Modellprojekt in Berlin-Kreuzberg - Vandalismus gegen Parkplatz-Wegfall im Graefekiez

Mo 25.09.23 | 21:28 Uhr
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Die Buden in der Graefestraße wurden mit Graffitis besprüht. (Quelle: Graefekiezfüralle)
Audio: rbb24 Inforadio | 25.09.2023 | Markus Streim | Bild: Graefekiezfüralle

Parkplätze im Kreuzberger Graefekiez werden seit dem Frühjahr im Rahmen eines Modellprojekts umgestaltet: etwa zu Beeten oder Grünflächen. Doch nun sind diese mit kritischen Parolen besprüht - zum Ärger des Bezirks und mancher Anwohner.

Fast alle neuen Holzbänke und Blumenkästen sind schon beschmiert, mit Parolen gegen die rot-grüne Bezirkspolitik in Friedrichshain-Kreuzberg. "Kein Parkverbot im Kiez", "Fuck Rot-Grün" oder "Stop Project Graefekiez" ist seit mehr als einer Woche auf Hausfassaden oder Schildern rund um die Graefe- und Böckhstraße zu lesen.

Die Schmierereien richten sich offensichtlich gegen das im Frühjahr gestartete Modellprojekt im Graefekiez, mit dem binnen eines Jahres bis zu 400 private Auto-Stellplätze zugunsten von Grünflächen, Beeten, Fahrradständern oder sogenannten Parklets weichen sollen.

"Das sieht für mich nach derselben Schrift aus, es ist also eine Figur, die sich da geärgert hat", äußert eine Anwohnerin ihre Vermutung im Gespräch mit dem rbb am Montag. "Ich finde es sehr befremdlich, wenn jemand so ein Projekt so beschmiert, das ist doch peinlich", sagt ein anderer.

Die Begegnungszone in der Graefestraße wurde mit Graffiti besprüht. (Quelle: Graefekiezfüralle)
| Bild: Graefekiezfüralle

Bezirk: Kritik möglich, aber keine Sachbeschädigung

Auf rbb-Anfrage teilte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg am Montag mit: "Dass das Projekt Graefekiez Befürworter*innen und gleichzeitig auch Gegner*innen hat, hat sich bereits nach dem ersten BVV-Beschluss gezeigt." Es gebe diverse Möglichkeiten, Kritik zu äußern. Hierbei handele es sich jedoch um Sachbeschädigung. Auch ein Infoschild sei beschmiert worden. Wer hinter dem Vandalismus stecken könnte, dazu habe das Bezirksamt keine Erkenntnisse, hieß es.

Tatsächlich wurde das Projekt bereits nach einem Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im Juni 2022 kontrovers diskutiert. Eine Initiative aus Anwohnern sammelte mit Unterstützung der CDU in dem Bezirk mehr als 1.400 Unterschriften gegen das Vorhaben. Auch deshalb entschloss sich das Bezirksamt, von ursprünglichen Plänen über den Wegfall von bis zu 2.000 Parkplätzen im gesamten Kiez vorerst abzurücken.

Karte: So könnte der Graefekiez aussehen. (Quelle: rbb/Projekt Graefekiez)
Der Bereich, in dem das Modellprojekt im Graefekiez läuft | Bild: rbb/Projekt Graefekiez

"Wenn man hier wohnt, braucht man auch Parkplätze"

Bislang sind im Kernbereich an der Graefe- sowie der Böckhstraße knapp 100 Parkplätze verschwunden. Anwohner haben teilweise selber die Möglichkeit, die Flächen umzugestalten. Zudem sollen an 13 Standorten Stationen für Sharing-Fahrzeuge wie Autos, Elektroroller, Fahr- oder Lastenräder sowie bis zu 37 Lade- und Lieferzonen für den Wirtschaftsverkehr entstehen.

Die zuständige Bezirksstadträtin für Verkehr, Annika Gerold (Grüne), nannte als Ziele des Projekts zum Start im März mehr Verkehrssicherheit, mehr Aufenthaltsqualität, Anpassung an den Klimawandel und bessere Bedingungen für den Wirtschaftsverkehr.

Doch auch ein knappes halbes Jahr später stößt das Projekt bei manchen Anwohnern auf Widerstand. "Ich finde es ätzend, dass man hier nicht mehr parken kann. Wenn man hier wohnt, braucht man auch Parkplätze. Hier ist es immer voll", sagt Daniel. Und auch Amiri halte Ausweichmöglichkeiten am Hermannplatz oder dem Kottbusser Tor für zu weit weg, sagt er. Betroffene können darüberhinaus ihr Auto für 50 Euro monatlich in einem Parkhaus unterstellen.


Parolen sollen entfernt werden - Strafanzeigen erstattet

Die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg sprachen vor wenigen Tagen bei X, vormals Twitter, bezüglich der Schmierereien von "groteskem Hass". Es seien durch das Verkehrsprojekt Wünsche der Anwohner umgesetzt worden. Nach Angaben des Bezirks sollen die Parolen in Kürze entfernt werden. Es wurden demnach auch Anzeigen erstattet.

Das Projekt, das auch die Sperrung eines Straßenzugs für den Durchgangsverkehr und Tempolimits umfasst, soll noch bis zum Frühjahr 2024 weitergehen. Dann soll die Bezirksverordnetenversammlung entscheiden, ob es fortgesetzt wird.

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.09.2023, 15 Uhr

74 Kommentare

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  1. 73.

    Dieses Mobiliar braucht halt kein Mensch.

  2. 72.

    Attraktiv sind diese provisorischen Sperrholz-Möbel ja auch nicht gerade. Graffiti gibt es in der ganzen Stadt. Immobilienmakler werben sogar seit langem mit den „typischen Berliner Graffiti-Sockel. Nein schön ist das nicht und all diese Massnahmen sind irgendwie verzweifelte Massnahmen die nur zu mehr Konflikten führen.

  3. 71.

    "Die zuständige Bezirksstadträtin für Verkehr, Annika Gerold (Grüne), nannte als Ziele des Projekts zum Start im März mehr Verkehrssicherheit, mehr Aufenthaltsqualität, Anpassung an den Klimawandel und bessere Bedingungen für den Wirtschaftsverkehr." Es ist lustig, die Grünen geben vor, bestimmte Ziele vorzuhaben, ergreifen Maßnahmen über den Kopf der Bevölkerung hinweg, und erreichen genau das Gegenteil. Wer jetzt mal im Gräfekiez war stellt fest: Umherfahrende Autos auf Parkplatzsuche, Mehr Verkehrskonflikte dadurch, dass die Straße schmaler gemacht wurde. Rad und Auto kamen vorher problemlos aneinander vorbei. BSR zwängt sich durch die Straße, Getränke Hoffmann sucht nen Platz zum Ausladen. Sie können es einfach nicht, ODER: Das Ziel ist ein ganz anderes. Jedenfalls ist das gute Miteinander nun schön gestört. Danke, Grüne (& SPD btw.!)

  4. 70.

    Ich habe in meinem Bekanntenkreis,ich nehme ihnen das auch nicht Übel,Grünenwähler die tatsächlich nicht Auto abgeneigt sind und sogar eins besitzen und für größere Transporte auch sich mal nen LKW mieten.Nicht jeder aus diesem Wählerkreis gehört zur Müslifraktion, muß sein Leben normal organisieren,wozu auch die tägliche Mobilität in und außerhalb der Stadt gehört.

  5. 68.

    Es ist schön, dass sich endlich jemand zu Wort meldet der die Unterschiede wirklich kennt. Und wir anderen schreiben uns hier die Finger wund ;). Danke, dass Sie Ihre Erfahrung mitgeteilt haben.

  6. 67.

    Danke für Ihren Kommentar, denn ich wohne auch in Tempelhof und kann die Situation seit Einführung der Parkautomaten bestätigen. Leider versuchen jetzt einige Autos bei uns "unterzukommen" und stehen leider......, egal, denn wir haben noch keine Parkautomaten, Aber das wird sich dann auch ändern, wenn es bei uns so weit ist. Ich hab da Geduld.

  7. 66.

    Ich wohnte 1979 in der Graefestraße 7. Zahlte damals für die große 4 Zimmer Wohnung im vierten Stock bloß 380,-DM Miete. Die gesamte Straße machte einen sehr tristen Eindruck. Gehe ich heute in den Graefekiez erfreue ich mich an all die positiven Veränderungen.

  8. 65.

    Bei uns in der Grünanlage wurden im Sommer die morschen Parkbänke erneuert. Es dauerte keine Woche, da waren die schönen, neuen und einladenden Holzbänke beschmiert, in ähnlicher Weise, wie hier auf auf den Fotos. Komischerweise hat sich kein Politiker und schon gar keine Bürgerinitiative darüber aufgeregt. War wohl nicht politisch genug.

  9. 64.

    "Für 50 Euro im Parkhaus? Sorry, unglaubwürdig."
    Tja, hat der rbb aber so veröffentlicht, können Sie gerne nachlesen. Der Bericht war vom 14.03.23

  10. 63.

    Ich muß da,immer Donnerstags, arbeiten.
    Also,demnächst, keinen Parkplatz gefunden, vorbei fahren.
    Ich schleppe mein Werkzeug nicht durch halb Berlin!

  11. 62.

    Ein Modellprojekt, dessen immensen Kosten mal wieder vom Steuerzahler zu tragen sind.

    Für 50 Euro im Parkhaus? Sorry, unglaubwürdig.

  12. 61.

    Die blau/braune Law & Order Fraktion plädiert also für Vandalismus. Das nenne ich mal schön selbst entlarvt.

  13. 60.

    Ich nehme ihnen nicht ab in SO36 zu wohnen, sie behaupten ja auch ein "pragmatischer Altlinker" zu sein und geben hier das Sprachrohr der rechtsextremen AfD. Etikettenschwindel nennt man sowas.

    Oder man versteht Elsässer und Mahler als "pragmatische Altlinke".

  14. 59.

    Ich habe auch nicht gedacht, dass Sie mir das unterstellen wollen ;) aber ich habe mich, was diese Modellprojekt anbelangt jetzt wenigstens mal informiert, was es wirklich ist. Das Ergebnis habe ich ja auch hier veröffentlicht.
    Was mich wirklich interessieren würde, war es wirklich eine "Nacht- und Nebelaktion"? Das wäre dann allerdings etwas merkwürdig. Ich hoffe, Sie haben da verlässliche "Quellen". Ist wirklich nicht böse gemeint, würde mich wirklich mal interessieren, wie es genau abgelaufen ist. Hat der rbb vielleicht Informationen dazu?

  15. 57.

    Hi Claudia, ich bin Altlinker. Das habe ich Ihnen nicht unterstellt. ;-)

    Die Umgestaltung erfolgte laut Aussagen Dritter in einer Art „Nacht- und Nebelaktion“.

    Mehr kann ich da leider nicht zu sagen.

    Die sachlichen Ergebnisse der Wahlen beanstande ich auch nicht, nur habe ich in den Parteiprogrammen da nichts gelesen oder etwas vernommen.

  16. 56.

    Ich fühle mich von den vielen Autofahrern und ihren äußerst geräumigen Vehikeln auch ausgegrenzt und behindert..

  17. 55.

    Auweia was für ein Aufschrei und ganz schlimmer Vandalismus und man nimmt sogar den Strafbestand der Sachbeschädigung in den Mund. Ich finds generell nicht ok die Stadt zu beschmieren oder irgendwelche Parolen zu verewigen. Die hier laut schreien haben sich doch vorher auch nicht gestört über die andern Schmierereien.

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