Konzertkritik | Katja Krasavice im Huxleys - Nackte Hintern, entwaffnende Lyrics

Mi 14.09.22 | 08:21 Uhr
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Archivbild: Katja Krasavice bei einem Live-Auftritt. (Quelle: imago images/H. Boesener)
Audio: rbb24 Inforadio | 14.09.2022 | H. Schröder | Bild: imago images/H. Boesener

Im Internet ist die Rapperin Katja Krasavice ein Star. Millionen folgen ihren Songs mit den derben Texten bei Youtube, Instagram und Tiktok. Am Dienstag spielte sie nach langer Pause mal wieder ein Konzert in Berlin. Von Hendrik Schröder

Schon vor dem Konzert ist die Stimmung wahnsinnig gut. In der Warteschlange stehen junge Menschen zwischen 16 und 20 und glühen mit Hilfe kleiner Jägermeister-Flachmänner und Prosecco aus der Dose schon mal vor. "Es ist Dienstagabend und morgen ist Schule", will man rufen, und denkt dann: Ach lass sie doch.

Dann wird es mit Support-Act Nummer eins unerwartet politisch. Mit "Nein heißt Nein" spielt Rapperin Vita einen Song über sexuelle Übergriffe und Typen, die es immer noch nicht geschnallt haben. Findet das Pulbikum gut. Als Support-Act zwei Marvin dann nach seinen zwei Tracks ruft: "Und jetzt kommt Katja, und das wird der krasseste Abend eures Lebens", nimmt das Gekreische kein Ende.

Archivbild: Katja Krasavice bei Pormo-Aktion. (Quelle: imago images/rheinmainfoto)
Bild: imago images/rheinmainfoto

"Jetzt ist auch egal, wo ich her bin"

Dann fällt der Vorhang und Katja Krasavice steht da in einem regenbogenfarbenen Pelzmantel, der an ihr aussieht wie ein Zelt. Im Hintergrund ein DJ, der ein bisschen an den Knöpfen dreht. Dann wendet sie dem Publikum den Rücken zu, lässt den Mantel fallen, trägt darunter nicht viel mehr als einen String-Tanga und hohe schwarze Stiefel, streckt ihren Hintern gen Publikum, streicht sich darüber. Die Leute bekommen bald Schnappatmung.

Zwei Tänzerinnen und zwei Tänzer kommen auf die Bühne. Imitieren Geschlechtsakte und wackeln ordentlich herum. Dazu rappt Krasavice Zeilen, die man hier gar nicht alle zitieren kann, so hart sind sie. Es geht wahnsinnig viel um Pussy und Penis und was man damit so machen kann, um Stellungen, Praktiken und immer wieder um Geld und Macht.

Das Geld hat jetzt Katja, verdient mit Web-Videos, Musik und ihrer Autobiografie - und mit dem Geld hat sie die Macht. Über die Männer. Über ihr Leben. Gut live rappen kann sie eigentlich nicht, und ihre Stimme ist eher ein Stimmchen, aber das ist total egal. "Ich hab einen roten Benz, dank Only Fans, ich bin jetzt Millionärin und jetzt ist auch egal wo ich her bin", singt sie. Das klingt auf den ersten Blick billig, ist aber eigentlich echt entwaffnend gesagt.

"Hau ab, Mama"

Alles an Katja Krasavices Auftreten ist übersexualisiert bis zur Schmerzgrenze. Das ist ihr Erfolgsrezepzt. Ob das einfach die Reproduktion heteronormativer Sexismen ist oder am Ende feministisches Empowerment, das sollen Wissenschaftler:innen debattieren, die sich wirklich damit auskennen. Aber wenn man liest, aus welch zerrütteten, prekären Verhältnissen sie kommt, welche Missbrauchserfahrungen sie gemacht hat, dann kann man nicht anders als das auch echt stark zu finden, was diese Frau ohne Schulabschluss, die als Kind aus Tschechien nach Deutschland kam, aus sich gemacht hat.

Sie dreht das Geschäft so weit, dass auf der Bühne Werbedosen für ihre eigene Getränkemarke stehen und sie sich immer mal wieder eine Dose aufmacht, daraus trinkt und sagt, wie lecker das sei. Dann bittet sie drei Fans zum Wett-Trinken auf die Bühne. Ein kurzer Moment der Fremdscham. Auch da jubeln die Fans.

Daneben wirken die vielen Regenbogenfahnen und ihre Frage "Wo sind denn hier meine queeren Fans?" fast wie aufgesetzt. "Die ist so geil, die scheißt auf alles", sagt ein Teenager auf der Terrasse später zu zwei etwas älteren Fans, "einfach drauf pfeifen was andere sagen, das ist es doch." Dann kommt allen Ernstes die Mutter des Mädchens raus und bellt: "Tu die Zigarette weg!" Und das Mädchen sagt: "Hau ab, Mama!" Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll.

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.09.2022, 06.00 Uhr

11 Kommentare

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  1. 11.

    Eines Vorweg, höre ich kein Rap. Aber was meinen Sie mit "unserer Musik"? Was soll das heißen? Meinen Sie damit Musik, die zu Ihrer Jugend populär war? Finde ich seltsam. In dem Sinne reden Sie wohl von Pop- und Chartmusik. Kennen Sie noch mehr Musik außerhalb der Popmusik, die eigentlich nur vielleicht 1% aller Musik ausmacht? Was meinen wie viele Klangtüftler es heute noch gibt? Also fangen Sie bitte an mal sich mit Musik ernsthaft auseinander zu setzen, als irgendwelchen Zeiten hinterher zu trauern. Danke!

  2. 10.

    Genau, man zählt nur selber. So werden Könige und Königinnen heran gezogen welche vom puren Egoismus getrieben werden und Probleme im Job bekommen da dort dieses Lebensmotto nunmal nicht funktioniert.

  3. 9.

    Ok, Musik ist Ansichtssache, Rap nicht mein Ding, aber das "Werbefoto" für das "Weichgetränk" ist schon etwas daneben. War im RBB nicht kürzlich ein Bericht zu übergewichtigen Kindern? Das Zeug verdient fast das Prädikat "Garantiert frei von natürlichen Stoffen".
    Zutatenverzeichnis: Wasser, Zucker, Kohlensäure, Säuerungsmittel Citronensäure, Aroma, Säureregulator Trinatriumcitrat, Farbstoffe E 122 und E 129. E 122 und E129: Kann Aktivität und Aufmerksamkeit bei Kindern beeinträchtigen.

  4. 8.

    Bewiesen habe ich vielleicht für Sie etwas - aber: Nee - janz so schlimm isset nich. Es gibt heute auch tolle Muckemacher - aber die sind leider so selten geworden. Das meiste ist doch textlich sinnlos (gut, gab´s auch schon immer) bis höchstaggressiv und abwertend anderen gegenüber und die Musik irgendwie zusammengeschustert. Steinberg, Midi und Co. sei Dank. Die wirklich Guten kommen kaum noch zur Geltung.

  5. 7.

    Mit anspruchsvoller Musik (egal, welches Genre) hat das jedenfalls nichts zu tun.

  6. 6.

    Eigentlich denkt ja jede Generation, dass ihre Musik in der Jugend besser war. Sie haben es mal wieder bewiesen. P.S.: Ich kenne diese Sängerin nicht...

  7. 5.

    Ich weiß, das wird bestimmt zensiert: meine Idole hatten noch künstlerisch was drauf, hatten Stimme und die Texte waren ohne flache Zoten. Uiiuiui - ich mag mir nicht vorstellen, wie diese Generation mal die Seniorenheime flutet, wie das aussehen mag (Zugehackt bis zum Stehkragen) und welche Musik dann dort gespielt wird *lach*

  8. 4.

    Im Winter macht se dit ooch nich mehr uffe Bühne *lol*

  9. 3.

    "Ein Glück das jeder weiss, dass ich auf anderer Leute Meinung scheiß´" - das ist mein Motto seit meiner Jugendzeit - und die ist schon 45 Jahre weit weg, das Motto gilt noch immer. Wenn das erst die aktuelle Generation macht.... prost Mahlzeit.
    Und unsere Musik war aber einfach besser, weil handgemacht ohne Expander und Vocoder oder anderem Schnickschnack und selbst die Klangkünstler unter den Musikmachenden der Siebziger waren einfach um Längen besser: die musste noch nachdenken und tüfteln - nicht so wie jetzt, einfach nur Sequenzen und Bausteine zusmmenstellen :-P
    Aber so hat jede Generation ihre Idole. Allet wird jut.

  10. 2.

    Na, wer‘s schön findet!

  11. 1.

    "einfach drauf pfeifen was andere sagen, das ist es doch."
    Die nächste Generation versteht es offenbar, sich frühzeitig von den Fesseln gesellschaftlicher Restriktionen zu befreien. Für mich eine gute Entwicklung.

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