LKA-Zahlen - Korruptionsbekämpfung in Berlin - Erfolgsbilanz mit Schattenseiten

Sa 15.07.23 | 11:17 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Symbolbild: Korruption (Quelle: dpa/Ute Grabowsky)
Bild: dpa/Ute Grabowsky

Auf dem Papier sieht die Bilanz der Korruptionsbekämpfer in Berlin ganz passabel aus: Hunderte Urteile gab es in den vergangenen Jahren, wie aktuelle Zahlen zeigen. Doch die Statistik zeigt auch, warum das Dunkelfeld wohl deutlich größer sein dürfte. Von S. Schöbel

Bei Berlins Korruptionsjägern dürfte das Jahr 2018 noch lange in Erinnerung bleiben. Damals deckten sie Fälle von Bestechung und Vorteilsnahme im Volumen von insgesamt gut 24 Millionen Euro auf. Das meiste davon wechselte in bar den Besitzer, 40 Amtsträger waren involviert, und in der Mehrzahl der Fälle flogen diejenigen auf, die bestechen wollten. Das geht aus Zahlen des Landeskriminalamtes hervor, die der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, Sebastian Schlüsselburg, beim Senat erfragt hat.

Mitarbeitende auf Sachbearbeitungsebene halten die Hände auf

Die Statistik offenbart spannende Details der Berliner Korruptionsbekämpfung. So entstehen viele Bestechungsversuche noch immer recht spontan, ohne lange Vorbereitung: 2022 war das in 16 von 38 bekannten Fällen so, während sich in 12 Fällen die Beziehung zwischen Bestechungsgeber und -nehmer über einen längeren Zeitraum hinzog, zwischen einem Monat und zwei Jahren. "Im Gegensatz zu anderen Deliktsbereichen gibt es im Zusammenhang mit Korruptionsdelikten nur Täterinnen und Täter", so das LKA. "Ein Opfer der Taten - wie etwa ein Wettbewerber oder die Behörde eines bestochenen Mitarbeitenden - bemerken diese in der Regel nicht."

Meistens geht es laut Erkenntnissen der Ermittler um die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen oder den Zuschlag bei Aufträgen. Besonders häufig kommen die Täter aus der Dienstleistungs- und Baubranche, und meistens halten nicht Chefs die Hände auf, sondern Mitarbeitende auf der Sachbearbeitungsebene. Koffer voller Geldscheine verlieren offenbar an Attraktivität: 2022 kam Bargeld nur noch in 27 Prozent der entdeckten Korruptionsfälle zum Einsatz, Arbeits- oder Dienstleistungen waren beliebter. Ebenfalls verlockend sind offenbar Einladungen zu Veranstaltungen oder Bewirtungsangebote.

180 teils empfindliche Urteile gegen überführte Korruptionsstraftäter

Doch so viel man über die Tatverdächtigen, gegen die ermittelt wird, weiß – 2022 waren es 38 – so wenig lässt sich aus der Statistik der Korruptionskämpfer über das wahre Ausmaß des Problems sagen. Denn auch das räumt das LKA ein: "Aufgrund der günstigen Tatgelegenheitsstruktur und dem geringen Tatentdeckungsrisiko ist daher von einem großen Dunkelfeld auszugehen."

Zwar gab es von 2013 bis 2022 rund 180 teils empfindliche Urteile gegen überführte Korruptionsstraftäter, davon 89 Geldstrafen und 28 Haftstrafen ohne Bewährung. Das geht aus Zahlen der Generalstaatsanwaltschaft Berlin hervor, die dem rbb vorliegen. Doch die Statistik zeigt auch, dass zahlreiche Fälle eingestellt werden – wenn auch gelegentlich gegen Zahlung einer Strafe. Dabei mache die Staatsanwaltschaft einen guten Job, so der Rechtsexperte der Linken, Schlüsselburg: "Es ist schwer, die Taten so nachzuweisen, dass sie für eine Anklage ausreichen."

Er fordert daher noch mehr Personal für die Strafverfolgungsbehörden – und den Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Verwaltung. "Wir können im Bereich der Leistungsverwaltung schon jetzt relativ gut erkennen, wo es zu auffälligen Buchungen kommt." Dies aber müsse konsequent ausgebaut werden, so Schlüsselburg.

Whistleblower bringen immer wieder Stein ins Rollen

Wie kompliziert und mühsam es ist, vom ersten Verdacht bis zur Anklageerhebung zu kommen, zeigt der aktuellste Bericht des Berliner Korruptionsbeauftragten. Demnach gingen 2022 bei der Staatsanwaltschaft zwar 158 neue Verfahren wegen Korruptionsbezug ein, zeitgleich konnten aber nur 13 Fälle nach teils langen Ermittlungen vor Gericht gebracht werden. 86 Fälle sahen nie einen Richter, sie wurden von der Staatsanwaltschaft eingestellt, weil sich die Verfolgung aus Sicht der Juristen nicht gelohnt hätte – mal wegen eines zu geringen Schadens, mal aus Mangel an Beweisen.

Das könne freilich nicht als Beweis gelten, dass die Hauptstadt vielleicht gar kein Korruptionsproblem hat, sagt Jiri Kandeler vom Antikorruptionsverein Berlin. "Im Gegenteil: Ich würde sagen, hier gibt es besonders viel Korruption." Denn Delikte wie Bestechung und ähnliches würden schlicht kaum auffallen, weil gar nicht systematisch kontrolliert werde. Die vielen Vertrauenspersonen und Korruptionsbeauftragten auf Landes- und Bezirksebene "erwischen nie irgendwen", sagt Kandeler.

Stattdessen käme es auf die Whistleblower an, die immer wieder den Stein ins Rollen bringen. Zahlen des LKA geben Kandeler zumindest teilweise Recht: Zwar gehen die meisten Erkenntnisse auf Polizeiarbeit zurück, doch Whistleblower lieferten in den vergangenen Jahren einen signifikanten Teil der entscheidenden Hinweise – deutlich öfter vor allem als die betroffenen Stellen selbst. "Wenn man eine Korruptionsbekämpfung hätte, die funktioniert, bräuchten wir keine Hinweisgeber", sagt Kandeler: "Dass es die braucht, ist ja eigentlich ein Armutszeugnis."

Senatsverwaltung verweist auf verbesserten Whistleblower-Schutz

Die Senatsverwaltung für Justiz setzt trotzdem weiter auf die meist anonymen Tippgeber und verweist auf den zuletzt verbesserten Whistleblower-Schutz: Im Mai hatte Deutschland entsprechende Vorgaben der Europäischen Union in die deutschen Gesetzbücher übernommen. Zudem hat die Generalstaatsanwaltschaft seit Januar 2023 alle neuen Korruptionsfälle an sich gezogen. Das soll die Strafverfolgung effizienter machen.

Zudem denkt Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, für CDU) darüber nach, künftig auf forensische Datenanalyse zu setzen. Die Sache hat nur einen Haken: Dafür braucht es eine digitalisierte Berliner Verwaltung mit überall eingeführter elektronischer Akte. Genau das aber funktioniert bislang nicht wirklich gut: In einigen Bezirken heißt es bereits, die E-Akte sei ein technisches Desaster. Auch an den Berliner Gerichten verzögert sich die Einführung, die bis 2026 geschafft sein soll, zuletzt immer wieder.

Auf Tippgeber werden die Anti-Korruptionsermittler also wohl noch lange nicht verzichten können. Linken-Rechtsexperte Schlüsselburg ruft daher alle Menschen, insbesondere die Mitarbeitenden in der Berliner Verwaltung, auf, Korruptionsverdacht umgehend zu melden: "Das ist Bürgerpflicht."

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.07.2023, 7:00 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

12 Kommentare

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  1. 12.

    "Das meiste davon wechselte in bar den Besitzer, 40 Amtsträger waren involviert, und in der Mehrzahl der Fälle flogen diejenigen auf, die bestechen wollten."
    Warum wird diese eigentlich wichtige "Zwischendurchbemerkung" nicht mit vollständigen Zahlen aufgebessert?

  2. 11.

    Bei Arte hieß es gestern noch, dass es in Deutschland offiziell keine Korruption gäbe und wo nix ist, kann man auch nix ermitteln. Klingt für mich nach Lobby- und Mafia-Deutschland. Die Franzosen bringen es wenigstens auf den Punkt, weil französische Unternehmen schon öfter von den Amerikanern wegen Korruption angeklagt wurden. Auch Airbus soll so ein Thema. Aber in Deutschland gibt es ja keine Korruption. ^^

  3. 10.

    Ich kann mich nur wiederholen: Folge der Spur des Geldes.
    Es muss schlüssig sein.
    Beispiel : Ein Selbstständiger rechnet sein Einkommen auf Null, damit der Unterhalt nicht gezahlt werden muss. Dann sagt man: Auf Grund der Abhebungen und des Bedarfes zum Leben ist das privat entnommene Einkommen soundso groß.
    Das funktioniert im Kleinen wie im Großen. Selbst bei Null Kontobewegung kann man eine Entnahme schätzen. ES ist die SCHLÜSSIGKEIT die stimmen muss.
    Es kommt nicht auf jeden lächerlichen Cent oder „Blumenstrauß“ an. Es kommt auf ein Verbrechen an.

  4. 9.

    Mich erschreckt die hohe Zahl der eingestellten Verfahren ...
    Was heißt "geringer Schaden"?
    Oder ist es eher doch der allgemeine Personalmangel?

  5. 8.

    Ich bin für die Abschaffung der Meldepflicht nach französischen Vorbild zum Schutz der Informanten und Zeugen

  6. 7.

    Sie vergessen dabei,dass auch Angestellte auf unteren Ebenen relativ kleine Beträge entgegen nehmen,wie kann das funktionieren wie Sie es schildern.Was ist mit dem Datenschutz,wenn sich ein Anfangsverdacht als haltlos heraus stellt.Nur sehr qualifizierte kompetente Wirtschaftsprüfer können auch die großen Fische erwischen,aber welcher Behörde könnten die unterstellt sein,doch nur der Steuerfahndung eventuell?zudem gibt es hierzulande keinen ausreichenden Schutz für Informanten(w,m,d).Wer will gegen das organisierte Verbrechen aussagen,wenn auf teilweise einfachste Weise an personenbezogene Daten gelangt werden kann,da diese überall mittlerweile nötig sind,sowie ausspähen selbst für die Polizei selbst teilweise ohne Grund mindestens nur eine Lappalie darstellt. Die von Korruption Geschädigten Privaten müssten mehr Möglichkeiten erhalten mit weniger Risiko bei Gerichtsverfahren im Zivilrecht.Auch Geschädigte müssten zunächst die Möglichkeit erhalten anonym einen Hinweis geben zu dürfen

  7. 6.

    Das Abheben von Geld lässt sich noch nachverfolgen, solange es noch Bargeld gibt aber nicht das Ausgeben.

  8. 5.

    Denken Sie den Spruch „Folge der Spur des Geldes“ etwas größer... Zahlungen kann man legal verfolgen. Siehe Unterhalt. Wenn man will.

  9. 3.

    Ich sehe hier ein Problem in der Diskrepanz zwischen dem vollkommenen legalen Lobbyismus auf den entsprechenden Ebenen und dem ach so kriminellen Weihnachsgeschenk für den netten Müllmann….
    Und für alles dazwischen lohnt sich mal die Googelei nach Korruptionsjägern etc. !

  10. 2.

    @ Wossi. Ihr Vorschlag ist einfach unrealistisch. Er läßt z.B das Bankgeheimniis ausser Acht. Wenn es dann nicht Geld, sondern Sachleistungen sind, ist garnichts gewonnen.

  11. 1.

    Ich empfinde die Korruptionsbekämpfung als nicht schwer, wenn man die richtigen Leute in ausreichender Zahl hat: Folge der Spur des Geldes. Überweisungen auszuwerten ist mühsam. Aber es geht. Mit Beharrlichkeit. Auch jedes Bargeldgeschäft muss einmal ein Zahlungsbeleg gewesen sein.
    Kann man übrigens auch bei Unterhalt gut anwenden. Es fehlt die Beharrlichkeit...

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