"Charme, Charakter und Charisma" - Schauspielerin Eva-Maria Hagen ist tot

Sie war eine der erfolgreichsten Schauspielerinnen der DDR, zeitweilig die Lebensgefährtin von Wolf Biermann und Mutter der Punk-Ikone Nina Hagen: Jetzt ist Eva-Maria Hagen im Alter von 87 Jahren gestorben.
Sie galt als "Brigitte Bardot der DDR": Jetzt ist die Schauspielerin, Sängerin und Autorin Eva-Maria Hagen am 16. August im Alter von 87 Jahren in Hamburg gestorben, teilte das Management im Auftrag der Familie mit.
Die DEFA-Filmkomödie "Vergesst mir meine Traudel nicht" hatte die Mutter von Punk-Sängerin Nina Hagen und Großmutter von Schauspielerin Cosma-Shiva Hagen populär gemacht, bis 1965 wirkte sie in rund 50 TV- und Kino-Filmen mit. Im selben Jahr lernte Eva-Maria Hagen den regimekritischen Liedermacher Wolf Biermann kennen. 1977 folgte sie dem Ex-Lebensgefährten nach Hamburg, wo sie bis zuletzt lebte.
"Am 16. August 2022 hat unsere geliebte Eva-Maria Hagen diese irdische Welt verlassen und ist uns in die ewige Heimat vorausgegangen. Wir trauern voller Sehnsucht, in Liebe und Dankbarkeit. Nina, Cosma und Otis Hagen - sowie alle ihre Freunde, Freundinnen, Wegbegleiter und Wegbegleiterinnen", so die Nachricht, die das Management im Auftrag der Familie verbreitete.
1934 in Hinterpommern im heutigen Polen geboren
Geboren wurde Eva-Maria Hagen am 19. Oktober 1934 in Költschen in Hinterpommern im heutigen Polen. Nach der Flucht in den Westen, die sie in ihrem Buch "Eva jenseits vom Paradies" beschrieb, fand die Familie eine neue Heimat im mecklenburgischen Perleberg. Nach einer Lehre zur Maschinenschlosserin begann sie 1952 ein Schauspielstudium in Ost-Berlin, wo sie 1953 unter der Leitung von Bertolt Brecht am Berliner Ensemble debütierte. Binnen kurzem avancierte sie zu einer der erfolgreichsten Schauspielerinnen der DDR, nicht zuletzt wegen ihres Dauererfolgs als Blumenmädchen Eliza im Musical "My Fair Lady".
Wendepunkt war für Hagen die Begegnung mit Wolf Biermann
Die Begegnung mit Biermann wurde zu einem Wendepunkt in ihrem Leben. Die Filmdiva wurde wegen Staatsverleumdung angeklagt und gastierte fortan in Provinztheatern. Als sie 1976 gegen Biermanns Ausbürgerung öffentlich protestierte, entließ man Hagen fristlos und belegte sie mit Berufsverbot. 1977 folgte sie ihrem Ex-Lebensgefährten zusammen mit Tochter Nina, die aus der früheren Ehe mit dem Schriftsteller Hans Oliva-Hagen stammt, nach Hamburg. Neben dem Film und dem Theater baute sie sich im Westen eine zweite Karriere als Chansonsängerin auf. Auch als Autorin machte sie sich einen Namen, so veröffentlichte sie 1998 den Briefwechsel mit Biermann in ihrem Buch "Eva und der Wolf".
Erst nach dem Mauerfall drehte die Hagen wieder in Babelsberg
Erst nach dem Mauerfall drehte Hagen wieder Filme in Babelsberg in Potsdam, stand als "Medea" oder "Mutter Courage" auf der Bühne oder sang Brecht-Lieder. Auch im Fernsehen übernahm sie in vielen Serien Gastrollen, spielte zusammen mit Harald Juhnke in "Jugendsünde". Im Kino spielte sie sowohl in Komödien wie "Dinosaurier - gegen uns seht ihr alt aus!" (2009), als auch in Dramen wie "Nimm die dein Leben" (2004) und "Lore" (2012). Zusammen mit Tochter Nina und Enkelin Cosma-Shiva stand sie für den Schneewittchen-Film "Sieben Zwerge - Männer allein im Wald" vor der Kamera. 2014 synchronisierten alle drei Hagen-Frauen gemeinsam den neuen "Biene Maja"-Film.
Claudia Roth würdigte sie Schauspielerin
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) würdigte Leben und Werk: "Mit Eva-Maria Hagen verlieren wir eine großartige, vielseitige und mutige Künstlerin, in deren Biographie sich die deutsch-deutsche Geschichte spiegelt - sie hat mit ihrer Kunst Geschichte geschrieben", hieß es am Freitag in einer Erklärung. "Zweiter Weltkrieg und Vertreibung, Stasi-Überwachung und Berufsverbot - all das hat das bewegte Leben von Eva-Maria Hagen geprägt. Nachdem sie sich mutig dem SED-Regime widersetzt hatte und schließlich die DDR verlassen musste, begann sie in Westdeutschland von vorn und zeigte erneut, dass sie als Schauspielerin und Sängerin, Autorin und Malerin ein einzigartiges Multitalent war", so Roth.
"Charme, Charakter und Charisma"
"Ich bin sehr traurig über den Tod dieser großartigen und vielseitigen Schauspielerin", äußerte sich Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Freitag. Eva-Maria Hagens Schaffen sei vor allem über den Filmstandort Potsdam-Babelsberg eng mit dem Land Brandenburg verbunden gewesen. "Meine Erinnerungen an Eva-Maria Hagen sind so vielgestaltig wie ihre Talente. Sie hatte Charme, Charakter und Charisma." Hochachtung nötige ihm noch heute ihre mutige politische Haltung in den 1970er Jahren ab, als sie infolge ihres Protests gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR ins Abseits gedrängt wurde und schließlich das Land verließ. "Wir werden ihr ein ehrendes Angedenken bewahren", betonte Woidke
Giffey würdigt "große Persönlichkeit"
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) nannte Eva-Maria Hagen eine "selten vielseitige Künstlerin". Auch Berlin sei "immer wieder der Ort ihrer Kunst und ihres Lebens" gewesen, hieß es in einer Mitteilung aus der Senatskanzlei von Freitag. "Eva-Maria Hagen wird uns als große Persönlichkeit im Gedächtnis bleiben. Die Theaterstadt Berlin trauert um eine bedeutende Schauspielerin."
Sendung: rbb24 Inforadio, 19.08.2022, 15 Uhr