Ausstellung | "Playtime" von Isaac Julien im Palais Populaire - Von der Kunst und dem Kapital im Kulturforum der Deutschen Bank
Isaac Julien zählt mit zu den erfolgreichsten Künstlern seiner Generation. In seinen multimedialen Installationen übersetzt er Themen wie Kolonialismus und Flucht in poetische Bilder. Jetzt sind seine Arbeiten im Palais Populaire zu erleben. Von Silke Hennig
Nicht erst seitdem ihn Königin Elizabeth in den Ritterstand erhob und er im vergangenen Jahr den Goslarer Kaiserring erhielt, zählt Isaac Julien zu den erfolgreichsten Künstlern seiner Generation. In seinen multimedialen Installationen übersetzt der afro-britische Film- und Video-Künstler Themen wie Kolonialismus und Flucht in poetische Bilder. Jetzt ist er mit der Arbeit 'Playtime' aus der privaten Sammlung Wemhöner im Palais Populaire in Berlin zu erleben.
Reaktion auf die Finanzkrise
"Ironisch, in Teilen ernst, aber dann auch wieder witzig", wenngleich nicht so lustig wie Jacques Tatis Film 'Playtime' – so beschreibt Isaac Julien die Dreikanal-Video-Arbeit, die den Kern seiner gleichnamigen Installation bildet. Juliens 'Playtime' entstand bereits vor 10 Jahren in Reaktion auf die globale Finanzkrise und als Teil einer länger währenden Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Thema 'Kapital'. Im Fokus stehen das Verhältnis von Kapital zu Arbeit, Globalisierung, Kunstmarkt, sowie die Veränderungen, denen diese Beziehungen durch Digitalisierung und Algorithmen unterworfen sind. Charakterisiert Tati in seiner Filmkomödie 1967 die 'schöne neue' entfremdete Arbeitswelt, indem er von oben die Angestellten in ihren immer gleichen würfelförmigen Büro-Einheiten zeigt, zeigt Isaac Julien statt Angestellten nur mehr Computer-Terminals.
Filmstar interviewt Star-Auktionator
Den Kern der Ausstellung bildet eine auf drei Leinwände projizierte Filmarbeit. Sie besteht aus fünf separaten Episoden, jeweils mit anderen Personen an unterschiedlichen Orten. In einem Vorraum stimmen Fotografien auf einzelne Szenen und auf dieses Personal ein: In Dubai etwa ist es eine philippinische Hausangestellte, die die Kamera bei der Arbeit beobachtet und bei ihren verlorenen Blicken auf die glitzernde Stadt. US-Schauspieler James Franco führt in einer Galerie als abgebrühter Kunsthändler in die Motivation von Kunstsammlern ein. Eine Journalistin, gespielt vom chinesischen Filmstar Maggie Cheung, interviewt einen Star-Auktionator, Simon de Pury, der auch im wirklichen Leben ein prominenter Kunst-Versteigerer ist. Wie die Schwerkraft, sei auch Kapital nicht zu fassen, nicht selbst, sondern nur in seinen Auswirkungen sichtbar, räsonieren zwei Londoner Hedgefonds-Manager in einer klinisch weißen, leeren Büro-Etage. Isaac Julien macht sich diese Sichtweise zu eigen. Die Lichterlandschaft des Finanzdistrikts der Londoner City mit ihren gläsernen Bürotürmen zeigt er als ebenso künstliche wie makellose Welt. Genau wie das weitläufige, luxuriös-unpersönliche Apartment in Dubai: Ein gläsernes Gefängnis für die philippinische Hausangestellte, die bleibt, um das Geld für die Ausbildung ihrer Kinder zu verdienen.
Natur als Kontrast
Nur da, wo das Kapital nicht oder nicht mehr triumphiert, verlieren die Bilder ihre sterile Perfektion. In Island beispielsweise, vom Finanzmarkt-Crash besonders gebeutelt, wandert ein Künstler durch das, was nach der Finanzkrise von seinem modernistischen Haus geblieben ist: Ein verlassener Rohbau, ein geplatzter Traum. Die Kamera beobachet, wie er vor dem 'Auge' eines riesigen, kreisrunden Fensters steht und in die schneebedeckte Landschaft hinausschaut. Immer wieder zitiert Isaac Julien mit solchen 'Rückenfiguren' die Malerei der Romantik. Die Natur setzt er als Gegenbild ein und kontrastiert die Orte, an denen das Kapital sein Gesicht zeigt, mit der überwältigenden Weite von Eis- oder Sandwüste. Diese Gegenüberstellung erscheint bisweilen schematisch und nicht immer entgeht Julien Klischees, wenn er versucht, die Einflüsse des Kapitals in Bildern einzufangen. Doch verteilt auf drei Leinwände, mit rhythmischen Schnitten und jeweils eigenem Klangcharakter für die einzelnen Episoden, entwickelt die Arbeit ihre Sogkraft.
"Filmemachen kostet Geld … mehr als viele andere zeitgenössische Kunstformen"
Wir alle leben mit und von den "Strukturen des Kapitals" sagt Isaac Julien. Seine eigenen Arbeiten könnten ohne Zugang dazu gar nicht entstehen. Er brauche Arbeitskräfte dafür und diese müssten angemessen bezahlt werden. Eine kurze Szene in 'Playtime', in der Julien selbst auf einer Kunstmesse im Bild erscheint, verweist darauf, wie sehr er als international erfolgreicher Künstler sich selbst als Teil der besonderen Verflechtung von Kunst und Kapital sieht. Denn ob bei Versteigerungen oder in den großen Galerien der Welt: Kunst ist längst zu einem 'Fluchtpunkt' von Kapital geworden – nicht nur, weil sie ihren materiellen Wert in großen Sprüngen steigern kann, sondern weil sie Kapital mit ideellem Wert anreichert. Ist es so gesehen paradox oder besonders passend, wenn diese Arbeit ausgerechnet an einem Ort gezeigt wird, den die Deutsche Bank finanziert? Absolut passend, findet Isaac Julien.
Sendung: rbbKultur, 07.03.2023, 16:00 Uhr