Konzertkritik | Umstrittener Roger Waters in Berlin - Wer nicht meiner Meinung ist, kann sich verpissen

Do 18.05.23 | 11:43 Uhr | Von Hendrik Schröder
  55
Roger Waters auf Konzert
Audio: rbb24 Inforadio | 18.05.23 | Hendrik Schröder | Bild: dpa

Viel wurde im Vorfeld diskutiert über den ehemaligen Pink Floyd Musiker. Ihm wird unter anderem ein latenter Antisemitismus vorgeworfen. Manche forderten sogar ein Verbot der Shows. Nun aber fand das erste der beiden in Berlin geplanten Konzerte statt. Von Hendrik Schröder

Vorweg: Es sollte in diesem Artikel eigentlich um die Musik gehen. Es war genug berichtet worden über Roger Waters' politische Umtriebe, sein seltsames Weltbild, seine unangenehmen Äußerungen.

Zeit, über die Musik zu sprechen. Aber man kann bei Roger Waters Werk und Haltung und Auftritt gar nicht voneinander trennen. Denn er selbst lässt das nicht zu. Noch bevor es losgeht, kommt seine Stimme aus den Lautsprechern, die übersetzt sagt: Gleich beginnt die Show und übrigens, solltet ihr zu den Leuten gehören, die zwar Pink Floyds Musik gut finden, aber Roger Waters politische Einstellung ablehnen, dann "fuck off and go to the bar".

Also: Verpisst euch und geht zur Bar. Wow. Gleich am Anfang alle Fans zu bepöbeln, die nicht exakt seiner Meinung sind. Das muss man erst mal bringen. Eigentlich will man jetzt sofort wieder gehen. Denn wer einigermaßen Interesse daran hat, die politische Weltlage differenziert zu beobachten, kann unmöglich Roger Waters' Meinung sein. Die geschätzt 10.000 in der nahezu ausverkauften Mercedes Benz Arena klatschen lauten Beifall. Oh.

Schöner Blick auf den Rücken des Musikers

Dann geht es aber los und natürlich ist es gigantisch. Die Bühne liegt wie ein eingeschlagener Komet in der Mitte, da wo sonst die Stehplätze sind. Die Zuschauer sitzen drumherum. So sind natürlich viel mehr Leute viel näher dran. Sehen aber viel weniger, als bei herkömmlichen Aufbauten.

Roger Waters wechselt die vier Hallenseiten durch, auf jeder hat er ein Mikro stehen, was zur Folge hat, dass er drei Viertel der Zeit mehr oder weniger mit dem Rücken zu einem steht. Ein seltsames Konzept. Seine vielköpfige Band verteilt sich gleichmäßig auf die Ecken der Bühne. So steht quasi jeder Musiker alleine und für sich. Dadurch entsteht überhaupt keine gemeinsame Energie, man hat gar nicht das Gefühl, eine Band zu sehen.

Erst ganz zum Schluss kommen all' die Gitarristen und Backgroundsängerinnen zusammen an einen Fleck. Als würden sie drei Stunden brauchen, sich endlich zu finden.

Die Videowand dominiert alles

Der Auftritt fühlt sich in weiten Teilen eher an, wie ein Videofilm mit Musikbegleitung. Denn über der Bühne hängt eine wirklich unfassbar riesige mehrteilige Videowand, die zu fast jedem Song Videoclips, animierte Filmchen, Bilder, Farben und nicht zuletzt politische Parolen zeigt und die alles, wirklich alles dominiert und zukleistert.

Irgendwann hat man viereckige Augen und ein kaputtes Gehirn von dieser visuellen Flut, weil man natürlich immer nur auf die Videowand glotzt und nicht auf den 20 Meter entfernten, mäßig attraktiven Rücken von Roger Waters.

Selbst zu einem so zarten Song wie "Wish you were here" laufen meterhohe Buchstaben und Bilder über die Leinwände und erklären die Entstehungsgeschichte des Songs und der Band Pink Floyd (aus der Sicht von Roger Waters) und ersticken allen Zauber der Musik mit Botschaften, Botschaften und Botschaften.

Zeitlos gute Songs und einfältige Botschaften

Derartiger Inszenierungsbombast wird selbstverständlich von Roger Waters erwartet und er liefert, aber eigentlich ist es schade, dass die Videotechnik so viel wichtiger ist, als alles andere. Denn Waters ist für seine Ende 70 echt fit, singt okay und turnt gut durch die Gegend, seine Band spielt so toll, als wären Pink Floyd nie aufgelöst worden.

Die vielen Pink Floyd Songs an diesem Abend wirken zeitlos gut, die fünf, sechs jüngeren Solo-Stücke reihen sich perfekt ein. Und doch dauert es fast zwei Stunden bis so etwas wie echte Stimmung aufkommt in der Halle. Bis die Leute aufstehen und aus sich herausgehen, singen und lachen.

Vielleicht liegt es aber auch am Dauerbombardement von einfältigen Botschaften, die man im Stakkato vor den Latz geknallt bekommt. Am Ende ist das hier ja doch viel mehr eine politische Gehirnwäsche als ein echtes Rockkonzert. Es geht gegen die USA. Unter anderem wird Ronald Reagan als Kriegsverbrecher dargestellt und Bilder und Videos von Krieg und Leid werden so geschickt ineinander montiert, dass der Eindruck entstehen kann, die USA und Israel seien für wirklich fast alles Leid auf der ganzen Welt verantwortlich, Russland wird nicht mal erwähnt. Es geht um Black Lives Matter, Menschenrechte, aber eigentlich vor allem gegen die USA.

Ist das lustig oder traurig?

Und es geht gegen den Kapitalismus. "Resist capitalism" steht auf der Videowand, Roger Waters reckt die Faust, die Leute jubeln. Auf einem Konzert, bei dem die billigsten Karten rund 90 Euro kosten und ein Mineralwasser 5,20 Euro ruft der Multimillionär Rockstar auf der Bühne zum Widerstand gegen den Kapitalismus auf.

Ist das jetzt lustig oder traurig? Es ist lächerlich.

Roger Waters gibt alles, um sein grandioses Werk als Künstler hinter ultraoffensiver, holzschnittartiger Politagitation zu verstecken. Das ist nicht neu, wirkt aber durch modernste Videotechnik noch geballter, noch aggressiver, noch unangenehmer.

Man fragt sich am Ende der fast drei Stunden Konzert, inklusive Pause, nur noch: Warum macht er das?

Sendung: rbb24 Inforadio, 18.05.23, 8:10 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

55 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 55.

    "Er ist der unumstrittene Meister der psychedelischen Rock-Gitarre!"
    David Gilmour spielt Progressive Rock mit massivem Blues-Einschlag.
    Derjenige der bei Pink Floyd Psychedelic Rock gespielt hat, war Syd Barrett auf der ersten und in Teilen zweiten Scheibe und diversen 60s Singles.
    "Piper..." und "Saucerful..." sind Psychedelic Urgesteine.
    Audio-Visuelle LSD Tripps live auf der Bühne sozusagen.
    Das spätere Progressive Rock Spektakel ist damit überhaupt nicht mehr zu vergleichen.
    Fantastisch, spektakulär, ab "Dark Side" massenkompatibel und nach "Animals" musikalisch mMn irrelevant.
    Sowohl Waters, als auch Gilmour halten sich live überwiegend an alte Floyd Stücke. Das hat seine Gründe. Gilmour ist dabei, bis auf ein paar familiär begründete Ukraine-Statements, unpolitisch.

  2. 54.

    Ich finde Waters‘ politische Ansichten meistens auch sehr grenzwertig. Sie sind aber offensichtlich auch nicht justiziabel. Eigentlich passt er mit seinem ständigen Moralisieren und seinerRechthaberei ganz gut zu uns Deutschen, oder? Man sollte ihn vielleicht eher wie eine Thomas Bernhard-Figur sehen und auch die Komik in seinem Verhalten sehen. Die Fuck-Off-Ansage am Anfang fand ich z. B. eher komisch als beleidigend. Gegenüber dem Publikum empfand ich RW als kommunikativer als zu PF-Zeiten.

  3. 52.

    Tolle Bühnenchoreo, toller Sound und - welch Wunder - tolle Musiker. Ein rundum gelungenes Konzert.
    Und nicht zu vergessen, das, was Roger Waters politisch zu sagen hat, ist deutlich inhaltsreicher und tiefgründiger als das, was die von uns feminin ausgerichtete und allzeit belehrende Aussenpolitik so von sich gibt.

  4. 51.

    Waters sagt von sich er ist kein Antisemit. Gilmour behauptet das Gegenteil.
    Keine Ahnung was stimmt, allerdings ist die Kritik an der schleichenden Land-Annexion in der Westbank berechtigt, wie übrigens der gesamte Umgang Netanjahu im Kontext der ultraorthodoxen Juden zur Palästinenserfrage nach dem feigen Mord an Jitzchak Rabin.

  5. 50.

    Ja zweifellos, aber wenn wir schon beim Aufzählen der Gitarristen sind, wären mir noch Jimmy Page und Ritchie Blackmore wichtig, ach ja und Eric Clapton nicht zu vergessen.

  6. 49.

    "[...] David Gilmour zählt nach Hendrix zu den besten Gitarristen aller Zeiten!
    Er ist der unumstrittene Meister der psychedelischen Rock-Gitarre!"

    Und im Gegensatz zu Waters funktioniert sein moralischer Kompass auch noch...

  7. 48.

    Völlig Richtig, Guter Kommentar! Das "Amused To Death" -Album von Roger fand ich noch gut, aber ansonsten haben Sie Recht: Alles nach 1977 kann man getrost vergessen, sowohl von Floyd als auch die Soloalben.

  8. 47.

    Wow, hier gibt es ja jede Menge Waters-Versteher. Musik ist Geschmacksache.
    Was Polly Samson schreibt, scheint nicht ganz aus der Luft gegriffen zu sein.
    David Gilmour zählt nach Hendrix zu den besten Gitarristen aller Zeiten!
    Er ist der unumstrittene Meister der psychedelischen Rock-Gitarre!

  9. 46.

    Waters hatte Pink Floyd dominiert und die Richtung festgelegt, für deren unvergleichliche Musik und Texte wir alle Pink Floyd lieben.
    Die Texte wurden erst durch Waters systemkritisch (Kapitalismus), politisch und das war in den 70iger Jahren auch dringend notwendig.
    Ich würde es mal so bezeichnen, Waters hat sich nicht politisch weiterentwickelt.

  10. 45.

    Das Konzert war verstörend, ich hatte keine Lust auf ein Missionieren und wollte nur ein gutes Konzert hören und sehen und das war es dann nicht. Es war unangenehm.

  11. 44.

    Schön, dass Ihnen der Kommentar gefallen hat. Und nur, weil Sie Künstler und Werk nicht voneinander trennen können, müssen Sie sich von Waters nicht vereinnahmen lassen. Ich bin übrigens auch mit der Musik von Pink Floyd aufgewachsen. Traurig, was aus Roger Waters geworden ist...

  12. 42.

    Der angelegte Maßstab an Roger Waters ist m. E. schon etwas merkwürdig: Dass Rockkonzerte nicht unbedingt Hochburg diplomatisch austarierter Ansagen sind, dürfte alle Hingehenden gewohnt sein. Verpisst Euch - gleich an wen das jeweils gerichtet ist - ist gewohnheitsmäßig Bestandteil. Warum also sollte das bei Roger Waters eine Beleidigung sein, während andere sich bei Fehlen dessen den Vorwurf des Langweilers einhandeln?

    Die Kritik hingegen, genau jenes technisch Hochgerüstete bis zum Exzess auszunutzen, was von seiner Entstehung her doch abgelehnt wird, sie sticht. Harald Ehlert hat sich durch das gesetzte Fortdauern von Treber-Existenzen einen sehr guten Wohlstand aufgebaut, den er sich durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat bestätigen und genehmigen lassen. Roger Waters tiefe Ablehnung des Systems, was derartige überzüchtete technische Spielereien erst hervorgebracht hat, kann ich ihm so ganz abnehmen.

  13. 41.

    "R.Waters sollte sich an sein alten Kumpel D. Gilmore ein Beispiel nehmen u.sich anständig zurückziehen."
    David Gilmour (so schreibt er sich) hat sich ja auch nicht gerade anständig zurück gezogen. Bläst mit seiner Frau zusammen ins gleiche Horn wie Waters Kritiker. Und sein musikalischer Output ist auch ziemlich erbärmlich. Songs schreiben kann er nicht, das macht Polly, seine Gattin.
    Die letzten 3 Floyd Scheiben unter seiner Regie und sein letztes Solo Album spotten jeder Beschreibung. Fahrstuhlmusik ist aufregender.
    Als Floyd-Gitarrist und unter dem Pink Floyd Banner ordentlich Kasse machen ging aber noch...Das musikalische Vermächtnis bis Animals ist natürlich traumhaft. Heute ist man aber mit einer der vielen Floyd Cover Bands (z.B Australien Pink Floyd Show) viel besser bedient. Die sind zwar nicht innovativ aber im Vergleich zu Pink Floyd virtuos und offiziell unpolitisch. Das freut doch die Gemeinde.

  14. 40.

    Was für ein Humbug. Der Mann hat Ideale und eine politische Haltung, die vielen nicht passt. Dafür hat er gekämpft und wird es wohl bis zu seinem Tod tun, aufrecht, überzeugt, mutig und gegen den Strom. Früher wurde das sehr positiv bewertet. Heute wird alles und jeder diffamiert, wenns nicht ins gewünschte Bild passt. Gerne auch durch Geschlechts- und Altersdikriminierung.

  15. 38.

    Waters war schon als relativ junger Mann poltrig und hatte ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden. Der Zusammenhang mit dem Alter und dem Geschlecht gefällt mir nicht. Es ist ein billiges Klischee. Sicher gibt es andere Charaktere im fortgeschrittenen Alter, aber die waren auch schon vorher so, oftmals unbekümmert und unpolitisch.

  16. 37.

    Wat los , haben sie ne Mutter oder vielleicht ne Oma ?
    Also kruder geht's nicht.
    Musik ist nur gut wenn Sie es mögen ,Lächerlich .

  17. 36.

    Sehr einseitiger Artikel, hat mit Journalismus nicht viel zu tun.

Nächster Artikel