Reaktion auf Überlastung - Rettungsdienst in Berlin muss nicht mehr zu leichteren Fällen ausrücken

Mo 25.07.22 | 17:49 Uhr
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Ein Rettungswagen der Feuerwehr am 31.01.2022 bei einer Einsatzfahrt mit Blaulicht. (Quelle: dpa/Thomas Bartilla)
Audio: Fritz | 25.07.2022 | Franziska Spiecker | Bild: dpa/Thomas Bartilla

Um die Überlastung des Rettungsdienstes bei der Berliner Feuerwehr in den Griff zu bekommen, sollen zu leichteren Fällen keine Rettungswagen mehr geschickt werden.

Nach Angaben der Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP) wurden am Montag eine Reihe von Codes bei der Notrufannahme angepasst, so dass mehr Einsätze an die Kassenärztliche Vereinigung abgegeben werden können. Dies wurde seit langem von Beschäftigten, Personalrat und Gewerkschaften gefordert.

Feuerwehr hat Programm bereits geändert

Die Codes sind Bestandteil eines standardisierten Computersystems, das bei 112-Notrufen abgefragt wird. Es stellt den Mitarbeitern standardisierte Schlüsselfragen, auf deren Basis dann Einsatzkräfte losgeschickt werden. Dadurch kam es aber auch zu vielen Einsätzen bei Bagatellfällen. Dies sorgte für Kritik, weil sich der Rettungsdienst so quasi ständig im Ausnahmezustand befindet. Teils gab es keine freien Rettungswagen (RTW) mehr.

Nach rbb-Informationen hat die Feuerwehr das entsprechende Computerprogramm in den letzten drei Tagen so verändert, dass die Leitstelle in bestimmten Fällen weniger oder gar keine Einsatzkräfte rausschickt, wenn sich in der Vergangenheit gezeigt hat, dass sie nicht nötig gewesen wären. Die Feuerwehr erklärte gegenüber dem rbb, dass sich die Versorgung dadurch nicht verschlechtere.

Innensenatorin hatte Druck gemacht

Zuletzt hatte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) den Druck auf die Feuerwehr-Leitung erhöht und eine Steuerungsgruppe eingesetzt, die zügig Verbesserungsvorschläge erarbeiten soll. Die Feuerwehrführung hatte bereits im vergangenen Herbst eine eigene Taskforce eingesetzt, um Verbesserungen für den überlasteten Rettungsdienst zu erarbeiten. Die Ergebnisse reichten der Innenverwaltung aber nicht aus.

Die GdP zeigte sich erleichtert, dass Bewegung in die angespannte Situation beim Rettungsdienst der Feuerwehr kommt. "Die Code-Anpassungen ergeben absolut Sinn, weil wir hier über sehr viele Fälle reden, die bisher mit einem RTW beschickt wurden, ohne dass dieser wirklich gebraucht wird", sagte Sprecher Benjamin Jendro. Es sei allerdings bedauerlich, dass es dafür erst eines "dauerhaften Ausnahmezustandes und eines faktischen Notstandes" bedurft hätte.

Sendung: Fritz, 25.07.2022, 16:30 Uhr

54 Kommentare

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  1. 54.

    Also ich hatte einen untypischen Herzinfarkt. Der hat sich durch starke Rückenschmerzen geäußert. Damals kam aber trotzdem ein Notarzt mit dem Rettungswagen. Auf dem Weg zum Rettungswagen, blubberte mich der Arzt an, für Rückenschmerzen müssen sie kein Rettungswagen rufen. Im Krankenwagen ging es dann nach EKG sehr schnell ins Krankenhaus. Also ich fand das Beispiel schon mal nicht so verkehrt.

  2. 53.

    Dann muss man also am Ende des Gespräches noch sagen "... und irgendwie bekomme ich nicht so gut Luft" und schon wird auch wieder die Bagatelle bedient . Inzwischen weiß der/die Anrufende, was man so sagen muss, damit das rote Taxi auch kommt. Traurig aber üblich .

  3. 52.

    Was soll das denn heißen? Schlagen Sie doch bitte nach was ein Notfall ist, per Definition nämlich „ein lebensbedrohlicher Zustand“ und nicht, Periodenschmerzen ohne vorher ein Schmerzmittel genommen zu haben, seit Monaten Knieschmerzen, Behandlung vom Orthopäden hilft nicht, und andere Frechheiten. Wo kommen wir denn hin in dieser verkorksten Gesellschaft wenn kein Mensch mehr bereit ist Verantwortung für seinen eigenen Körper zu übernehmen?

  4. 51.

    Wenn Sie sich vom Taxi oder privat ins Krankenhaus bringen lassen und es gibt auf dem Weg einen Unfall...
    "Unfallbuch" auf dem Sportplatz? Naja...

  5. 50.

    Welche Haftung / Versicherung?
    Meines Wissens gibt es auf jedem Fußballplatz oder sonstigem ein Unfallbuch, wo ein solcher dokumentiert wird und von der Unfallstelle bekommt man dann ein Unfallprotokoll ect.

  6. 49.

    "Kann man mit einem Bänderriss nicht mit einem Taxi in Krankenhaus?" das ist oft schwierig wegen der Haftung, Versicherung usw. Aber man kann zeitnah den Notruf wählen, nicht, wie beschrieben, Stunden später und dann noch alkoholisiert.

  7. 48.

    Ich glaube langsam Sie wollen sämtliche Beiträge hier falsch verstehen: es geht z.B. nicht um den umgeknickten Fussballer an sich, sondern den „angesoffenen“, dem nach Stunden des vergnüglichen Feierns dann mal „nach Arzt ist“. Es wurde doch mehrfach betont, dass es um die Fälle geht, bei denen nicht aus Angst, Versunsicherung oder wirklicher, gesundheitlicher Beeinträchtigung, sondern aus purer Egozentrik der RTW gerufen wird.

  8. 47.

    Danke für die Antwort, ja, verständlich, dass der Nachweis schwierig ist. Alles Gute für Sie!

  9. 46.

    "... Auch kann bei den von Ihnen erwähnten Umknicken des Fußballers durchaus ein Bänderriss eingetreten sein. ... Oder was ist mit einem leichten Herzinfarkt, der fast nicht gespürt wird? ..."
    Kann man mit einem Bänderriss nicht mit einem Taxi in Krankenhaus?
    Herzinfarkt ... Äh, wenn ich etwas "fast nicht spüre", woher weiß ich dann, dass es ein Herzinfarkt ist und ich einen Krankenwagen brauche?
    Nichts für ungut, aber für mich etwas merkwürdige Beispiele.

  10. 45.

    Wir sehen ja am Gesundheitswesen was passiert wenn man privatisiert. Bestimmte Bereiche gehören einfach nicht privatisiert.

  11. 44.

    In den Notrufzentralen sitzen ausgebildete Rettungssanitäter, die mit gezielten Fragen sehr wohl eruieren können, ob eine lebensbedrohliche Situation vorliegt, für die der Rettungsdienst schließlich gedacht ist, oder ob ein eigenständiges Aufsuchen der nächsten Rettungsstelle bzw. ein Hausarztbesuch vertretbar sind. Im Zweifelsfall wird man sich immer noch für das Ausrücken eines Einsatzmittels entscheiden. Aber bislang sind die Rettungswagen eben sehr oft zu Fällen ausgerückt, die eindeutig keine akuten Notfälle waren. Das haben die Einsatzkräfte selbst ja schon seit Jahren moniert.

  12. 43.

    Sie kennen sich aus, aber wieviel unserer Mitbürger können unter Stress oder Schock unterscheiden ob die Krankheit/Verletzung bedrohlich ist oder ob ein Anruf bei relativ unbekannten Rufnummer der ärztlichen Bereitschaftsdienst ausreicht. Auch kann bei den von Ihnen erwähnten Umknicken des Fußballers durchaus ein Bänderriss eingetreten sein. Da genügt schon fehlendes Aufwärmen. Oder was ist mit einem leichten Herzinfarkt, der fast nicht gespürt wird?

  13. 42.

    Das nützt aber rein gar nichts, wenn die Leitstelle weiter vom Land betrieben wird und Einsatzkräfte zu Bagatellen losschickt. Es ist egal, ob dann die Berliner Feuerwehr selber oder irgend eine der anderen Hilfsorganisationen überlastet ist. Es gibt nun mal nicht unendlich viele Rettungswagen und vor allem nicht genug ausgebildetes, einsatzfähiges Personal, um sich solch einen Luxus zu leisten.

  14. 41.

    Warum wird der Rettungsdienst nicht ausgeschrieben? In denen Ländern haben sich Johanniter und Rotes Kreuz bewährt.

  15. 40.

    Ich habe nicht von Unfällen oder blutenden Wunden gesprochen, sondern ausdrücklich von Fällen, wo Rettungsdienst und Notaufnahme missbraucht werden, weil man z. B. seit Tagen Unwohlsein hat, aber keine Lust hatte, sich in ein Wartezimmer zu setzen. Oder Hobbyfußballer, die mittags umknicken und nachts um 3 mit 2 Promille gebracht werden.
    Auch bei vielen leichten Erkrank. würde ein Anruf bei der 116117 ausreichen.
    So haben wir Wartezeiten von vielen Stunden, überlastetes Personal u. Security.

  16. 38.

    Das ist ein schönes Beispiel und damit rennen sie bei mir offene Türen ein. Ich meine tatsächlich die Situationen wo ein dritter den Notruf wählt weil jemand augenscheinlich Hilfe braucht. Aber wahrscheinlich war das zu kryptisch formuliert...

  17. 37.

    Ach was. Also entscheidet INDIREKT derjenige der den Notfall hoffentlich korrekt schildert. Aber ich denke sie hatten mich schon verstanden...

  18. 36.

    Bei allem Respekt vor Ihrem Fachwissen, aber Sie vergessen ein ausschlaggebendes Element und das ist der Stress der durch ein Unfall oder eine heftig blutende Verletzung hergerufen wird. Als ehemaliger ehrenamtlicher Jugendgruppenleiter habe ich in der Erste Hilfelehrgängen gelernt mit solchen Ausnahmesituationen umzugehen, aber wo finden Sie bei den Mitbürgern entsprechende Kenntnisse? So gut wie nie. Nur ein Stichwort: überforderte Mütter!

  19. 35.

    Absolut richtig die Entscheidung, dass Patienten mit Verdacht auf Herzimfarkt oder Schlaganfall, wo jede Minute zählt, nicht auf den RTW warten müssen, nur weil der Notarzt gerade bei einer jungen Frau, die gestolpert ist, das Knie verbinden muss. Alles schon miterlebt: Statt aufzustehen, Krone zu richten, bis zur Apotheke an der Ecke zu laufen und sich ein Pflaster zu kaufen, wird die 112 gedaddelt, weil das Mobilphone permanent im Einsatz ist!
    Ich vermute, dass viele die Rettung rufen, weil sie nicht mehr handlungs- und denkfähig sind, wenn es keine App gibt.
    Hilfe zur Selbsthilfe ist bei der head-down generation genau so nötig wie Entlastung der Rettungsdienste!

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