Konzertkritik | Israel Philharmonic Orchestra in Berlin - Ein ernster Abend

Di 05.09.23 | 09:14 Uhr | Von Hans Ackermann
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Israel Philharmonic Orchestra.(Quelle:Oded Antman)
Audio: rbb24 Inforadio | 05.09.2023 | Hans Ackermann | Bild: Oded Antman

Werke des 20. und 21. Jahrhunderts standen beim Konzert des Israel Philharmonic Orchestra beim Musikfest Berlin in der Philharmonie auf dem Programm. Chefdirigent Lahav Shani führte mit hohen und ernsten Tönen durch den Abend. Von Hans Ackermann

Lahav Shani hat für das Gastspiel des Israel Philharmonic Orchestra beim Musikfest Berlin ein sinfonisches Programm mit unterschiedlichen religiösen Bezügen zusammengestellt, Musik der beiden israelischen Komponisten Paul Ben-Haim und Betty Olivero, dazu der russische "Jubilar" Sergei Rachmaninoff, dessen 150. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird.

Religiöser Beginn

"Ich erhebe meine Augen zu den Bergen - woher kommt mir Hilfe?" So beginnt Psalm 121. Acht Verse, die der 1984 gestorbene Komponist Paul Ben-Haim seiner Sinfonie Nr. 1 zugrundegelegt hat. Uraufgeführt wurde dieses 1940 entstandene "sinfonische Gebet" ein Jahr später vom Palestine Symphony Orchestra: Musiker, die wie Ben-Haim - 1897 als Paul Frankenburger in München geboren - aus dem nationalsozialistischen Deutschland geflohen waren und in Tel Aviv den Grundstein für das spätere Israel Philharmonic Orchestra gelegt haben. Seit 1948 trägt dieser vorzügliche Klangkörper seinen Namen, vor Lahav Shani war der Dirigent Zubin Mehta über viele Jahre der künstlerische Leiter des Ensembles.

Lahav Shani.(Quelle:Marco Borggreve)
Lahav Shani. | Bild: Marco Borggreve

Hohe Töne klingen echohaft im Saal nach

Für eine kurze Schrecksekunde zuckt das gesamte Publikum in der zu zwei Dritteln gefüllten Philharmonie zusammen, wenn die ersten und sehr hohen Töne des zweiten Werks des Abends erklingen - man muss sich erst hineinhören in "Many Waters", ein Werk, der israelischen Komponistin Betty Olivero für das Musikfest, avantgardistische Klangkunst für Sopran, Orchester und Elektronik.

Die israelische Sopranistin Hila Baggio stimmt dabei in den höchsten Lagen ein zentrales Wort aus der jüdischen Liturgie an: "Hosanna" - das sich als Hilferuf "Hosianna" auch in der Luther-Bibel findet. Die hohen Töne, die mittels Mehrkanal-Elektronik echohaft im Saal nachklingen, hat Olivero mit Absicht so gesetzt: "Schmerzhaft" sei ihre Komposition, sagt die Komponistin im Interview, "so als wenn die ganze Welt 'Hosanna' rufen würde" - hilf uns.

Das aufschlussreiche Gespräch [mediathek.berlinerfestspiele.de] kann man im Online-Angebot zum Musikfest Berlin anhören - und der anspruchsvollen Musik der 1954 in Tel Aviv geborenen Komponistin dann umso leichter folgen. Olivero experimentiert mit den, wie sie sagt, "perkussiven Elementen" der hebräischen Sprache, setzt scharfe Konsonanten und weiche Vokale mit Gesang, Elektronik und parallelen Orchesterstimmen in neue Zusammenhänge. Ohne Hintergrundwissen - das die Komponistin bereitwillig vermittelt - lässt sich das avantgardistische Experiment im Grenzbereich von Musik und Klangkunst vermutlich weitaus schwerer fassen.

Mitklatschen oder Stillsitzen?

In der zweiten Hälfte des Abends spielt das vorzügliche Orchester aus Tel Aviv mit seinem dunklen, warmen Klang dann Sergei Rachmaninoffs "Symphonische Tänze". Auch hier gibt es durchaus religiöse Bezüge, denn in seinem letzten Werk, uraufgeführt 1941 in Philadelphia, hat der Komponist das markante musikalische Motiv des "Dies irae", die "Tage des Zorns" aus der Totenmesse, besonders häufig in seine Partitur eingeflochten.

Die Stimmung im Saal hellt sich merklich auf, wenn dann ganz am Ende als zweite Zugabe die "Pizzicato-Polka" von Johann Strauß erklingt. "Mitklatsch-Versuche" der einen Publikumshälfte werden allerdings mit Entschiedenheit von der anderen im Saal mit eindeutigen Zischlauten unterbunden - sonst wäre am Ende dieses doch sehr ernsten Abends sogar noch ausgelassene Heiterkeit aufgekommen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.09.2023, 5:00 Uhr

Beitrag von Hans Ackermann

3 Kommentare

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  1. 2.

    ....das dämliche klatschen im dämlichen Rhythmus nervt allgemein. Teilweise hört man weder Musik noch Interpretation. Grausig doof. Und dann bei einem solchen Konzert. Ohgott. Zischlaute waren da noch höflich aufmerksam.

  2. 1.

    @Herr Ackermann
    Welches Stück war die erste Zugabe, die gestern gespielt wurde?
    Herzlichen Dank

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