Gutachten zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz - Wie ein Tanker auf unruhiger See

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehört zu den größten Kultureinrichtungen der Welt. Doch das ist mehr Last als Kraft. Ein Gutachten soll den Komplettumbau empfehlen. Worum es geht, wer etwas zu gewinnen oder zu verlieren hat. Ein Überblick. Von Oliver Noffke
Um was geht es? Was macht die Stiftung Preußischer Kulturbesitz?
Die SPK, wie diese Institution abgekürzt wird, behütet und verwaltet das kulturelle Erbe Preußens. Das beinhaltet einen gigantischen Schatz an Gegenständen und Schriften, der in mehr als 700 Jahren zusammengetragen wurde. Es ist ein wesentliches Abbild der Geschichte. 1957, zehn Jahre nachdem der Name Preußen endgültig von der Landkarte getilgt worden war, wurde die Stiftung in der BRD gegründet. Mit der Wiedervereinigung wurde die Stiftung zu einem Koloss, denn die spektakulärsten Gebäude und Sammlungen befanden sich in Ost-Berlin.
Etwa die fünf Häuser der Museumsinsel, die 1999 zum Unesco-Welterbe erklärt wurden. Sie beherbergen das Ischtar-Tor aus dem antiken Babylon, die Büste der Nofrete oder den Pergamonaltar. Aber auch Gemälde, die als prägend für die deutsche Kulturlandschaft gelten, sind heute hier zu finden, wie "Der Mönch am Meer" von Caspar David Friedrich. Insgesamt verantwortet die SPK 15 Museumssammlungen. Jede für sich ist einzigartig, so gut wie alle sind von Weltrang.
Aber das ist längst nicht alles. Zur Stiftung gehören diverse Bibliotheken, Archive und Forschungseinrichtungen. Heute gilt die SPK als größte Kultureinrichtung Europas. Ihr Organigram zeigt 47 Abteilungen, die sich auf fünf Bereiche verteilen und zentral verwaltet werden. Rund 2.000 Menschen sind bei der Stiftung angestellt. An ihrer Spitze steht seit zwölf Jahren Hermann Parzinger als Präsident. Politisch ist das Kulturstaatsministerium verantwortlich, das von der CDU-Politikerin Monika Grütters geführt wird.
Was sind die zentralen Kritikpunkte?
Zu allererst wäre da die Größe. Kritiker sehen die SPK als einen aufgeblasen Kulturkonzern, mit unübersichtlichen Strukturen und verwirrenden Zuständigkeiten, der überaus behäbig agiert und sich nur schwer fokussieren kann. Grütters selbst verglich die SPK vor einigen Jahren mit einem Tanker, der neu aufgestellt werden müsse. Ihre Behörde hatte 2018 das Gutachten in Auftrag gegeben, dass nun für Aufregung sorgt und am Montag offiziell präsentiert werden soll.
Aus der Größe resultieren offensichtlich die schmerzhaftesten Probleme der Stiftung. Im vergangenen Jahr zählten ihre Staatlichen Museen zu Berlin knapp 4,2 Millionen Besucher. Das war zwar ein deutliches Plus. Anderswo läuft es jedoch besser. Die Uffizien in Florenz zogen zueltzt 4,4 Millionen Besucher an, in einer ganz anderen Liga spielt der Louvre in Paris (9,6 Millionen).
Dann wären da die vielen Bauarbeiten. Seit 2014 wird das Pergamonmuseum saniert, im vergangenen Jahr hätte der berühmte Altar wieder zugänglich sein sollen. Das wird nun frühestens 2023 der Fall sein. Hauptsächlich war wohl der schlechte Zustand des Gebäudes hierfür verantwortlich. Im Nachhinein scheint allerdings fraglich, ob es eine gute Idee war, gleichzeitig die Neue Nationalgalerie zu renovieren. Seit Jahren fallen nun schon zwei Publikumsmagneten aus.

Andere Gebäude scheinen hingegen über Jahre vergessen worden zu sein. Am Ethnologischen Museum in Dahlem ist das Dach leck. Den Nutzungsvertrag mit dem Hamburger Bahnhof zu verlängern, wurde verschlafen.
Wie sich die Stiftung selbst ausbremst, zeigt sich am Humboldt-Forum. Da es über keine eigene Sammlung verfügen wird, ist sein Intendant auf die Zusammenarbeit mit anderen Museen angewiesen. Deren Direktoren sind allerdings nicht nur dem Intendanten des Humboldt-Forums unterstellt, sondern auch der Führung der Staatlichen Museen und der Stiftung selbst. Klingt kompliziert. Und ist es auch. Die DPA berichtete vergangene Woche, dass in dem Bericht auf das "Konfliktpotenzial" hingewiesen werde. "Dysfunktional" und "strukturelle Überforderung" sollen weitere Beschreibungen der SPK sein.
Was wird das Gutachten aussagen?
Der Wissenschaftsrat schlägt das Schwert vor, um den Knoten zu lösen. So stellt es zumindest die Wochenzeitung "Die Zeit" dar, die einen Entwurf für das Gutachten als erstes einsehen konnte. Demnach soll die SPK aufgelöst und ihre Bestände auf vier separate Stiftungen verteilt werden: die Staatlichen Museen zu Berlin, die Staatsbibliothek, das Geheime Staatsarchiv sowie das Ibero-Amerikanische Institut.
Sie sollen eine eigene Leitung erhalten, die selbst über ihr Budget und Personal bestimmen kann. Die Experten glauben demnach, dass mehr Eigenständigkeit höhere Effizienz ermöglicht und den Blick für mehr Kreativität weiten kann. Viele bisherige Entscheidungswege würden damit entfallen und der steuernde Kraken - die zentrale Verwaltung - unnötig. Laut der "Süddeutschen Zeitung" wird das Gutachten von den Mitarbeitern der Stiftung als "Bombe" bezeichnet.
Wer entscheidet, ob es dazu kommt?
Im Konstrukt Stiftung Preußischer Kulturbesitz gibt es ein weiteres Rädchen, dass alles wahnsinnig verkompliziert - und zwar 16-fach. Der Stiftungsrat. Er vertritt die Bundesländer, die laut Grundgesetz die Kulturhoheit in Deutschland inne haben. Also auch gewaltig was zu sagen haben, darüber, wie sich das Land in seiner Hauptstadt der Welt präsentiert.
Das Gros der Zeche zahlt der Bund, vertreten durch Kulturstaatsministerin Grütters. Die Sachverständigen werden offenbar vorschlagen, dass er künftig den gesamten Haushalt stemmt. (Dabei handelt es sich derzeit um rund 355 Millionen Euro, die zu Dreivierteln der Bund und zu einem Viertel die Länder zahlen. Plus einem Sockelbetrag für Betriebskosten von 120 Millionen, die ebenfalls zu Dreivierteln vom Bund getragen werden, den Rest zahlt das Land Berlin.)
Dafür sollen die Länder künftig nur noch bei den Museen mit am Tisch sitzen. Die drei anderen Sparten müssten sie dann dem Bund überlassen. Dieser Vorschlag würde die Finanzierung ungemein vereinfachen und Wege der Entscheidung abkürzen. Ob jedoch die Bundesländer bereit sind ihren Einfluss zu beschneiden, muss sich erst zeigen.
Und dann wäre da noch Stiftungspräsident Parzinger, der gemeinsam mit Stiftungsrat und Grütters über die Zukunft der Stiftung zu entscheiden hat. Würde er zustimmen, sein Amt und damit sich selbst abzuschaffen?
Und Preußen?
Eine der ersten Ausstellungen, die im Humboldt-Forum zu sehen sein wird, wird sich mit der deutschen Kolonialvergangenheit auseinandersetzen. Wie genau sie aussehen soll, steht noch nicht fest. Bereits klar ist jedoch, dass nicht nur Objekte gezeigt werden, die im 19. oder frühen 20. Jahrhundert hierher kamen. Sehr wahrscheinlich wird die Ausstellung auch ein Spiegel sein, der zeigt, wie dieses Kapitel heute in Ländern wie Tansania oder Ruanda bewertet wird.
Preußen versuchte sich bereits als Kolonialmacht, bevor es zum Deutschen Reich gehörte, dessen Kaiser die Hohenzollern stellten. Die Aufarbeitung dieser Zeit hat gerade erst begonnen. Über viele, sehr viele Objekte, die in Berlin gelagert sind, wird noch diskutiert werden. Wem das nun gehört. Und wie zukunftsweisend der Name Preußen sein kann. Die Diskussion um das Kreuz auf dem Humboldt-Forum und der Streit über Ansprüche der Hohenzollern haben bereits gezeigt, wie vergiftet die Debatten sein können.