Neuer Chef im Haus der Kulturen der Welt - "Wir müssen unsere Wunden anschauen"

So 15.01.23 | 15:34 Uhr | Von Corinne Orlowski
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Prof. Dr. Bonaventure Soh Bejeng Ndikung.(Quelle:Alexander Steffens)
Audio: rbb24 Inforadio | 13.01.2023 | Corinne Orlowski | Bild: Alexander Steffens

Bonaventure Ndikung hat sich erfolgreich für die Wahrnehmung afrikanischer Kunst in Berlin eingesetzt. Ab jetzt wird er das Programm im Haus der Kulturen der Welt gestalten: Seit Jahresbeginn ist er dort Intendant. Corinne Orlowski stellt ihn vor.

Dieser Mann ist eine Erscheinung: Mit Vollbart, Glatze und stets elegant gekleidet. Ein bunter Dandy, ein schicker Sapeur oder aparter Hipster? Egal. In seinen bunten Anzügen mit komplementär dazu passendem Einstecktuch – wahlweise mit exzentrischem Hut oder Ballonmütze – ist Bonaventure Ndikung nicht zu übersehen. Und sichtbarer soll unter ihm auch das vom Bund finanzierte Haus der Kulturen der Welt werden.

Berlin sei Heimat für Bürgerinnen und Bürger aus 190 Nationen und die müssten nun Mitgestaltende eines Hauses der Kulturen der Welt sein, sagt der gebürtige Kameruner. Dabei gehe es in erster Linie um Verständigung und den Abbau von Vorurteilen. "Wir müssen unsere Differenzen und Ähnlichkeiten schätzen lernen, um besser in dieser Welt leben zu können. Ich bin auch der Meinung, dass vieles in der Weltgeschichte falsch gemacht worden ist, und um dies zu reparieren, müssen wir uns unsere Wunden anschauen. Und das ist für mich: Reparation, Rehabilitation, Restitution.“

"Wir müssen unsere Wunden anschauen“

Professor Dr. Bonaventure Soh Bejeng Ndikung wurde 1977 in Yaoundé geboren und lebt seit den Neunzigerjahren in Berlin. Er ist ein umtriebiger Versöhner, gilt als Visionär und Vermittler, der eigentlich gelernter Biotechnologe ist.

Einige Jahre stand er tagsüber in einem Labor für Herzschrittmacher, um sich dann abends in Neukölln seinem Ausstellungsraum "Savvy Contemporary" (inzwischen in Wedding angesiedelt) zu widmen. Wie kaum ein anderer hat er für die Wahrnehmung afrikanischer Kunst in Berlin gekämpft – und damit Pionierarbeit geleistet. 2020 erhielt er für sein Wirken den Verdienstorden des Landes Berlin.

Pionierarbeit für die Wahrnehmung afrikanischer Kunst

Spätestens seit der documenta 14 im Jahr 2017 in Kassel und Athen, die er als Curator-at-large mitverantwortete, ist er weltweit ein gefragter Kurator. Ndikung leitete die Foto-Biennale in der Hauptstadt von Mali, Bamako, den finnischen Pavillon der Biennale in Venedig und die niederländische Kunstschau Sonsbeek.

Jetzt also die "Schwangere Auster" im Berliner Tiergarten. Das neue Programm wird er erst im März vorstellen. Eines steht aber schon fest: "Wir werden migrantensituiertes Wissen ins Zentrum stellen. Die Welt steht vor massiven Umwelt- und Klimaproblemen. Es scheint, als ob wir mit unserem Latein am Ende sind. Aber vielleicht wissen die Menschen im Amazonas oder im Regenwald, auf dem afrikanischen Kontinent, wie man mit diesen Krisen umgehen könnte." Ndikung wünscht sich dafür eine herzliche und faire Debattenkultur.

Kritik noch vor Amtsantritt

An seiner Personalie gab es, noch vor Amtsantritt, heftige Kritik. Ihm wurde wiederholt eine Nähe zur antisemitischen und israelfeindlichen BDS-Bewegung ("Boykott, Divestment and Sanctions“) vorgeworfen. Ndikung selbst bestreitet das und Kulturstaatsministerin Claudia Roth verteidigt ihn.

Als Biotechnologe hat Bonaventure Ndikung jedenfalls einen interessanten Zugang zur Kunst und Kultur. "Wissen steckt nicht nur im Kopf“, sagt der 45-Jährige, "sondern im ganzen Körper. Damit will ich sagen, dass das Performative eine wichtige Rolle spielen wird." Auf seine kuratorischen Ideen am HKW kann man gespannt sein.

Mit seiner Arbeit könnte Ndikung ein Herzschrittmacher für das kulturelle Leben in Berlin werden. Das HKW wird ein anspruchsvoller Ort der Verständigung, des Kennenlernens und Voneinanderlernens, geleitet von einem, der daran glaubt, dass die Kultur das Fundament der Welt ist.


Gerade ist das Haus der Kulturen der Welt noch wegen Instandsetzungsarbeiten geschlossen. Am ersten Juniwochenende 2023 wird dann die große Wiedereröffnung gefeiert.

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.01.2023, 07:55 Uhr

Beitrag von Corinne Orlowski

5 Kommentare

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  1. 5.

    Ja richtig! Einfach weiter recherchieren, dann erschliesst sich die Bedeutung in diesem Zusammenhang.

  2. 4.

    Er bestreitet das und Claudia Roth verteidigt ihn. Frau Roth wollte auch die documenta aussitzen. Scheint ja wieder mal kein Problem zu sein. Unglaublich.

  3. 2.

    Ich freue mich auf die Veranstaltungen und neue Perspektiven.
    Kultur ist Leben !

  4. 1.

    " ... ein schicker Sapeur ..."
    Und was soll das sein? An sich sind das auf Französisch die Pioniertruppen bei der Armee...

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