hohe Investitionskosten." Bis 2030 plant er mit 100 Millionen Euro den grünen Umbau der BTB-Fernwärmeerzeugung. Weitere 100 Millionen Euro wird voraussichtlich die Erweiterung des Netzes kosten. Die jetzt angekündigten staatlichen Förderprogramme für grüne Fernwärme kommen da genau zum richtigen Zeitpunkt. Drei Milliarden stehen bereit in den nächsten fünf Jahren, aber der Bedarf ist riesig. Die "Arbeitsgemeinschaft Fernwärme" schätzt ihn auf 33 Milliarden Euro bis 2030.

Der Platzhirsch: Vattenfall

Die BTB wächst, aber das eigentliche Fernwärmenetz in Berlin betreibt Vattenfall: 2.000 Kilometer ist es lang, rund 1,3 Millionen Haushalte hängen dran und Tausende Betriebe. Die Energie kommt aus zehn großen Kraftwerken und 80 kleineren Blockheizkraftwerken.

Bei der effizienten Kraft-Wärme-Kopplung hat Vattenfall einen gänzlich anderen Energiemix: Mit 70 Prozent dominiert hier das Erdgas. Der Rest wird mit Kohle gewonnen und Abwärme aus der Müllverbrennung. Die Gas-Versorgungskrise schlägt hier also voll durch. Der weitgehende Ausfall des russischen Anteils kann nur schwer kompensiert werden. Ein "Krisenstab Fernwärme" sucht nun nach Auswegen: Im Kraftwerk Mitte zum Beispiel setzt Vattenfall neben Gas auch Heizöl ein: "Das machen wir normalerweise nicht", sagt der Leiter des Krisenstabs Martin Debusmann. "Aber in dieser besonderen Situation geht es jetzt darum, in diesem Sommer, bei diesen Temperaturen so viel Gas einzusparen wie möglich."

Gas sparen ist das eine, Energiesparen das andere große Thema – und im Grunde das einzige Mittel aus der Krise, so Debusmann.

Es wird noch teurer

Vattenfall hofft wie viele Versorger nun auf die angekündigte Umlage, deren Einzelheiten in der nächsten Woche bekanntgegeben werden sollen. Sie wird vor allem die Kunden treffen, die sowieso immer stärker zur Kasse gebeten werden. "Alle Energieträger steigen im Preis", hat auch Debusmann beobachtet: "Dem kann sich auch Vattenfall nicht entziehen. Auch wir werden die erhöhten Beschaffungskosten an unsere Kunden weitergeben müssen."

In seinem Sparappell geht es also nicht nur darum, die vorhandene Gasmenge möglichst lang zu strecken, sondern auch die zu erwartenden bis zu vierstelligen Mehrkosten pro Haushalt so weit wie möglich zu begrenzen.

Vattenfall und das Netz

Im Mai diesen Jahres teilte der Konzern allerdings mit, man wolle das Geschäft klimafreundlich umbauen und habe eine "strategische Neubewertung" für Berlin gestartet. Als Konsequenz könnte das Unternehmen das Wärmegeschäft mit seinen 1.700 Mitarbeitern behalten – oder auch vollständig veräußern. Das wäre dann eine Möglichkeit für das Land Berlin, das Fernwärmenetz wieder in eigene Hände zu nehmen – und die im Koalitionsvertrag verabredete Dekarbonisierung rasch voranzutreiben.

Zeit zum Durchdenken aller Optionen ist reichlich: Erst im nächsten Jahr ist mit einer Entscheidung zu rechnen, welchen Weg die Fernwärme in Berlin künftig gehen wird.

Sendung: rbb24 Abendschau, 10.08.022, 19:30 Uhr

Beitrag von Martin Küper

17 Kommentare

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  1. 15.

    @Günther oder die Abschläge noch zahlen können... Geschweige denn die Nachforderungen.

  2. 14.

    Die Kunden interessiert derzeit nur eins:
    Werden wir im Winter noch warme Wohnungen haben?

  3. 13.

    Mit Privatisierung der Energie in Deutschland kam die Preisspirale richtig in Fahrt. Während die Bewag Preiserhöhungen beantragen und begründen mussten, können die privatisieren Energiekonzerne schalten und walten wie sie wollen. Deshalb hat D heute die höchsten Energiepreise in Der EU. Die Müllverbrennungsanlage in Lichtenberg aus DDR Zeiten würde beseitigt. Dafür hat Vattenfall voll auf Gas gesetzt. Der Müll wird dafür exportiert. Wir haben darüber gelacht sich von der SU
    abhängig zu machen.

  4. 12.

    Aber nix da höhere Vorschuss-Zahlungen, Freunde … Abgerechnet wird zum Schluss … Holt Euch die Zwischenfinanzierung Eurer mittlerweile völlig absurden Erdgas-Preis-SPEKULATION-Gewinne bei der Bank … Ich zahle das (völlig unnötige und unverdiente) Mehr für Euch später … In 60 Monatsraten … Die Inflation, die ihr hier mit Eurer (auf einer Erdgas-Preisblase basierenden) Gewinnsucht fleißig befeuert und die ihr mit einem völlig verfehltem Energie-Mix auch VERANTWORTET, wird es für mich dann erträglicher gemacht haben.

  5. 11.

    Hoffentlich krempeln jetzt alle die Ärmel hoch und stellen so schnell wie möglich auf 100 % Erneuerbare Energien um, das hätte schon längst passieren sollen!

  6. 10.

    Vattenfall (und Konsorten) haben in dieser völlig außerordentlichen Krise bitte schnell ihre Umsatz-Rendite-Ziele zu korrigieren … Unfassbar, wie lapidar und völlig lebensfremd hier massive Preiserhöhungen lebenswichtiger Produkte angekündigt werden … Man müsse … Bin fassungslos … Leute, es brennt … Die RWE verzichtet (wegen absehbar ausreichender Gewinne) bereits auf eine Umlage … Vorbildhaft !

  7. 9.

    So ... Meine Vattenfall-Fernwärme-Heizung ist (zu 70%) also eigentlich eine Erdgas-Heizung ?! … Na, Bravo … Stehe voll auf dem Glatteis und habe keine Ahnung davon (gehabt) … Und wie subsituiert ihr das Erdgas jetzt, um den Preis im Griff zu behalten?! … Oder ist Euch das scheißegal, weil wir müssen ja sowieso jeden Preis zahlen ?!

  8. 8.

    Irre, ja … Das Stichwort dazu heißt MERIT-ORDER … Diese muss (angesichts der Lage) temporär ausgesetzt oder stark reformiert werden … Jetzt und schnell … P.S. Es geht da zwar um Strom, aber der ist ja einer der schnellsten und technisch noch einfachsten Auswege aus der (drohenden) Erdgas-Mangellage ... Dieser Ausweg muss (inflations-mindernd) jetzt mal sehr billig sein.

  9. 7.

    Gab es nicht einen Artikel über Vattenfall der über eine Wärmerückgewinnungsanlage im Westen der Stadt handelt, die die Energie aus Abwasser und anderen Energieträgern nutzt. Soweit ich mich erinnere sollte diese Anlage den Grundbedarf zumindest an Warmwasser decken! Wieso wird hier nicht darauf verwiesen?

  10. 6.

    Sie haben leider keine neuen Informationen geliefert, die irgendwas daran ändern was ich geschrieben habe!
    Es ist genau so wie es auch im Tagesschau-Artikel steht:
    https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/strompreise-erdgas-stromboerse-101.html

  11. 5.

    Warum muss das Geld 380 Millionen verteilt werden ? Wäre es nicht besser mit den Gas und Strom Konzerne zu verhandeln? Wenn sie das Geld bekämen könnte der der Gas Preis so bleiben wie er ist , sparen müssen wir sowieso.

  12. 4.

    Oh man, sie verstehen die Strombörse leider gar nicht...
    Jeder der sich noch nicht über Verträge eingedeckt hat, muss halt kurzfristig den Strom an der Börse kaufen (Day ahead/Intraday). Und zahlt damit die aktuell teuren Preise (Gas) der verbliebenden Marktteilnehmer (u.a. politisch gewollte Abschaltungen).
    Als der Preis jahrelang in die andere Richtung ging, haben Sie auch nicht nach Regulation gebrüllt, gelle....

  13. 3.

    Leider verbinden diese Unternehmen die Weitergabe von Beschaffungskosten mit der Gewinnmaximierung, im Volksmund auch Maximalabzocke genannt.

  14. 2.

    Solange Energiepreise manipuliert werden, wird sich nichts ändern! Es werden nicht die tatsächlichen Kosten der Energieerzeugung berechnet, sondern „Fantasiepreise“, die durch Absprache über eine „Fantasiereihenfolge“ bestimmt werden!
    Zitat: „Jeder, egal, wie billig sein Brennstoff auch ist, erhält den Preis des teuersten Kraftwerkes. Und der ist immer wieder um mehr als das Zehnfache höher als die tatsächlichen Kosten.“!

    Quelle: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/strompreise-erdgas-stromboerse-101.html

    Ich nenne das eine Art von „Preisabsprache“! „ÖKO-Strom“ wäre eigentlich viel günstiger, so dass man sogar mit ÖKO-Strom günstig heizen könnte!
    Es kann doch nicht sein, dass das teuerste „Gaskraftwerk“ in der „Lieferkette“ die Preise für Solarstrom oder Windenergie bestimmt, die eigentlich viel günstiger produzieren? Eine Energiewende wird es nicht geben, wenn nicht an der tatsächlichen Ursache für hohe Preise gearbeitet wird!

  15. 1.

    Es wäre ja mal hilfreich gewesen die Bezirke zu nennen in denen die Anbieter aktiv sind. Südost ist nicht gerade aussagekräftig!

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