Mitarbeiter in der Gründerszene - Start-ups klagen über Steuern auf Gewinne, die es nie geben könnte

Mi 21.09.22 | 15:52 Uhr | Von Franziska Ritter
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Nutzer der Factory sitzen am 14.01.2016 in Berlin an ihren Arbeitsplätzen. (Foto: Jörg Carstensen/dpa)
Bild: Jörg Carstensen/dpa

In den USA sichern sich Start-ups kluge Köpfe, indem sie sie am möglichen Erfolg der Unternehmen beteiligen. In Deutschland gibt es steuerliche Hürden für solche Beteiligungsprogramme - zum Nachteil für Mitarbeiter. Von Franziska Ritter

Als Mario Maupetit 2019 von seinem damaligen Arbeitgeber das Angebot bekam, am Erfolg des Unternehmens beteiligt zu werden, war er davon begeistert. "Ich, meine Kollegen und Vorgesetzten - wir waren alle Feuer und Flamme für das Programm", erinnert sich der Berliner. Er arbeitete damals für die schwedische Bezahlplattform Klarna, die Kunden ermöglicht im Internet einzukaufen und erst später dafür zu zahlen - ein Geschäftsmodell, das zu dem Zeitpunkt boomte.

Mitarbeiter hoffen auf Gewinne

Start-ups setzen gerne auf Beteiligungsprogramme. Sie können ihren Mitarbeitern für gewöhnlich nicht so hohe Gehälter bieten wie Konzerne, schließlich stehen sie mit ihren Geschäftsideen noch am Anfang und müssen Kapital für ihre Wachstumspläne auftreiben. Um im internationalen Ringen um die klügsten Köpfe mithalten zu können, geben deshalb viele Firmenanteile an ihre Mitarbeiter aus.

"Die Identifikation mit dem Unternehmen wird dadurch stark erhöht, und das ist ein ganz entscheidender Faktor, der auch dazu beiträgt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivierter sind", erklärt Christoph Stresing, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutsche Startups. Wird das Unternehmen einmal an einen zahlungskräftigen Investor verkauft oder geht an die Börse, bekommen die Mitarbeiter einen Teil des Gewinns ab - so zumindest die Hoffnung.

Finanzamt kassiert Steuern

Es gibt verschiedene Modelle, wie das umgesetzt werden kann. Klarna setzt auf ein sogenanntes "Restricted Stock Unit"-Programm, das im Ausland gängig ist. Dabei bekommen Mitarbeiter nach einer bestimmten Frist zusätzlich zu ihrem Gehalt echte Aktien.

Der Knackpunkt: Mario Maupetit und seine Kollegen mussten bei der Zuteilung ihrer Firmenanteile direkt Lohnsteuer und Abgaben an den Fiskus zahlen, obwohl noch kein Geld geflossen war. "Als ich meine erste Auszahlung von fast 5.000 Euro bekommen habe, hatte ich schon knapp 4.500 Euro an Steuern, Gebühren und Gehaltsanteil bezahlt", rechnet er vor. Das Geld wurde mit seinem Nettogehalt verrechnet.

Geld nur auf dem Papier

In Deutschland werden Mitarbeiterbeteiligungsprogramme anders besteuert als in den USA oder Großbritannien. Finanzämter betrachten die zugeteilten Firmenanteile als "Dry Income", zu deutsch: trockenes Einkommen. Caspar Schlenk vom Branchenmagazin "Finance Forward", der zu den Tücken von Mitarbeiterbeteiligungs-Programmen recherchiert hat, erklärt: "Man bekommt das Geld nur auf dem Papier, muss aber trotzdem die vollen Steuern und Abgaben darauf bezahlen, obwohl man dieses Geld eventuell nie sehen wird."

Die Firmenbewertungen von Start-ups können stark schwanken, wie am Beispiel von Klarna zu sehen. Im vergangenen Jahr wurde die Bezahlplattform in Finanzierungsrunden mit gut 45 Milliarden US-Dollar bewertet, in diesem Jahr nur noch mit 7 Milliarden - ein Minus von rund 85 Prozent. Die Firmenanteile einiger Mitarbeiter sind deshalb heute weniger wert als die gezahlten Steuern.

Besser nicht teilgenommen

Der frühere Klarna-Mitarbeiter Mario Maupetit, der inzwischen seinen Job gewechselt hat, bereut, bei dem Beteiligungsprogramm mitgemacht zu haben. "Ich hätte gerne eine einfachere Erklärung gehabt, wie es funktioniert", sagt er und nimmt damit auch seinen früheren Arbeitgeber in die Verantwortung.

Die Schweden haben derweil ihr Beteiligungsprogramm überarbeitet. Laut einem Unternehmenssprecher bieten sie deutschen Mitarbeitern seit Anfang des Jahres die Möglichkeit auf einen Teil der freigegebenen Firmenanteile zu verzichten, so dass die Steuer nicht direkt vom Gehalt abgezogen wird – eine juristische Behelfslösung.

Nachteil für deutsche Start-ups

Die Bundesregierung hat angekündigt, die Rahmenbedingungen für Mitarbeiter-Kapitalbeteiligungen verbessern zu wollen. An der konkreten Ausgestaltung der Maßnahmen werde derzeit intensiv gearbeitet, heißt es auf rbb-Anfrage vom Bundesfinanzministerium. Unter anderem soll der steuerliche Freibetrag von 1.440 Euro auf 5.000 Euro erhöht werden.

Das geht in den Augen der Gründerszene allerdings am Problem vorbei. Sie pocht darauf, dass Firmenanteile aus solchen Programmen erst versteuert werden, wenn das Geld fließt. "Deutschland liegt bei den Bedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen europaweit auf dem letzten Platz. Das ist ein gravierender Nachteil für den deutschen Start-up-Standort", mahnt Christoph Stresing vom Start-up-Verband.

Beitrag von Franziska Ritter

6 Kommentare

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  1. 6.

    Die armen Start-ups, deren Geschäftsmodell doch in der Regel eh nur auf Subventionierungen, Steuervermeidung und als Flexibilität verkaufte schlechte Arbeitsbedingungen beruht... sie können einem ja so leid tun!

  2. 5.

    Einfache Lösung: Aktienoptionen ausgeben statt RSUs, die werden erst beim Ausüben versteuert.

  3. 4.

    Das Geld muss geflossen sein bevor man es versteuern kann. Was wäre wenn die Firmenanteile in Prozent ausgegeben werden und der Firmenwert nicht bekannt ist?

  4. 3.

    Wenn keine Gewinne wieso dann Steuern? Ist doch bei Tesla nicht üblich.

  5. 2.

    "Wird das Unternehmen einmal an einen zahlungskräftigen Investor verkauft oder geht an die Börse, bekommen die Mitarbeiter einen Teil des Gewinns ab ...". Da stellt sich mir die Frage, gründet man ein Startup, weil man überzeugt von seinem Produkt oder seiner Dienstleistung ist oder weil man von vornherein auf einen Verkauf spekuliert? Als Freiberuflerin nehme ich schon seit längerer Zeit keine Aufträge mehr von Startups an. Schlechte Zahlungsmoral und mangelhafte Kommunikation, zum Beispiel durch ständig wechselnde Ansprechpartner, sind zwei Gründe dafür. Das soll nicht heißen, dass ich alle Startups unter Generalverdacht stelle, aber das Risiko auf unbezahlten Rechnungen sitzenzubleiben, kann ich mir nicht leisten.

  6. 1.

    Als Kunde eines "Startups" kann ich nur vermuten, das es nicht um Qualität oder ganzheitliche Gewinnoptimierung geht, Hier scheint mir der Hauptgrund des Unternehmens nur jener zu sein, dass die Geschäftsführung so lange wie möglich hohe Gehälter aus dem Risikokapital erhält. Ansonsten würde solch ein Unternehmen bemüht sein mit Kundenzufriedenheit und Erfolg Einnahmen zu generieren, welches bei meinem Auftragnehmer seit zwei Jahren eher nicht gewollt ist!

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