Techno-Parade in Berlin - Der Rave hängt durch

Mi 05.07.23 | 19:46 Uhr | Von John Hennig
  50
"Unter dem Motto 'Rave the Planet' zieht im Julli 2022 eine Parade aus Technofans tanzend auf der Straße des 17. Juni vorbei."; © dpa/ Jörg Carstensen
Video: rbb24 Abendschau | 05.07.2023 | Philipp Höppner | Bild: dpa/ Jörg Carstensen

Auch drei Tage vor der zweiten Auflage von "Rave the Planet" in Berlin ist völlig unklar, ob die Techno-Parade am Samstag wirklich durch die Stadt ziehen wird. Einen privaten Sanitätsdienst könnten sich die Veranstalter aktuell nicht leisten. Von John Hennig

  • Techno-Parade hat weiterhin keinen Sanitätsdienst
  • Kosten würden bisheriges Budget weit übertreffen
  • "Rave the Planet" setzt auf Spenden und Rechtsweg

"Die Zeit wird immer knapper. Das macht natürlich alle Lösungswege nicht einfacher, eher schwieriger", sagt Timm Zeiss. Drei Tage bleiben ihm und dem Organisations-Team von "Rave the Planet" um den Love-Parade-Erfinder Dr. Motte noch, die zweite Auflage der neuen Techno-Parade in Berlin zu sichern.

Hinter Zeiss liegen drei Tage, in denen der Rave schon vorab ordentlich zu wackeln begann. "Rave the Planet" fehlt ein Sanitätsdienst, um den Sicherheitsanforderungen an eine Großveranstaltung mit angemeldeten 300.000 Menschen gerecht zu werden.

Privater Sanitätsdienst übersteigt Budget

Weil sich die Veranstalter mit den ehrenamtlich tätigen Hilfsorganisationen wie den Maltesern, Johannitern und dem Deutschen Roten Kreuz nicht einigen konnten, müsste "Rave the Planet" nun einen privaten kommerziellen Sanitätsdienst bezahlen.

"Momentan sind wir dazu wirtschaftlich definitiv nicht in der Lage", sagt Zeiss deutlich. Dienstleister würden zur Verfügung stehen und man habe Angebote eingeholt. Die würden alle im Bereich von etwa 250.000 Euro liegen - bei einer kompletten Abdeckung der Veranstaltung. Dabei hat "Rave the Planet" für die gesamte Organisation mit einem Budget von 100.000 Euro geplant, nicht ganz die Hälfte davon für den Sanitätsdienst.

Die Veranstalter geben sich trotzdem kämpferisch. Einerseits haben sie eine Funding-Aktion gestartet, bei der in den ersten 20 Stunden aber gerade einmal rund 10.000 Euro zusammen gekommen sind. Laut Zeiss hat "Rave the Planet" insgesamt 30.000 Euro Spenden beisammen.

Andererseits bemüht das "Rave the Planet"-Team auch noch den Rechtsweg. Mit einem Eilantrag will es sich gegen Auflagen der Versammlungsbehörde wehren, einen Sanitätsdienst bezahlen zu müssen. Die Polizei betont, mit den Auflagen die öffentliche Sicherheit gewährleisten zu wollen. "Der Einsatz eines den zu erwartenden Risiken angemessenen ausgestatteten und eigenfinanzierten Sanitätsdienstes gehört dazu", schreibt die Polizei dem rbb, auch mit Verweis auf die Versammlung im Vorjahr.

Archivbild:Ein Krankenwagen und Einsatzkräfte der Polizei beim Rave The Planet am 09.07.2022.(Quelle:imago images/V.Garfunkel)Die Polizei begleitet einen Rettungswagen durch den "Rave the Planet"-Zug 2022.

Hilfsorganisationen wehren sich gegen Blockade-Vorwurf

Im Vorjahr hatten die Johanniter federführend und ehrenamtlich die Techno-Parade mit rund 200.000 Menschen abgesichert. Unterstützt hatten dabei Arbeiter-Samariter-Bund und Malteser. Das habe reibungslos geklappt, teilten die Johanniter noch am Montag auf rbb-Anfrage mit.

Eine Sprecherin der Johanniter betont, in diesem Jahr habe ihre Organisation zuletzt bereits die Special Olympics World Games und erst am Wochenende die Radsport-Veranstaltung Velocity verantwortet.

Dabei gab es Berichte, wonach der Sanitätsdienst im Vorjahr an seine Kapazitätsgrenze gekommen sei. Die Techno-Parade musste am Ende auch vorzeitig aufgelöst werden, weil es zu voll wurde. Viele Besucher mussten behandelt werden, auch wegen der Einnahme von Rauschmitteln. Mehr als 100 Transporte in Kliniken wurden nötig, durchgeführt von privaten Sanitätsdiensten mit Unterstützung der Berliner Feuerwehr. Insgesamt verlief der große Umzug aber "überwiegend störungsfrei", so die Polizei damals.

Die Berliner Feuerwehr könnte theoretisch auch eine akute Unterstützung anfordern - dafür wiederum stehen die ehrenamtlichen Hilfsorganisationen bereit, betonen sie alle auf Nachfrage des rbb.

Dem Vorwurf, die Veranstaltung gezielt und abgesprochen zu blockieren, dementieren die Hilfsorganisationen vehement. "Wir verwehren uns aber ausdrücklich gegen den von 'Rave the Planet' erweckten Eindruck, die Berliner Hilfsorganisationen hätten sich zu einer 'Blockade' der Veranstaltung zusammengeschlossen", sagte etwa eine Sprecherin der Malteser. Die waren als federführende Hilfsorganisation eingeplant, hatten "Rave the Planet" laut Zeiss aber final am 21. Juni darüber informiert, nicht zur Verfügung zu stehen. Einen Vertrag über eine Zusammenarbeit habe es dabei nie gegeben, betonen die Malteser.

Auch die anderen angefragten Hilfsorganisationen hätten danach abgesagt, so Zeiss.

Mindestens 140 Sanitäter werden benötigt

Gebraucht werden wohl um die 300 helfenden Menschen, das ist nach übereinstimmenden Angaben der Hilfsorganisationen eine realistische Zahl für Veranstaltungen dieser Größenordnung. Auf einen Sanitäter oder Arzt kommen demnach rund 1.000 Teilnehmende.

Die Polizei hat in ihrem Auflagen-Bescheid einen personellen Mindeststandard benannt: Demnach würden 140 Helfende mit verschiedenen Qualifikationen (Rettungs- und Notfallsanitäter:innen sowie -ärzt:innen oder Sanitätshelfer:innen) benötigt, um die Anforderungen zu erfüllen.

Dabei gehen Beobachter davon aus, dass es weit mehr als 300.000 Menschen werden dürften, die zur zweiten Auflage der Techno-Parade nach Berlin kommen - wenn der Rave denn stattfindet.

Sendung: rbb24 Abendschau, 05.07.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von John Hennig

50 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 50.

    Ich erinnere mich gern an die Loveparade in Berlin. Die Zeit war unbeschwert, schön und international...Berlin war weltweit positiv in den Schlagzeilen. Für jeden Mist wird Geld rausgeschleudert. Warum nicht auch für diese politische Veranstaltung?

  2. 49.

    Ein Jahr hatte Dr. Motte Zeit die Demo vernünftig durchzuplanen, stattdessen präsentiert er ein paar Monate vorher unvollständige Planungsdaten. Unprofessioneller geht es wohl nicht mehr. Armutszeugnis als Großveranstalter.

  3. 48.

    Das ist schön, dass Sie auf jeden Fall kommen. Ohne Lärm, ohne Müll,ohne Drogen kann man in Berlin ein wunderbares Wochenende verbringen...zumal der Samstag ein Sommertag wird. Genießen Sie es z. B. im schattigen Tiergarten. Geben Sie ihr Geld in Cafés oder netten Restaurants aus. Die Inhaber können es nach covid gebrauchen und das Land Berlin erhält durch die Mehrwertsteuer auch ein klein bisschen davon.
    Schönes Wochenende!

  4. 47.

    Ein solches Festival hat seine Kosten selbst zu tragen. Ich sehe nicht ein, dass die Allgemeinheit für den Spaß von ein paar 100000 rücksichtslosen Techno-Fans zu zahlen hat.

  5. 46.

    Ich reise aus dem tiefsten Bayern an und werde dort sein, komme was wolle.
    Wahnsinn, was der Stadt an Geld durch die Lappen geht wenn man davon ausgeht, dass mehr als 100.000 Teilnehmer extra anreisen und mindestens 150 Euro ausgeben werden..

  6. 45.

    Peinlich ist das richtige Wort! Wie kann es sein das Veranstalter und die Stadt Berlin es nicht Zustande bringen den Sanitätsdienst zu gewährleisten. Die Loveparade war ein Aushängeschild für Berlin und Rave the Planet ist ein Aushängeschild für Berlin. Durch die vielen Besucher wird auch viel Geld in die Stadtkassen und die Gastronomie gespült, somit ist es auch im öffentlichen Interesse die Veranstaltung stattfinden zu lassen. Ohne die Parade hätte ich persönlich dieses und letztes Jahr keinen längeren Aufenthalt in Berlin geplant!
    lg

  7. 44.

    Unverantwortlich!!! Sie wollen allen Ernstes

    "Mit einem Eilantrag [...] gegen Auflagen der Versammlungsbehörde wehren, einen Sanitätsdienst bezahlen zu müssen."

    Haben die Duisburg komplett verdrängt?!

  8. 42.

    Na, eine politische Veranstaltung, als der dieser Rave angemeldet wurde, ist es aber auch nicht. Das ist eine große, privat organisierte Party im öffentlichen Raum, die vielen Beamten und Angestellten in dieser Stadt, insbesondere der Polizei und der BSR eine Menge Arbeit macht und jede Menge Dreck verursachen wird. Bei einer politischen Veranstaltung muss die Polizei beispielsweise in den Einsatz. Das wird einfach gemacht, um Kosten zu sparen und diese der Öffentlichkeit aufzubürden. Ich wundere mich, dass das auch so genehmigt wurde. Wenn schon Party im öffentlichen Raum, dann bitte schön mit Übernahme sämtlicher entstehender Kosten.

    Grüße
    Navan

  9. 41.

    Ich finde es eh frech, das als Versammlung zu titulieren. Es ist nichts anderes als eine riesige Party. Vermeintliche Versammlungsthemen dienen doch nur als Vorwand, damit man weder für Sicherheit noch Sanitätsdienst aufkommen muss. Wer die letzten Male dabei war, weiß, was ich meine. Wäre es nicht sinnvoller, einfach einen Bereich in Berlin abzusperren, fünf Euro Eintritt zu verlangen und davon alles zu bezahlen? Ich sehe nicht ein, für die Party einiger weniger zu zahlen. Und unsere Polizei, Rettungsdienste und Krankenhäuser sind doch eh schon am Limit. Mal zu schweigen von dem ganzen Dreck, den die Leute so hinterlassen. Ein Sanitärkonzept sollte ebenso verpflichtend sein, damit die Anwohner nicht in die Fekalien der Feiernden treten.

  10. 40.

    Ein unnötiges Theater. Als verantwortungsvoller Veranstalter sollte ich doch wohl ich für eine Veranstaltung dieser Art schon Wochen, besser Monate vorher einen Vertrag mit einem Sanitätsdienst machen. Und mit einem Rest an Verantwortungsgefühl bei dem Stand der Dinge, wie er jetzt ist, einige Tage vorher absagen. Unsäglich, zwei Tage vorher immer noch keine Klarheit geschaffen zu haben.

  11. 39.

    Eine reine Retro-Veranstaltung. Teilweise Leute über 50/60, die nochmal die 90er Jahre erleben wollen. Der Spirit ist aber vorbei. Wir haben 2023 und nicht 1992. Die elektronische Musik wiederholt sich seit Jahrzehnten selbst. Damals war das noch neu, jung und aufregend. heute nur noch laaangweilig, rückwärts gerichtet und abgedroschen. Kommerziell und kreativ völlig ausgelutscht, in jeder Hinsicht. Hinzu kommt hier noch das Problem mit den Rauschmitteln. Da braucht es professionelle Sanitäter.

  12. 38.

    Also die BVG gibt aber einen Hinweis auf ihren Anzeigetafeln dazu ab wo in kleinster Weise etwas von "wahrscheinlich" steht. Sie scheint (Stand 06.07. 6:30) also zu wissen, dass die Veranstaltung stattfindet.

  13. 37.

    Die Kosten für die Party (Motto=Alibi, um von der Allgemeinheit doch noch mitfinanziert werden zu können) sollten v. Veranstalter und/oder d. Teilnehmern / "Notfällen" getragen werden. Wenn d. Geld nicht reicht, muss d. Party kleiner gehalten werden, oder eben ausfallen. Die ehrenamtlichen Malteser...für d. Nichtzustandekommen v. Verträgen verantwortlich zu machen, ist armselig. Noch dazu, wo wir jetzt ALLE wissen, dass d. Ehrenamtlichen für die Hälfte des Preises, diesen Job erledigen sollten.

  14. 36.

    Ehrenamtliche mit falschen Plural locken? Das wird nichts. Richtiges Deutsch wäre wohl besser, kürzer, smarter und weniger erzieherisch. (Negtiv:innen sind immer diskriminiert)

  15. 35.

    @ Berlinbär, auch Sie waren einmal in einem Alter, da Sie Sachen bräuchten, die Sie heute nicht mehr brauchen. Etwas mehr Toleranz der Jugend gegenüber täte vielen ganz gut. Und nicht vergessen, Sie leben in einer Großstadt.

  16. 34.

    Und ich dachte die Sonnenallee wäre das Aushängeschild von Berlin.
    Naja, "Again what learned"

  17. 33.

    Das ist ja wie in die Kneipe gehen ohne Kohle.

  18. 32.

    Eine absolut überflüssige Veranstaltung! Die Berliner Rettungsdienste und Notaufnahmen arbeiten am Limit, da sollte man nicht noch zusätzliche Notfälle produzieren.

  19. 31.

    Also ging es doch wieder nur um das Geld.
    Nein! Doch! Ohh!

Nächster Artikel